Songs Of Faith And Devotion

Speak And Spell (1981)

Eine Band lernt das musikalische Alphabet, setzt ganz auf Synthesizer und proklamiert euphorisch den Beginn eines „New Life“. Depeche Mode rebellieren mit ihrem Debütalbum gegen Konventionen und ernten den Vorwurf neuromantischer Oberflächlichkeit. Doch SPEAk AND SPELL überlebt alle Sticheleien. Die Songs folgen zum Teil simplen Popmustern, sind aber gleichermanen von damaligen Trends der Tanzfläche wie von Kraftwerk beeinflusst. Das Instrumental „Big Muff“ spornt Underground-Produzenten in Detroit wenig später zu den ersten Techno-Pioniertaten an. Einem aber scheint das alles zu viel geworden zu sein. Songschreiber Vince Clarke stieg nach diesem formidablen Start gleich wieder bei Depeche Mode aus und wandte sich zuerst Yazoo und später Erasure zu.

A Broken Frame (1982)

Der kreative Rahmen von Depeche Mode war mit dem Weggang des musikalischen Kopfes Vince Clarke weggebrochen, doch das Bandbild ergibt auf A BROKEN FRAME immer noch Sinn. Bis sich diese Erkenntnis allerdings intern durchsetzen kann, müssen die Wunden, die durch Clarkes Weggang entstanden sind, erst einmal verheilen. Der Himmel Inicht nur auf dem Albumcover) ist wolkenverhangen und die Stimmungsbilder entsprechend melancholisch. „Leave in Silence“ und bis zu einem gewissen Grad auch „See You“ mag man als letzte Grüße an den abtrünnigen Chefdenker Vince Clarke interpretieren. Stilistisch deuten sich allerdings bereits andere Nuancen an. Der ausgelassene Disco-Sound des Debütalbums verschwindet zugunsten ernsterer Töne. A BROKEN FRAME ist ein Übergangswerk mit Licht und Schatten.

Construction Time Again (1983)

Mit Hilfe von Neumitglied Alan Wilder und unter Führung von Songschreiber Martin Gore schreitet der Wiederaufbau Depeche Modes voran. Stätte der Inspiration ist nun Berlin, und da besonders die Avantgarde-Schule der Einstürzenden Neubauten. Deren Einflussauf dieses Album ist allein schon durch den kräftig austeilenden Schlagmann auf dem Cover ersichtlich. Metallische Klänge, längere Songs, größeres Spektrum und weniger Hitmaterial sind die Folge. Allerdings hinterlässt nur „Everything Counts“ bleibenden Eindruck auf CONSTRUCTION TIME AGAIN. Der Rest des Albums bleibt ein musikalisches Experiment.

Some Great Reward (1984)

Das Quartett belohnt sich selbst für bisherige Mühen und findet für SOME GREAT REWARD einen Sound, der das Werk der Band für die nächsten Jahre bestimmen wird. Die Rhythmen hier sind hart und kantig, der Sound wirkt wuchtiger, im vom Welthit „People Are People“ angeführten Material steckt Angriffslust. Martin Gores erste richtige Pianoballade „Somebody“ zeigt, dass bei allen technologischen Muskelspielen nun auch Zeit für sensible Momente bei Depeche Mode bleibt. Es entsteht die erste große, unverzichtbare Platte der Band. Industrial-Bands von Front 242 bis hin zu Rammstein werden sich später auf ihre Weise für die steile Ideenvorlage SOME GREAT REWARD bedanken.

The Singles 81>85 (1985)

Diese Compilation ergibt in mehrerlei Hinsicht Sinn. Bis zur Einführung der CD veröffentlichten Bands ja tatsächlich noch Singles, die niemals auf einem Album auftauchten. In diesem Fall sind es „Get The Balance Right“, „Shake The Disease“ und „It’s Called A Heart“. Alle frühen Hitmomente der Boys aus Basildon bekommt man hier in ihrer geballten Schönheit präsentiert. Sie erfreuten sich immergroßer Beliebtheit. In Zeiten, in denen die Musik der frühen 80er Jahre wieder besonders gefragt ist, avanciert diese Synthie-Pop-Sammlung sogar zum Kultobjekt.

