The Walk :: Regie: Robert Zemeckis, USA 2015

Über den Wolkenkratzern muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. „The Walk“ tritt den Beweis an.

Als Robert Zemeckis bekannt gab, dass er als nächsten Film die Geschichte von Philippe Petit verfilmen würde, stellte man sich die leise Frage: Warum? Was genau ließe sich da erzählen, was man nicht schon längst wusste und was nicht anderswo schon erzählt worden wäre? In James Marshs Doku „Man On Wire“. In Colum McCanns Roman „Die große Welt“.

Wenn man Petit googeln will, ist er der erste Eintrag, wenn man gerade einmal „Philippe“ eingegeben hat. Jedes Kind weiß, was er gemacht hat, damals am Morgen des 7. August 1974, wenige Wochen vor der offiziellen Eröffnung der damals nagelneuen Twin Towers: der inoffizielle Spaziergang zwischen den Türmen auf einem Drahtseil in 400 Meter Höhe. Nicht einmal. Nicht zweimal. Achtmal. 45 Minuten lang. Was gibt es da also noch zu erzählen? Man weiß, dass Petit vom Richter lediglich dazu verdonnert wurde, im Central Park für Kinder auf dem Drahtseil zu balancieren. Und während man da sitzt im Kino und noch rätselt, wird einem von der ersten Szene an klar, was der Kniff ist, um was es gehen wird: Um die pure Freude, auf dem Drahtseil von Twin Tower zu Twin Tower zu stolzieren. Um die pure Freude, Petit dabei zusehen zu dürfen. Um die pure Freude, es im Kino erleben zu dürfen. Nirgendwo sonst kann sich die Magie einstellen, die Illusion, der Trick – genau das, was Petit zu Beginn des Films beigebracht wird: ein Publikum zu fesseln. Und man ist erfüllt von Freude und von Glück. Mitzuerleben, wie dieser verrückte Franzose sein Handwerk erlernt, wie er Gleichgesinnte um sich versammelt, wie er nach New York kommt und der Film sich auf einmal zu einem Heist- Movie wandelt, ohne dass es einen Heist, einen Raubüberfall gibt.

Es ist alles ein großer Taschenspielertrick von einem, der sein Metier beherrscht. Selbst wenn dann Joseph Gordon-Levitt da oben in schwindelerregender Höhe steht und den ersten Schritt Richtung Abgrund macht. Denn natürlich gibt es gar keine schwindelerregende Höhe und keinen Abgrund. Die Twin Towers stehen seit 14 Jahren nicht mehr. Sie sind für den Film im Computer entstanden. Man sieht diesen Taschenspielertrick und man glaubt ihn. Weil man sich in diesem Moment nichts Schöneres vorstellen kann. Weil mit jeder neuen Überquerung der Film kein Film mehr über Petit bleibt, sondern ein Film über New York wird – in „The Walk“ die schönste Stadt der Welt. Weil das Leben so unbeschreiblich schön ist, wenn es in gloriosem 3D erstrahlt und man das Geschenk erhält, daran glauben zu dürfen.

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mit Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley, Charlotte Le Bon