Human Abfall

Form und Zweck

Sounds of Subterrania/Cargo

Die Beschreibung eines der Stücke der Stuttgarter Post-Punk-Band als „freudomarxistische Dauerschleife zwischen Herrschaftsreflexion, Dada und Psychoanalyse“ lässt er­ahnen, dass ihr neues Album den kumpelig-befindlichen Tattoo-Punk ziemlich vor den Kopf stoßen dürfte.

Human Abfall, das ist eine der Bands dieses „neuen“ Stuttgarts. Dass es dort, im Auge des schwäbischen Menetekels, wirklich relevantes subkulturelles Leben geben soll, erstaunt dabei noch immer. Denn selbst nach dem letzten, fantastischen Album von Die Nerven, also dem unzweifelhaften Beweis für die Existenz des hiesigen Märchens, rechnet man weiterhin damit, dass sich der aktuelle „Verstehen Sie Spaß?“-Moderator (Hirschhausen? Cantz? Sarah Kuttner?) aus dem Moshpit schält und den Gag als solchen enttarnt.

Mit Human Abfall hat nun eine der Gruppen, die für all das mitverantwortlich zeichnen, die zweite Platte aufgenommen. Nach dem Debüt, TANZTEE VON UNTEN, ist nicht viel Zeit vergangen, allerdings klingt auf dem Nachfolger, FORM UND ZWECK, kaum mehr etwas wie vorher. Das unwirsche Her­einkrachen als Stilmittel und die musikalische Punk­ästhetik wurden fast komplett ersetzt von repetitiven Momenten, von skelettiertem New Wave. Ein strenges Korsett ergibt sich daraus, das der theatralischen Sprechgesang-­Inszenierung von Sänger Flávio Bacon viel Platz lässt.

Das ganze Album wirkt wie ein Lehrstück über gefallenen Humanismus; Pegida („Montags“) ist genauso Thema wie radikalisierte Konvertiten („Q: Wo ist Franz? A: Im Dschihad“). Die Texte wirken in ihrem Wiederholungs­eifer oft wie geloopte Predigten und wollen bewusst schwer auszuhalten sein. FORM UND ZWECK wird so zu einer Helden­reise durch die Geschehnisse einer düs­teren Gegenwart – ohne Happy End selbstverständlich. Eine unversöhnliche Wave-Punk-Perle für extrem gefestigte Nihilisten.