Black Celebration (1986)

Erst „New Life“, nun „New Dress‘. Nicht nur äußerlich. Das Ende der Berliner Jahre von Depeche Mode wird mit anderer Gewichtung eingeläutet. Tanzbarer Industrial-Pop hat Pause und weicht zunehmend feingliedrigen Arrangements mit Anspruch. Die Atmosphäre auf BLACK CELEBRATION ist düsterer als gewohnt. Man spürt, wie die Band dabei emotional wird und Herzblut zu verströmen beginnt. „Death is everywhere“, singt Dave Gahan einmal, doch das Ende stimmt versöhnlich: „Though it’s not love, it means something.“ Nicht zuletzt solche Wechsel im Gemütszustand sind es, die diese Produktion zu einem Höhepunkt im Albenkatalog von Depeche Mode machen. Black is beautiful.

Music For The Masses (1987)

Ortswechsel von der Spree an die Seine. Statt Mute-Labelchef Daniel Miller und Tonmeister Gareth Jones sitzt nun David Bascombe auf dem Produzentenstuhl. Alles auf MUSIC FOR THE MASSES klingt freundlicher und selbstbewusster als zuletzt. Der stampfende Beat von „Never Let Me Down Again“ gibt den Pulsschlag des Albums vor. In „Strangelove“ steckt der Beweis, dass Depeche Mode zeitweilig nicht nur von Kraftwerk, sondern auch von schwarzem Funk der Cameo-Kategorie beeinflusst waren. Abgesehen vom Wagner-Drama in „Pimpf“ ist auf diesem Album wirklich nur Musik für die Massen zu hören. Der Nebeneffekt: Die hymnischen Songqualitäten verschaffen Depeche Mode erstmals hohe Verkaufszahlen in den USA.

101 (1988)

Eine Veröffentlichung nicht ohne Symbolik. Noch immer gibt es Zweifel darüber, ob eine vollelektronische Band wie Depeche Mode in den Live-Arenen dieser Welt überhaupt bestehen kann. Knapp 80.000 hörbar begeisterte Besucher im proppenvollen Pasadena Rose Bowl geben beim Abschlusskonzert der US-Tournee die Antwort auf diese Frage. Dave Gahan mimt den Entertainer, der kräftige und klare Sound bringt die Menge in Bewegung. Das Live-Album 101 stellt für die Musiker den krönenden Abschluss eines erfolgreichen Jahrzehnts dar. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist ihnen sicher. In Anton Corbijn finden sie zudem einen Fotografen und Art Director, der ihnen bis heute loyal zur Seite steht.

Violator (1990)

Unter den Depeche-Mode-Fans wird heftig darüber gestritten, welcher Longplayer ihrer Lieblinge denn nun der beste sei. Am Ende einigt man sich meistens auf diesen hier: VIOLATOR. Erstaunlich, dass die Engländer nach ihrer gigantischen Stadionrundreise so eine warm und gefühlvoll klingende Platte wie VIOLATOR hinbekommen haben. Es sind nicht nur die Hits, die hier zählen. Klar gefällt die romantische Ader in „Enjoy The Silence“ und die Raffinesse von „Policy Of Truth“. Dave Gahans Gesang erreicht aber erst in „Sweetest Perfection“ und „Clean“ seine wahre Große. Die Tribal-Tanznummer „Personal Jesus“ ist Jahre später durch eine Coverversion von Johnny Cash geadelt worden. Ein Album als Glückspaket.

Songs Of Faith And Devotion (1993)

Anstatt sich dem Anfang der 90er Jahre allüberall aufkommenden Techno-Trubel anzuschließen, produzieren die Stars in Madrid und Hamburg ein archetypisches 90er-Jahre-Album. SONGS OF FAITH AND DEVOTION ist hart, verletzlich, finster und opulent zugleich. Kreischende Gitarren und schweres Schlagwerk lassen erahnen, dass es in der Musikszene inzwischen so etwas wie Grunge gibt. Den für Depeche-Mode-Verhältnisse ungewöhnlichen Rock-Anleihen stehen Gospelanklänge gegenüber, die Wunsch nach Heilung ausdrücken. Hinter den Kulissen sind allerdings Diskussionen über die musikalische Weiterentwicklung an der Tagesordnung. Alles führt letztendlich zu einem bedrückenden Dokument der Zerrissenheit und fortschreitenden Selbstzerstörung.

