Jazz

Nieder mit dem „musikalischen Billigen“? Während sein Bruder Branford hei Sting Saxophon bläst, kommt uns der 24jährige Startrompeter Wynton Marsalis strikt puristisch. J. MOOD (CBS) ist ein konsequentes Album: virtuos vertrackter Modern Jazz, ausgesprechen sophisticated beim Wechseln von Metrum. Dynamik und Tempo; zugleich bluesnah und relaxed (Vorliebe für Balladen). (5)

Der beste Jazz-Soundtrack seit „Fahrstuhl zum Schafott“ von 1957 ist der zu Bertrand Taverniers Film ROUND M1DNIGHT (CBS), einem Porträt des Saxophonisten Del Turner (gespielt von Dexter Gordon). Herbie Hancock schrieb die drei Neukompositionen neben Klassikern von Gershwin bis Thelonious Monk. Lange hat man ihn nicht mehr so unpretentiös swingen hören.

Ähnliches gilt für John McLaughlin, während ein Chet Baker oder Dexter Gordon bei dieser Hommage an die Fifties von vornherein in seinem Element war. Neben Baker und der pathetischen Lonette McKee singt Bobbv McFerrin —- und macht Lust, ihn mal wieder eine LP lang mit eigener Band zu hören. (4)

Die SPONTANEOUS INVENTIONS (EMI) sind dagegen vor allem eine Bestandsaufnahme des Solo-Interpreten Bobby McFcrrin. Wer ihn nicht kennt, der wird seinen Ohren kaum trauen: Ein nettes Liedchen z.B. wie „From Me To You“ (Lennon McCartney) baut der Sänger im ständigen Wechsel von Tonlage und Stilistik zum scheinbar mehrstimmigen Bravourstück aus. Daß er den Rhythmus gern auf dem Brustkorb trommelt, führt leider auf Dauer zu den immer gleichen Grooves. Gäste bei den Live-Aufnahmen: Herbie Hancock, Wayne Shorter, Jon Hendricks und Manhatten Transfer (für noch eine „Night in Tunisia“) und der Sänger Robin Williams. (4)

Nicht weniger experimentierfreudig, diesmal nur vom Schlagzeuger Jerry Granelli begleitet, singt Bobbies einstige „Vocal Summir-Kollegin Jay Clayton. Auch sie hat sieh längst vom Scoobie-Doobie-Scat gelöst. Raffinesse und scheinbar kindliche Unschuld, indianische Einflüsse neben „Goodbye Porkpie Hat“ — das ungewöhnliche Duo hat die große Freiheit beim Einspielen seiner „SOUND SONGS (JMT) souverän genutzt. (4)

Die aus Portugal stammende Sängerin Maria Joao springt auf ihrer zweiten LP CONVERSA (Nabel) mit altbekanntem Material eigenwillig um: „Them There Eyes“ als Funk oder Double-Time-Swing. „Body And Soul“ an Rickie Lee Jones erinnernd. Live kommt die Euphorie ihrer jungen deutschen Band noch überzeugender rüber. (4)

Was hat die Band UP zu bieten? Der „Teufelsgeiger“ Jörg Widmoser aus München hat seinen höchst konventionellen Latin-Jazz als „upsolute Musik“ geschickt verpackt. Was NIGHT DELIGHT (UMR) neben einem eigenständigen Repertoire vor allem fehlt, ist ein upsolut timing-sicherer Drummer. (3)

Wer reitet den Ruf des deutschen Latin-Jazz? Mit eingängigen, sehr abwechslungsreich arrangierten Titeln schafft dies (ohne Baß!) das Trio Andy Lumpp (Piano) — Hugo Rcad (Sax, Flöte) — Michael Küttner (Percussion). Auf der B-Seite von LONELY PASSENGERS (Nabel) geht es dann harmonisch verzwickt und verwinkelt zu. und der Lumpp wilden sogar erfolgreich im Tastenrevier von Paul Bley. Knapp: (5)

Aus dem ECM-Angehot entfallen Jon Hassell und Keith Jarretl (definitiv mehr ethnisch als Jazz). Bleibt zunächst Pianist Paul Bley, dessen melancholische Intellektualität sich mit den flirrenden Gitarren-Sounds von Bill Frisell bestens verträgt. Beide Musiker setzen sich im Solo gerne über harmonische Bindungen hinweg, beeindrucken durch äußerste Ökonomie der Mittel. Ihr Zusammenspiel mit John Suvman und Paul Motian (schon wieder kein Baß!) brachte Steve Lake auf die treffende Formel: „Minne Abstraktion, herbe Romantik“. Auf FRAGMENTS (ECM) finden sich auch drei Songs von Carla Bley und Anette Peacock. die Paul schon für „Open To Love“ auswählte. (5)

Ein unverschämter Spaß, auf den die Dirty Dozen Brass Band neidisch sein dürfte: Lester Bowie’s Brass Fantasy covert für AVANT POP (ECM) wild drauf los. Von „Saving All My Love For You“ bis zu Willie Nelsons „Crazy“. Vier Trompeten, zwei Posaunen. Fliigelhorn. Tuba (statt Baß) und Drums sollten mit Country, Soul, Funk und Schlagern selbst im Bierzelt kein Auge trocken lassen. Blech as Blech can.(4)

FUSION-TELEGRAMM: Klaus „Das Boot“ Doldinger läßt HEAVY NIGHTS vom Passport-Fließband; für Kino und Disco, mehr Soul und Biß: Sax-Studiocrack Ernie Watts, auf SANCTUARY dem Popjazz von Steps Ahead auf der Spur; George Benson mit WHILE THE CITY SLEEPS nur wegen einiger Gitarren-Scat-Unisoni hier erwähnt; Keyboard-Wizzard Jeff Lorber tut so, als wäre Disco-Sound schon immer seine PRIVATE PASSION gewesen.