Keimzeit – Smart und gelassen warten :: Pop

Es bleibt interessant, die Ostberliner zu beobachten auf ihrer Reise durch die Möglichkeiten. Vom Einheitsgewinner zum Zweifler an den Umständen und zurück – Keimzeit nutzen die Freiheiten, die ihnen die Industrie gewährt und vor allem ihre treue Fanbase, die selbst die Elektrifzierung der Band rund um die Gebrüder Leisegang schluckte. Wer dabei bleibt, wird belohnt. Zum üppigen, modernen Sound kann man stehen, wie man will, darf sich in sentimentalen Minuten an nackte Füße im Gras, nicht zu teuren Rotwein und dreieinhalbstündige Keimzeit-Konzerte drüben an der alten Mühle erinnern. Doch seien wir ehrlich: Keimzeit nehmen heute ihre besten Platten auf, Norbert Leisegangs Songlyrik reift fern vom Selbstzweck weiter wie besserer Rotwein. Und doch bleibt die Band euch und mir nahe, Schulter an Schulter, wenn du ihr nicht selbst den Rücken zudrehst. Keimzeit musizieren heute – das Bild könnte passen – aus dem und fürs Urbane. Produzent Franz Plasa (Echt, Selig, Falco), der erste Wiederholungstäter am Keimzeit-Mischpult, scheut sich auch nicht vor Neonreklamen, Funkeln in den Augen, der Atmosphäre, die Synthetik zu schaffen vermag. Es ist wie immer: Es kommt auf die Perspektive an. Mit Leisegang blicken wir vom Dachgarten auf das Unten herab, balancieren auf hochgeklappten Bürgersteigen, bleiben zurück und irgendwo hängen. Die große Stadt ist dann auch nur Kulisse für die wichtigeren Dinge im Leben. Wer dem nicht mehr folgen kann, lässt einzig den Willen missen. An Keimzeit liegt es mitnichten.

www.keimzeit.de