Future Brown

Future Brown

Warp/Rough Trade

Global Underground: Das multinationale Produzenten-Kollektiv erforscht mit seiner futuristischen Clubmusik unsere Gegenwart. Ein Schmelztiegel von R’n’B, Grime und Dancehall.

„Future Brown macht Musik für die Welt, auf der wir wirklich leben“,  titelte kürzlich das New Yorker Musikmagazin „The Fader“. Ziemlich hochtrabend klingt das, so als wolle man möglichst viel Bedeutungsschwere in die futuristischen Club-Tracks einer musikalisch, geografisch und überhaupt bunt gemischten DJ-Truppe pumpen.

Die Sache ist aber: Das kommt so schon hin. Das Debütalbum der vierköpfigen Underground-Supergroup um die Produzentin, Linguistin und Kosmopolitin Fatima Al Qadiri ist auf seine eigene, irrwitzige Weise Musik zur Zeit: ein wuchtiger, kribbeliger Genre-Hybride, in dem sich alles mit allem überlagert, der fremdartig klappert und surrt und sich trotzdem beeindruckend geschmeidig durch die musikalischen Kulturräume manövriert: Grime, autotuneverzerrter R’n’B, kühl hallende Synthesizer, Dancehall, Reggaeton und Drill-HipHop. Tanzen kann man zu jedem der Songs anders: „Don’t you wanna party with some liquor in your body“, fragt die Chicagoer Rapperin Tink (neben Kelela eine der vielen Gastmusiker) zu rasenden Hi-Hats, schweren Bassläufen und exotischen Kirchenglocken in „Wanna Party“. Dafür ist der spärliche Beat in „Room 302“ aufregend verstolpert, in „Vernáculo“ tropisch beschwingt.

Überall aber hört man Al Qadiris Weltmusik-Grime-Ästhetik heraus. Schon für sich genommen wären die Sounds aus den Versatzstücken weltweiter Clubkultur ein Statement: eine multidimensionale, eine große globale Vision für unsere komplex vernetzte, bestens synchronisierte Gegenwart. Selbst dann, wenn man sich noch nicht die Biografien der Mitglieder angesehen (um nur einige Wurzeln zu nennen: Kuwait, Senegal, Iran, Indien, Puerto Rico) oder auf die Texte gehört hat: Zwischen all dem ausschweifenden Partying auf der Tanzfläche geht es nämlich auch um Rassismus oder Gender – und darum, mit diesen Themen zu spielen. Die Texte wechseln fließend zwischen Englisch und Spanisch und beziehen sich in einer Schleifenbewegung schon mal auf sich selbst: In „Vernáculo“ reimt die New Yorker Sängerin Maluca „culo“ (Spanisch für Arschloch) auf „vernáculo“, die Vernakularsprache, mit der man lokale Dialekte bezeichnet. Moderne Elektronik, imaginäre Weltreise, linguistische Fallstricke – bei Future Brown bekommt man alles zugleich.