Rote Gourmet Fraktion – Kochen für Rockstars

Mehr denn je ist das Kochen Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ullrich Fichtner hat den beinahe rund umdieUhrschnibbetnden, blanchierenden und bra-I tenden Fernsehköchen vom Gackerlackel Johann Lafer bis zum wirklich großen Vincent Klink kürzlich in der taz nachgesagt, eine Art musealen Zirkus aufzuführen, in dem die längst verlorengegangenen Kulturtechniken des verständigen, sorgsamen und zeitintensiven Kochens sowie des gemeinsamen Essens zum Schein aufbewahrt würden. Die Meister des medialen Ersatzrituals böten „einen Fluchtweg vor den Zumutungen des .Snack around the dock‘ und des .Eating on the Run ‚ an. der die gleiche entlastende Funktion erfülle wie das stundenlange Angaffen von Rodelsport oder Golfpartien im Fernsehen. Mag sein, dass immer seltener selber gekocht wird und das Verhältnis zum guten Essen nur noch ein nostalgisches ist. in der Präsentation von Vincent Klink zeigt sich dessenungeachtet „das liebevoll Spielerische“, so Fichtner, einer „würdigen Behandlung von Fischen, Gemüse und Fleisch“. Dass der Koch Ole Plogstedt und der Pättisier Jörg Raufeisen, die beide in der sog. Spitzengastronomie gelernt haben, aus Überdruss an den elenden Arbeitsverhältnissen und der „Lohnsklaverei“ ausstiegen und 1993 die Punkrock-Cateringfirma“.Rote Gourmet Fraktion“ gründeten, den gewissermaßen humanen Aspekt des Kochens in den Vordergrund ihrer Tätigkeit rücken, darf man bezweifeln. Sie lieben es, ihre provisorischen Küchen und Büffets hinter Bühnen, in Gängen und Katakomben mit Splatter-Movie-Utensilien und Spielzeugkakerlaken auszustaffieren, und ihre derweil in Musikerkreisen eines gewissen Rufes nicht entbehrenden Gerichte heißen z. B. „Ratte in Rollsplit“ oder „Junk Fish“. Das entspricht dem Habitus, dem Slang der Punkrockszene, doch Plogstedts und Raufeisens Tour- und Lebensbericht samt Rezeptappendix führt darüber hinaus auf weiten Strecken zwei erfreulich selbstbewusste und nette Kerle vor, die aus dem Besteckkästchen plaudern (über Courtney Loves Flaschenwurf künste, die Trink- und Mampfgewohnheiten der Ärzte und Phillip Boas Stinkstiefeleien), ordnungsgemäß gegen „rechtsradikales Gesindel“ sind, „Kitchen-Clubbings“ und hochkorrektes „Kochen gegen Rechts“ veranstalten, auf den Haute-Cuisine-Dresscode naturgemäß scheißen und die „affektierte Küchensprache der Froschfresser“ zum Kotzen finden. Das finden wir nachvollziehbar, in Teilen unterhaltsam und souverän geschildert; aber bei aller Sympathie für solch dufte Kochspezialisten mit Proletattitüde, die scheinbar nicht merken, wie beharrlich sie das Hohelied auf den freudig ertragenen Tourstress, den Schlafentzug und die nie endende Plackerei singen Iresp. grölen, zur Arbeit hören sie Punk, weil: „Cooking is like a Punkrocksong’l. finden wir allenthalben aufgeschäumte Wörter und Lockerphrasen wie „Mucker“, „Käffchen kochen und „Blaue Goulacken“ [für Gauloises Blonde] nich‘ so schnafte – geschweige denn den schamlos gedankenlosen Schweine- und Speiausdruck „KZ-Eier“. In summa: Mit sprachlicher Sorgfalt war es unter Rockern nie weit her. Deshalb trägt ein Kapitel über die täglichen Einkaufstorturen auch den echt ätzenden, ja würdelosen kapitalismusfetischistischen Titel „Shop around the dock“.