Fleet Foxes :: Helplessness Blues

Coop/Universal

Die Fortsetzung der Folk-Pop-Saga aus Seattle mit größeren Verschiebungen in den Detailfragen. Die Fleet Foxes bezirzen auf ihrem zweiten Album mit jeder neuen Kleinigkeit.

Genau neun Minuten und 24 Sekunden vor Ende dieses Albums stürzt die Welt der Fleet Foxes ein. Es ist der Moment, da eine Bassklarinette wild wimmernd in das kontemplative Spiel der Band aus Seattle drängt. Nach zwei weiteren Minuten scheint die feindliche Übernahme durch den Free Jazz abgewehrt, das Blasinstrument findet in den Fluss der Streicher und klingt sanft im Bandsound aus. „Why in the night sky are the lights on / why is the earth moving round the sun“ – mit diesen Worten beginnt Robin Pecknold den nächsten Song, als wollte er in den stillen drei Minuten, die nun folgen, noch einmal sein Erstaunen über die Dinge kundtun, wie sie nun mal sind, die Beziehungen der Menschen untereinander, das Geheimnis des Universums, den Schrecken der Hilflosigkeit.

Zwei von zwölf neuen Beiträgen, die das komplette Spektrum der Möglichkeiten demonstrieren, die den Fleet Foxes 2011 offen stehen, von der kunstvollen Ekstase bis hin zur sanften Meditation an Gitarre und Weltgeist. Im ersten Moment mögen dem neuen Album der Amerikaner die über alles hinwegstrahlenden Songs fehlen, die ihre Debütplatte zum Sensationserfolg machten („White Winter Hymnal“, „Tiger Mountain Peasant Song“). Beginnt man aber sich Stück für Stück in den 50 Minuten von Helplessness Blues zu orientieren, tritt ein großer akustischer Schatz zutage. Dass er weitgehend mit den gleichen Mitteln produziert wurde wie die berühmte erste Songsammlung aus dem Jahr 2008, ist die eine Sache, dass sich Robin Pecknold, Skyler Skjelset, Josh Tillman, Casey Wescott, Christian Wargo und Morgan Henderson auf ihrem zweiten Album in den Details ein hörbares Stück weit vom Vorgänger entfernt haben, die andere.

Als er jetzt noch einmal das Debütalbum gehört hatte, fehlte ihm die Luft zum Atmen, sagte Robin Pecknold zuletzt einem amerikanischen Reporter. Wer will das auf Anhieb verstehen? Helplessness Blues deutet die Veränderung aber an, beim neuen Songdutzend arbeiten die Fleet Foxes mit komplexeren Rhythmen, das verleiht Stücken wie „Bedouin Dress“ eine neue Tiefe, der Song erhebt sich aus einem Upbeat-Gestrüpp und fährt über eine irrlichternde Violine weit aus dem Appalachen-Folk-Spektrum heraus, um irgendwo in Worldmusic-Sphären zu landen, wo schon längst an Übergangsmusiken gearbeitet wird. „The Plains/Bitter Dancer“ gleicht einem Triptychon. Die beiden zuklappbaren Seitenteile rahmen den Hauptsong im Mittelteil ein, der zu schön ist, um einfach als Buffalo-Springfield-Rip-Off durchzugehen. So ist das mit den Fleet Foxes, sie bezirzen uns mit jeder neuen Kleinigkeit, und sei sie noch so sehr an den Großtaten aus den größten Phasen des Pop gespiegelt.

Artverwandtes: Simon And Garfunkel Parsley, Sage, Rosemary And Thyme (1966) Buffalo Springfield Buffalo Springfield (1966)

Story S. 40