The Jesus And Mary Chain – The Power Of Negative Thinking: B-Sides & Rarities :: Im Banne der Fuzzbox

Legendenstatusdrücktsichseltenin hohen Verkaufszahlen aus, er lässt sich eher im Einfluss einer Formation auf kommende Generationen messen. Ein Prozess, der Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann. Wie im Falle der nach rund einer Dekade Auszeit reformierten schottischen Band The Jesus And Mary Chain. Die Gründer Jim und William Reid duften sich angesichts jüngster Retro-Trends mit einem ausgewachsenen Dejä-vu konfrontiert wähnen. Vor rund 26 Jahren waren die Gebrüder selbst noch hartnäckige Verehrer längst aufgelöster Formationen wie The Velvei Underground, The Stooges und MC5. Auch mit ihrem Faible für Pop-Exaltiertheiten vonT.Rex,The Beach Boys und Phil Spectors Wall-Of-Sound-Produktionen kreierten die Schotten mit wechselndem Hilfspersonal einen ureigenen Stil, der eine ganze Ära prägte. Bevor ein angekündigtes Comeback-Album das Licht der Welt erblickt, lassen The Jesus And Mary Chain noch einmal die wilde Vergangenheit Revue passieren. 81 Songs, verteilt auf vier CDs. Verpackt in ein aufwändiges Box-Set in Buchform und ergänzt um ein Essay von Dele Fädele, aktuelle Interviews der Reid-Brüder, einen Band-Stammbaum, ein Fakposter und kostspielige Foto-Negative. Im Gegensatz zu vergleichbaren Produkten mit Novitäten aus dem Archiv sind gerade mal acht Songs des seit rund einem Jahr überfälligen THE POWER OF NEGATIVE THINKING: B-SIDES AND RARITIES auf Silberling unveröffentlichte Schätze. Rekrutiert sich doch der in strikter Chronologie kompilierte üppige Rest aus Demos, Alternative Takes, Maxi-Cuts und Akustik-Versionen

in weiten Teilen aus den Odds-&-Sods-Kompilationen BARBED WIRE KISSES, THE SOUND OF SPEED und HATE ROCKKROLL, was Die-hard-Fans zerknirschen wird. Immerhin offeriert optimierte Klangqualität einen zusätzlichen Kaufanreiz. Anhänger der frühen Tage dürfte vor allem Disc 1 interessieren. Ein kürzlich im Heimarchiv der Reids entdecktes Demo von „Up Too High“ eröffnet die Werkschau, die sich mit der Ära um das LP-Debüt PSYCHOCANDY befasst. Doch finden sich auch beide Seiten des 45er-Debüts „Upside Down/Vegetable Man“. Letzeres eine Coverversion eines bislang nur auf Bootleg erhältlichen Songs des verstorbenen Pink-Floyd-Gründers Syd Barrett. Abweichungen vom jeweiligen TJAMC-Original bieten auch die Akustik-Fassungen von „Taste Of Cindy“, „Cut Dead“ und „You Trip Me Up“, die Demos von „Just Like Honey“, „The Living End“ und „My Little Underground“ sowie der Alternate Take von „Never Understand“. Verdächtig nach The Cramps tönt der Opener „Kill Surf City“ von SilberlingNummer zwei. Hier kreist der Inhalt um Sessions rund um das Album DARKLANDS mit Bekenntnissen wie „Happy When 1t Rains“ und „Everything’s Alright When You’re Down“. Darunter auch Coverversionen von Bo Diddleys „Who Do You Love“, Beach Boys „Surfin‘ USA“, „My Girl“ von den Temptations sowie eine Hommage an den kürzlich verstorbenen Meister des Stakkato-Beats: „Bo Diddley Is Jesus“. Weniger innovativ, aber unterhaltsam gestaltet sich CD 3 mit Stücken aus der Epoche um die Alben AUTOMATIC und HONRVS DEAI). Sleaze Rock der manischeren Art, mitunter von Elektronik unterfüttert. Herausragend die akustischen Fassungen von „Drop“ und „Teenage Lust“, aber auch Interpretationen von Leonard Cohens „Tower Of Song“, Jerry Read Hubbards „Guitar Man“ und Burnett/Dixons „Little Red Rooster“. Faszinierend ist 13th Floor Elevators‘ „Rei’erberation (Doubt)“, das ursprünglich 1990 für den Sampler WHERE THE PYRAMID MEETS THE EYE: A TRIBUTE TO ROKY ERICKSON entstand. Spannung hält auch der vierte Teil parat. Selbst wenn hier nur Auszüge der schwächeren Longplayer STONED & DETHRONED und MUNKI im Mittelpunkt stehen. Überraschungen liefern William Reids Simon-&-Garfunkel-Tribute „New York City“ und der Rückfall in archaische Urzustände mit einer komplett verzerrten Fuzz-Wahn-Referenz an eine US-Ikone, die im Kanon von The Jesus And Mary Chain eher nicht zu vermuten gewesen wäre: „Alphabet Street“ von Prince.

Vö: 13.3.