Album Der Woche

Moderat

III

Monkeytown/Rough Trade

Aber wer wird denn gleich Pop zu dieser fortgeschrittenen Electroncia sagen? Das dritte Album der Fusionsband aus Modeselektor und Apparat.

Es ist nicht unbedingt garantiert, dass der Zusammenschluss unterschiedlicher Musiker in ein Beatles-artiges „größer als die Summe der einzelnen Teile“ mündet. Bei Moderat war das aber so. Die erste „Supergroup des Berlin Techno“ wollten wir erkannt haben, als wir im April 2009 über das Debütalbum MODERAT berichteten. Moderat, das ist der Zusammenschluss von Gernot Bronsert und Sebastian Szary von Modeselektor und Sascha „Apparat“ Ring. Bronsert und Szary zeigen im Duo Modeselektor seit 20 Jahren, wie man eine Crowd anständig pleast, ohne dass der David-Guetta-Alarm losgeht, und Sascha Ring ist ein musikalischer Feingeist, was er nicht nur mit der ambitionierten Theatermusik KRIEG UND FRIEDEN, sondern auch mit seinen Soloarbeiten gezeigt hat. Und bei Moderat kommen diese unterschiedlichen Eigenschaften zusammen und führen zu einem Gesamtergebnis, das die Beteiligten ohne die jeweils anderen wahrscheinlich nicht erreichen würden. Wie super diese Supergroup dann tatsächlich werden würde und wie super beliebt, hatten wir nicht vorhergesehen. Dieser Umstand wird im Allgemeinen der gewissen Poppigkeit der Moderat-Musik zugeschrieben, einer Musik, die keinerlei Verbindungen zum aktuell vor allem in ländlich strukturierten Gebieten sehr erfolgreichen Emo-House/Techno der Felix Jaehn/Robin Schulz-Schule vorzuweisen hat. Tatsächlich zeigt sich die Moderat-Poppigkeit weniger in der Struktur der Tracks als vielmehr im Gesang und den Gesangsmelodien. Das war auf dem Debüt­album MODERAT schon so, auf dem Nachfolger II (2013), und das hat sich auch auf dem aktuellen Album III nicht verändert. Dass sich Moderat in ihrer Entwicklungsgeschichte immer weiter von der Club-Musik entfernt haben, die ja von Bronsert und Szary nach wie vor hervorragend bedient wird, ist eine andere Geschichte. Vielleicht hat sich bei den Beteiligten die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ja dann auch mal gut mit der Feierei ist, wenn man stramm auf die 40 zugeht.

Strukturell arbeitet das Trio an einer um Fortschritt bemühten elektronischen Musik, deren Wurzeln in der Berliner Techno-Szene der 1990er-Jahre lediglich zu erahnen sind. Wer wenig mit elektronischer Musik zu tun hat und alten Vorurteilen nachhängt, bezeichnet so was dann gerne als „organisch“. Es geht auf III um dubbige Strukturen, flächige Ambientsounds, die Überführung von Glitch-Sounds in unglitchy, tonale Kontexte, spielerische Zitate aus dem Techno, Abstraktionen und kleine Spinnereien, die aufs erste Hören fast unmerklich in die Songs eingewoben werden und in teilweise abenteuerlichen Verschlingungen und Wendungen das Ambiente eines Tracks auf den Kopf stellen können. Zum Beispiel in „Intruder“: da dringen zerfranste Techno-Beats in liebliche Melodien ein, bevor sich der Song mit einem orchestralen Sound in lichte Höhen aufschwingt und eine beinahe pastorale Anmutung bekommt – da ist alles drin, was diese Band ausmacht. Es ist die Gleichzeitigkeit von Melancholie und Euphorie, auf die man die Moderat-Musik herunterbrechen kann.

Ihrer elektronischen Musik, die sich der historischen Verantwortung zur Mutation und Innovation bewusst ist, verleihen Moderat mit dem Gesang diesen gewissen Pop-Appeal, der sie so unwiderstehlich, aber nicht gleich zur Pop-Band macht. In der Hinsicht wirken sie wie ein Update von Radio­head, das sich seinem Hybridsound allerdings nicht vom Rock, sondern von der Techno-Seite aus angenähert hat.