Odd Future Wolf Gang Kill Them All :: Berlin, Cassiopeia, 6. Mai 2011

Über 100 Euro für eine 15-Euro-Karte bei Ebay, das Deutschland-Debüt des neuen Hip-Hop-Spektakels aus den USA – werden wir davon noch unseren Enkeln erzählen?

Hip-Hop? Ist vor allem eine Frage der Energie. Und damit könnte die Frage auch schon beantwortet sein, weshalb diese Kids aus L.A. in diesen Wochen nicht nur das heißeste Ding ihrer Disziplin sind, sondern im weitaus größeren Wirkungskreis Blogs, Magazin-Strecken und Feuilleton-Halbseiter füllen.

Denn Odd Future Wolf Gang Kill Them All setzen sehr viel Energie frei. Wirklich ungeheuer viel Energie. Negative Energie, natürlich, das sagt ja schon der Name. Wer sich in dem hermetischen Loch im Bauch des Clubs Cassiopeia in Berlin-Friedrichshain – draußen im Sommergarten steigen der Grillwürstchenduft und die Sportclimber am „Kegel“ getauften Kletterturm in den Abendhimmel – nicht voller überhitzter Vorfreude „It’s the Wolf Gang! Wolf Gang!“ skandierend um die Aufnahme in eben diese bewirbt, sondern das Geschehen auf der Wohnzimmerbühne nur interessiert beobachtet, den vermögen die hyperaktiven Kapuzenkrieger tatsächlich einzuschüchtern.

Schwierig, diese Typen im ersten Moment dieses Überfalls überhaupt im Auge zu behalten. Nur vier Mitglieder des so tatkräftig wie vielfältig am Image der Chaosstifter bastelnden Dutzends genügen für so viel Konfusion. Und eines, das einzige Mädchen der Gruppe, Sydney Bennett alias Syd The Kid, trägt nicht einmal groß dazu bei. Sie holt nur diese sehr spartanischen Beats und dunklen Sounds aus dem Laptop und flucht hin und wieder noch ein wenig in die Luft. Ihre Jungs jedoch toben wie entfesselt, bellen und brüllen Finsteres und Finsterstes.

Die für das Genre obligatorischen Beschimpfungen erreichen hier sowohl eine neue Quantität als auch Qualität. Dass dies alles, der bewusst bis an die Grenzen des Absurden getragene Gewalt-Fetisch, die besondere Besessenheit in der Frauenfeindlichkeit, die Homophobie, die „fag“ immer noch als ultimative Verunglimpfung feiert, ironisch gebrochen sein soll, die nächste Stufe des „old white fucking people that live in Middle fucking America“-scarings gleichsam als künstlerisches Konzept verkauft wird, das bleibt hier zwangsläufig auf der Strecke. „Kill people, burn shit, fuck school“ grölen und dabei noch reflektierend über den Subtext surfen – schwierig. Die ordentlich in Wallung geratenen Middle fucking Germany Kids, die sich zum angemessen chaotischen Finale selbst noch mal an die Scheinwerferträger hängen wollen, lassen sich trotzdem ohne größeres Aufhebens wieder von der Bühne räumen von dem jetzt ebenfalls in Aufregung geratenen Security-Arbeiter, der sich das Ganze 45 Minuten lang amüsiert angeschaut hatte.

Tyler, The Creator, der Leitwolf mit dem imposanten Sprechgesang-Bariton, dem Abgeklärtheit, Smartness und Schalk ins lange Gesicht geschrieben stehen, lacht noch einmal heißer. Eine halbe Stunde später stellen sich drei, vier, fünf, viele Mitglieder der Wolf Gang auf ihre Skateboards und rollen durch den Sommergarten davon. Bevor ihr Kleinbus in die Straße einbiegt, kurbeln sie ein Fenster ein Stück herunter. Sie müssen ihren Fans noch etwas zurufen, die ihnen gerade noch etwas zurufen mussten. Es handelt sich um die essentielle Botschaft dieses Abends: „It´s the Wolf Gang! Wolf Gang!“ – auf angemessenem Energielevel.