The Velvet Underground :: The Velvet Underground – Velvet Redux Live MCMXCIII

Live im Pariser Olympia: Velvet Underground in Originalbesetzung.

Gibt es noch jemanden, der die Bedeutung dieser Band unterschätzt? Wahrscheinlich nicht. Wozu auch Brian Enos viel zitiertes Bonmot beigetragen haben dürfte: Zwar hätten nur 1000 Leute das VU-Debüt gekauft, doch jeder Käufer habe danach eine eigene Band gegründet. Wer weder Eno kennt noch jemals von The Velvet Underground gehört bat, dem sei an dieser Stelle zum wirklich letzten Male versichert: Lou Reed, Mo Tucker, Sterling Morrison und John Cale begründeten ab 1966 das, was man heute Indie-Rock nennt. Bereits drei Jahre später brach diese Original besetzung auseinander, erst als ihr Mentor Andy Warhol verstarb, folgte 1990 eine halbherzige Reunion. Wiederum drei Jahre später ging überraschenderweise eine kurze Europatournee über die Bühne, während der ein Live-Album und der vorliegende Konzertfilm entstanden. Das war’s. Unwiederbringlich, denn Gitarrist Morrison verstarb im August 1995. Alte Helden, die sich nach Jahren noch einmal zusammentun, verfahren meist nach dem gleichen Schema: Da erscheint zuerst ein neues Album, auf dem nur selten das Siegel der Vollendung prangt. Und dann wird getourt, mit irgendwelchen Studiomuckern, die den alten Recken zur Seite stehen. Damit es modern klingt, wie der naseweise Produzent beteuert. Mit stimmgewaltigen Backgroundsängerinnen. die übertünchen, daß am Frontmann der Zahn der Zeit genagt hat. Und mit einem Repertoire aus alten Hits und neuem Material, bei dem man letzteres nur aus Höflichkeit über sich ergehen läßt. Natürlich gibt es Ausnahmen, und eine davon waren 1993 Velvet Underground. Keine Gäste, kein neues Album, keine Rummelplatz-Lightshow. Nur vier Personen auf der Bühne des Pariser „Olympia“, die 15 Songs spielen, von denen mindestens zwölf das Prädikat „Klassiker“ verdienen. Eine Konzentration auf das Wesentliche, die sich auch in der Umsetzung von VELVET REDUX LIVE MCMXCIII niederschlägt. Keine Bonus-Tracks, keine Behind-The-Scenes-Überflüssigkeiten, kein Weblink zu einer Homepage, auf der man T-Shirts erwerben kann. Und vor allem: kein Interview mit einem faden Executive Producer, derartig versichert, welche Ehre es war, mit dieser Band arbeiten zu dürfen. Zumindest ist nichts davon auf der Vorab-DVD zu finden. Das läßt hoffen. Und an all jene Kunst-kommt-von-Können-Kacker, die sich nachdem Konsum von Velvet Redux Live MCMXCIII mal wieder in ihrem Vorurteil bestätigt sehen, daß VU vielleicht wichtig waren, jedoch nicht spielen konnten: Das „Vielleicht“ ist das erste Mißverständnis. Die Annahme, daß irgendwelche Studiocracks Profunderes zu bieten hätten als Mo Tucker, das zweite.