The Master :: Regisseur: Paul Thomal Anderson

Herr und Hund: Paul Thomas Anderson entführt in das dunkelste Herz Amerikas.

Als Chronist der männlichen Psyche unter Druck ist Paul Thomas Anderson zum Meister gereift, mit Filmen, die die Erzähltradition eines Orson Welles mit dem künstlerischen Streben nach Uneindeutigkeit eines Terrence Malick vereint. „The Master“ ist eine konsequente Fortführung des eingeschlagenen Weges, ein Film von atemberaubender Schönheit und kompromissloser Innovation, der nicht der Enthüllungsfilm über Scientology-Gründer L. Ron Hubbard geworden ist, als den man die sechste Regiearbeit Andersons im Vorfeld gehandelt hatte. Zahlreiche Details aus Hubbards Vita lassen sich zwar entdecken in dieser in der Nachkriegszeit angesiedelten Geschichte eines P.T.-Barnum-artigen Gurus, der seine Theorien an einem menschlichen Stück Treibgut erproben will. Das Wesen der Wechselbeziehung zwischen diesem Lancaster Dodd und dem derangierten Weltkriegsveteranen Freddie Quell will sich nie ganz erschließen: Sucht Quell nach einer Vaterfigur? Will Dodd sein Versagen als Vater wiedergutmachen? Ist es homoerotische Anziehungskraft, die die Männer umeinander kreisen lässt? Oder handelt es sich doch ganz bildlich um die Beziehung eines Herrchens („Master“) zu seinem Hund? Denn dass Quell mehr Tier ist als Mensch, daran lässt „The Master“ keinen Zweifel: Von Joaquín Phoenix etwas überzogen gespielt, befindet sich bei Quell ein unendliches Reservoir an Aggression auf der Suche nach Richtung und Ziel. Dieser verkrüppelte Mann, der Torpedoflüssigkeit trinkt, um einen Kick zu kriegen, ist unverkennbar ein Seelenverwandter von Daniel Day-Lewis’ Daniel Plainview, dem Anderson in der letzten Stunde von „There Will Be Blood“ den letzten Rest Menschlichkeit austrieb. Vor allem aber ist das Kräftemessen von Dodd und Quell der nach außen gestülpte Kampf, den die Protagonisten Andersons stets mit sich selbst ausmachen müssen. Sie sind Dirk Diggler aus „Boogie Nights“, der unschuldige Junge mit dem Riesengemächt. Sie sind Frank Mackey aus „Magnolia“, der Geschlechtsgenossen in Motivationssitzungen lehrt, den „Schwanz zu respektieren“. Sie sind Barry Egan aus „Punch-Drunk Love“, der so sehr liebt, dass er alles kurz und klein schlagen muss. Oder besser: das ewige Dilemma des amerikanischen Mannes, Intellekt und Libido in Einklang zu bringen – und das in einem Film, der torkelt und wackelt wie ein Shanty von Tom Waits, aber doch funkelt und strahlt wie die Filmmusik von Jonny Greenwood, die ihn begleitet.