Midlake

Antiphon

Bella Union/[PIAS] Cooperative/ Rough Trade

Das Flaggschiff des modernen Folk hat seinen Kapitän verloren, nicht aber seine Richtung. Das vierte Album der Band aus Texas.

SEVEN LONG SUNS hätte das aktuelle Album von Midlake eigentlich heißen und, wie man aus Kreisen der Band hört, ihr bisher stärkstes sein sollen. Was einiges bedeuten will, zumal sich die Texaner um Frontmann und Sänger Tim Smith mit nur zwei Alben – THE COURAGE OF OTHERS aus dem Jahr 2006 und vor allem THE TRIALS OF VAN OCCUPANTHER (2010) – sozusagen an die Tabellenspitze des zeitgenössischen Folkrock gespielt hatten. Midlake waren es auch, die für John Grant den Sound seiner bezaubernden QUEEN OF DENMARK (2010) lieferten. Und dann hakte es beim Versuch, den Kompositionen des geplanten Albums SEVEN LONG SUNS eine finale Form zu geben. Tim Smith zögerte und zauderte, fand die Musik „abgestanden und leblos“, die übrigen Musiker aber drängten begeistert voran … und nach zwei Jahren war dieser Zustand nicht mehr zu halten. Tim Smith stieg aus und widmet sich nun seinem neuen Projekt, Harp. Und in nur sechs Monaten vollendeten Midlake ein völlig neues Album: ANTIPHON. Das ist so sehr die alte Band, wie Grandaddy es gewesen wären, hätten sie ohne Jason Lytle weitergemacht.
Tatsächlich ist aus Midlake, nachdem ein so wichtiges Atom sich gelöst hat, ein völlig neues Molekül geworden. Der Album-Opener stürmt so wuchtig voran wie einst „Roscoe“, sodass zunächst erst gar nicht auffällt, dass Gitarrist Eric Pulido anstelle von Tim Smith ans Mikrofon getreten ist. Scheu verbirgt sich die neue Stimme tiefer im Mix als gewohnt, was aber auch okay ist. Das Versponnene, Verhaltene und Verspielte, das die Band bisher ausgemacht hat, ist aber deutlich heruntergefahren zugunsten einer so von Midlake noch nicht gehörten, betont muskulösen Musikalität. Die Band rockt nun eher progressiv als geradeaus, Melodie und Klangbild liegen irgendwo zwischen Tame Impala und Fleet Foxes. Das ungewöhnlichste Stück auf ANTIPHON ist „Vale“, ein krachendes Instrumental mit vielen Kurven um viele Ecken, offenbar ein Statement der Spielfreude und der neuen Härte. „It’s Going Down“ hat das Zeug zum Hit, in „Aurora Gone“ dürfen sogar wieder die schönen schwebenden Flöten eine Hauptrolle spielen, und „Provider“ wird, am Ende, mit „Provider Reprise“ zu einer Suite vollendet. Vielleicht werden wir nie erfahren, wie das verworfene Album SEVEN LONG SUNS geklungen hat. ANTIPHON ist jedenfalls alles andere als abgestanden oder leblos. Im Gegenteil.