I Am Jerry

Habicht

Downbeat/Warner

Wenn man „alles richtig gemacht“ haben will: Zehnerjahre-Pop wie aus dem Bilderbuch.

Schnell herrschte Konsens in den Kommentarspalten: I Am Jerry sind Kopisten, Klon-Clowns. Der Duktus, die Frisur, der Swag von Sänger Julian Kleinert im Video zu „Alles muss neu“ – Maurice Ernst von Bilderbuch stand unfreiwillig Pate. Neu war hier nichts, schon gar nicht „alles“. Dazu die fetischisierenden Auto-Slowmos – undenkbar ohne die Vorlage „Maschin“. Die Gang-Shots am Ende sollen aber auch bedeuten: Diese Band aus dem nordrhein-westfälischen Sprockhövel ist im Gangsta-Rap eines Haftbefehl ebenso zu Hause. Gut, immerhin brennt eine Deutschlandflagge im Clip, as platt as they wanna be. Dazu erinnert die Geste an die Künstler aus dem Audiolith-Roster.

Deren erfolgreichstes Pferd im Stall, um schon mal mit Tierbildern zu beginnen, reiten I Am Jerry (benannt nach einem Zitat aus dem Sci-fi-Film „Sphere“) mit dem Artwork ihres ersten Albums: HABICHT heißt es, einen Gockel zeigt es. Siehe: Fritten­bude. Deren DELFINARIUM zeigte einen Elefanten, KÜKEN DES ORION ein Alpaka usw. Sowieso: Tiernamen. Jede Berliner Bar ist nach einem Tier benannt. Macht man halt heute so. Und das genau ist das Problem: Obwohl sie sich bereits vor fast zehn Jahren gegründet haben, machen I Am Jerry alles so, wie man es eben heute macht.

In diesem Heute, in dem Ironie und Authentizität längst ineinander verschwommen sind. Die Single „Wir wolln die Sonne sehen“ scheut so auch nicht die Nähe zum Pathos der sog. Neuen Deutschpoeten. Zwar klingen lieber noch zehn Bands wie Bilderbuch als nach AnnenMayKantereit oder noch Schlimmeres. Ohne Beatles ja auch keine Oasis. Und es ist ja das Schönste überhaupt, sich von möglichst vielen Dingen beeinflussen zu lassen. Doch bei I Am Jerry erweckt dieses Anything goes tatsächlich den Anschein, möglichst vielen gefallen zu wollen. Daran dürfte schließlich auch die Major-Plattenfirma im Hintergrund ein Interesse haben. Die hört dieses Album und denkt sich – passend zur Floskel des Jahres: „Alles richtig gemacht.“