Merry Clayton :: Gimme Shelter

Merry Clayton

Repertoire Records/Sony Music

Ein Soul-Todesengel im Zeitlupen-Groove: „Rape, murder! It’s just a shot away“.

„Die Moritat von Mackie Messer„, sozialkritischer Evergreen aus Brecht/Weills Die Dreigroschenoper, entlarvt die Ungerechtigkeit alles Irdischen: „Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Ans Dunkel gewöhnt hat sich die amerikanische Soul- und Gospel-Sängerin Merry Clayton. Überwiegend im Backgroundchor prominenter Bands und Interpreten ließ sie ihre Mehroktavenstimme erklingen: Von den Anfängen als eine der Raelettes im Tross um Ray Charles über Elvis Presley, The Supremes und Burt Bacharach bis hin zu Neil Young, Lynyrd Skynyrd und Joe Cocker. Als Solistin trat Clayton ins Licht, als sie spontan eines nachts im Frühherbst 1969 für die erkrankte Bonnie Bramlett bei einer Session der Rolling Stones während der Aufnahmen zu Let It Bleed in Los Angeles einsprang und sich im Rock-Kanon verewigte: „Rape, murder! It’s just a shot away“, beschwört sie als unheilvoller Soul-Todesengel mit Duettpartner Mick Jagger in „Gimme Shelter“. Als Initialzündung für eine Solokarriere taugte die weltweite Aufmerksamkeit, die Merry Clayton durch die satanische Aura der Stones erhielt – zumal sie auch im Soundtrack von Jaggers famosem Kinofilm Performance eine wichtige Rolle spielt. Für das von Lou Adler produzierte Solodebüt Gimme Shelter greift die Stimmvirtuosin 1970 auf Songs von James Taylor („Country Road“), The Doors („Tell All The People“), Van Morrison („Glad Tidings“) und Simon & Garfunkel („Bridge Over Troubled Water“) zurück. Wie Kollege Joe Cocker drückt sie jedem Titel ihren ureignen Stempel auf. Klar, dass „Gimme Shelter“ hier nicht fehlen darf – in einer zeitlupenhaften Jazz-Funk-Version. Nicht wesentlich anders fiel ein Jahr später der abermals von Adler produzierte Nachfolger Merry Clayton aus: Noch eine Spur tiefer im Funk-Soul-Groove ihrer Heimatstadt New Orleans verankert, wühlt sie sich durch Neil Youngs „Southern Man“, James Taylors „Steamroller“, Bill Withers‘ „Grandma’s Hands“ und Leon Russells „A Song For You“. In Zeiten von anämischen Retro-Soul-Diven wie Amy Winehouse und Duffy ist Merry Clayton allemal eine Entdeckung wert.

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