Songs Of Faith And Devotion Live (1993)

Wenige Monate nach Erscheinen derStudioversion entschließt man sich im Depeche-Mode-Camp, dieselben Tracks noch einmal in derselben Reihenfolge als Live-Versionen zu veröffentlichen. Warum, ist unbegreiflich. Radikale Unterschiede zum Studioalbum sind auf SONGS OF FAITH AND DEVOTION LIVE nicht auszumachen. Allerdings merkt man Dave Gahan auf der Live-Version zunehmend den Zustand körperlicher und geistiger Erschöpfung infolge von Alkohol- und Drogenmissbrauch an. Ein Jahr später wird ein Selbstmordversuch, 1996 seine Festnahme nach Einnahme einer Überdosis Heroin gemeldet. Alan Wilder steigt nach der Tour obendrein aus. Dieses traurige Kapitel zu rekapitulieren, ist eine Sache fUr den harten Fan-Kern.

Ultra (1997)

„Friends, if you’ve lost your way, you’ll find it again some day“, sang Dave Gahan auf dem Vorgängeralbum. Gesagt, getan. Statt Drogen nimmt Gahan nun Gesangsunterricht. „Thank you for bringing me here, for showing me home“, erklärt derselbe Mann nachfolgend geläutert, während sich um ihn herum Streicher und TripHop-Beats wie bei den frühen Massive Attack ausbreiten. Unter der Regie von Tim Simenon (Bomb The Bass) hat das verbliebene Gründertrio Gahan, Gore und Fletcher mit ULTRA ein an die Dance-Music der 90er Jahre angelehntes Werk aufgenommen. Der reduzierte Klangaufwand ist ein Plus und sorgt nicht zuletzt dafür, dass Depeche Mode den Auflösungserscheinungen trotzen und einen Prozess der Konsolidierung einleiten können. The fire still burns.

The Singles 86>98 (1998)

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ersten Singles-Überblicks zwölf Jahre vorher assoziierte man die Band noch überwiegend mit ihren Hits aus den Charts. In der Zwischenzeit hat sich das allerdings geändert. Längst sind die englischen Elektronik-Pop-Pulsgeber vorrangig als ein Gesamterlebnis interessant, an dem einfach alles fasziniert. Anhand dieses Samplers lassen sich auf zwei CDs die Höhen (und wenigen Tiefen) der Band im relevanten Zeitraum noch einmal durchleben. Aber wo bitteschön sind die anderen Lichtmomente? „Fly On The Windscreen“? „Halo“? „Rush“? „Freestate“?

Exciter (2001)

In den vorangegangenen beiden Dekaden haben Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher alles erreicht, was man sich als Band erträumen kann. Es fehlt praktisch nur noch ein Künstleralbum ohne kommerzielle Motivation, EXCITER ist es nicht ganz, aber fast. „We’re in the zombie room“, singen sie in einem seltenen Moment der Dissonanz. Von Elektroniktüftler Mark Bell (LFO, Björk] angeleitet, verarbeiten Depeche Mode in der Mehrzahl subtile Elektroniksoundscapes und ebenso sorgsam gesetzte Gitarrentupfer zu einem Ganzen, das sich nicht unmittelbar aufdrängen will, dafür aber zum Statement der Reife taugt.

Remixes 81-04 (2004)

Wo auch immer auf der Welt eine Tanzflache existiert, Depeche Mode sind nie weit von ihr entfernt. Ob Popdisco, 80er-Party oder Grufttreffen – der DJ hält das eine oder andere Original der Band parat. Daneben gibt es aber auch die Welt der Dance-Clubs. Für solche Läden legen diverse Produzenten regelmäßig Hand an und mischen die Urversionen der Songs neu ab. Auf dieser Compilation sind 36 solcher DJ-Tools enthalten. Von verträumter Psychedelia über TripHop bis hin zu beinharten Techno-Brettern und Breakbeats wird alles abgedeckt. Als Überbrückung zum nächsten Studioalbum bestens geeignet.