Singles

Manchmal wird die Expen-1 -ritierlust in der elektronischen Musik zu einer Qual für den Hörer. Bei einigen Sachen von Terre Thaemlitz zum Beispiel, bei Reinhard Voigt und auch beim Titeltrack der neuen Autechre-Single „Gantz Graf“ [Warp/ Zomba). Das kann sich eigentlich niemand anhören, oder: vielleicht einmal anhören und staunen. METAL MACHINE MUSIC auf Warp. Dagegen wirken die beiden anderen Tracks des legendären Duos aus Sheffield, „Dial“ und „Cap.IV“, trotz aller Komplexizität, Verschachtelungen und Sprünge beinahe schon wie Lounge Musik. Schön: Zur Single gibt’s eine DVD mit den Videos zu „Gantz Graf“, „Bass Cadet“ und „Second Bad Vilbel“.

I Jüngere Leser kennen den irischen Rockbarden Chris I de Burgh seit der letzten MU-I SIKEXPRESS-Ausgabe, oder weil sie mal was in der Plattensammlung ihrer Großeltern gesucht haben. Die Älteren wissen Chris de Burghs famose … ach lassen wir das. Nach eingehender Beschäftigung mit der neuen Single“.Guilty Secret“ (A&M/Polydor/ Universall, die natürlich auch wieder als Androhung eines bald erscheinenden Albums zu verstehen ist, hier nun das fundierte Urteil in dreifacher Ausfertigung: Mist, Mist, Mist – wie alles, was Chris de Burgh seit 1982 gemacht hat. Also Musik für 45jährige Sozialpädagogen, die heute auch ein bisschen in Aktien machen.

] The return ofthegiant Jürgen.“.Big Brother‘-Jürgen. Manche erinnern sich vielleicht noch I an „Big Brother“. Das war eine sehr erfolgreiche Fernsehserie auf RTL, die in drei Staffeln lief. Darin wurden eine Reihe junger bis mitteljunger Intellektueller zum Zwecke soziologischer Studien für ein paar Wochen in einen Wohncontainer eingesperrt. Jürgen war einer davon. Normalerweise wird sowas wie „Deutsche Mädels sind die Besten“ IPolydor/Universal) an dieser Stelle nicht einmal ignoriert. Aber das, was „der“ Jürgen hier aufgenommen hat, ist eine hintersinnige-subtile Persiflage auf eines dieser typischen Ballermann-Oktoberfest-ich-sauf-mir-auchnoch-mein-letztes-bisschen-Verstand-weg-Lieder. Herrlich anzuhören, wie Jürgen die von Erich Öxler zu Papier gebrachte Lyrik zu einem absichtlich doofen Humptahumpta-Rhythmus mit Leben erfüllt:“.Unsere Frauen sind super drauf, und auch sehr gerne drunter. Und wollen sie dich verführen, dann werden müde Männer munter. Deutsche Mädels sind die Besten, ob im Osten oder Westen. Deutsche Mädels sind die Besten, das kann jeder gerne testen.“

Ein eindeutiges Statement gegen die Spaßkultur.

Testen wirjetzt statt deutscher Mädels die neue Single von Hans Platzgumer. Vor ein paar Jahren noch, wenn dein Weg dich durch München-Giesing führte, konntest du mit ein bisschen Glück dem Hansi dabei zusehen, wie er mit seinem Fahrrad zu seiner Wohn- und Arbeitsstätte gefahren ist. Das war schön. Damals. Mittlerweile wohnt Platzgumer wieder in Österreich, dem Land, in dem er geboren wurde, und seine Musik erscheint unter den verschiedensten Namen (Shinto, Cube & Sphere etc.pp.l am Fließband. Neuestes Projekt: Hans Platzgumer feat. Catriona Shaw und die Single „Miss Me“ (Doxa/Efa). Zusammen mit der schottischen Sängerin entwirft Platzgumer einen eklektizistischen Vocal-Elektro-House-TripHop, der zumindest beim Titelstück – den Rezensenten seltsam unberührt lässt, dann aber bei „Good Friend“ doch noch irgendwie in die Puschen kommt. Puschen, ein schönes Wort.

Man muss nicht zwangsläufig homophob, leidenschaftlicher I achtziger-Jahre-Hasser oder I erklärter Feind von gut designten (Dreitagel-Bärten und schlecht geschnittenen Karottenhosen sein, um die Musik von George Michael bisher, na ja, für nicht so gut befunden zu haben. Aber“.Shoot The Dog“ IPolydor), ich schwöre es, ist das Beste, was Herr Michael in den vergangenen 250 Jahren aufgenommen hat.

Das liegt nicht am begleitenden“.Skandalvideo“, in dem Michael einfach nur die USA-Gläubigkeit der britischen Regierung persifliert, sondern an der Musik, einem groovy-funky Floorfiller, bei dem sich der 39-Jährige endlich einmal richtig locker macht. Jetzt müsste nur noch dieser komische Bart ab, dann wäre alles wieder gut im Hause Michael.

i Wie tragisch: Ausgerechnet mit Zucchero hat der große John Lee Hooker seine allerletzte Aufnahme gemacht. Der im Juni 2001 verstorbene Bluesmann war ja in seiner Spätphase nie so besonders wählerisch, was seine Duettpartner (Carlos Santana, Bonnie Raitt, Robert Cray, um lediglich diejenigen mit dem größten Hoeneß-Faktor zu nennen) betraf. Aber: Zucchero, the most international Italian artist (auf Deutsch: Italiens meister internationaler Artist). Hat das denn wirklich sein müssen? Und Überraschung, oder wahlweise zunehmende Altersdemenz des Rezensenten: „I Lay Down“ (Polydor/Universall ist wirklich gut. Wenn der alte Hooker mit mehr als fünfzig Blues-Jahren in der Stimme die Zeile „I lay down with an angel“ vor einer elektronischen Soundtapete singt, dann ist das schon irgendwie ein großer Moment der Pop-Geschichte. Und Zucchero, Italiens meister internationaler Artist, kann dabei nicht wirklich was kaputtmachen.