Prefuse 73 :: The Only She-Chapters

Ambient, kosmische Kuriere, Psych, Noise und freundliche Disney-Parks - ein Geniestreich.

Dass das neue Album von G. Scott Herren unter weitgehender Vernachlässigung von Beats und Verabschiedung gültiger Hip-Hop-Signaturen produziert werden würde, war ja so weit schon durchgesickert. Dass The Only She-Chapters jetzt als Werk eines modernen Komponisten dasteht, der sich mit klassischen Arrangements, mit amerikanischer Musiktradition, mit Ambient-Konzepten und Noise-Strukturen beschäftigt, übersteigt jedwede Erwartung. Im ersten Moment will jeder der 18 Tracks uns mit einem Vielzuviel an Sounds erschlagen, da laufen kosmische Kuriere durch freundliche Disney-Park-Anlagen, während eine Progrock-Band sich an langen Klangflächen abmüht. Da werden Loops ineinander geschraubt und mit zerhackstückten Melodien zu etwas Größerem verbunden. Die Sounds fließen nur so zwischen den Stilen, die Klangfarben mischen sich alle paar Sekunden neu. Darüber hinaus hat Herren die Gesänge einiger geschätzter Kolleginnen in den Mix gestreut, dazu zählen Zola Jesus, Shara Worden von My Brightest Diamond und die Anfang des Jahres verstorbene Trish Keenan von Broadcast, deren Stimme sich wie ein Wurm in die sphärische, trompetenhafte Soundmelange von „The Only Trial Of 9000 Suns“ frisst. Anderenorts hört sich das an, als hätte man Karen Carpenter in das Klanglabor von Bruce Haack geschickt. Der Vergleich zu Flying Lotus‘ Cosmogramma bietet sich an: ein Album, das man als einen einzigen langen Track wahrnimmt, der in die Zukunft von einem Dutzend Genres horchen lässt. Heller Wahnsinn, kruder Geniestreich.