The XX

The XX

Stille Lieder im Nachtschatten der Melancholie. Diese YoungMarble Giants haben einen neuen Soul aus R’n’B-Beats und Cure-Gitarren gebaut. Ein paar Sekunden lang glaubt man in einer dieser Boy-meetsgirl-Nummern gelandet sein, aber Romy Madley Croft und Oliver Sim tragen gar kein richtiges Duett vor, sie singen lakonisch, fast unbeteiligt nebeneinanderher und treffen dann doch die Töne, die einfach nur hängen bleiben wollen – ein hin- und herschaukelndes „ba-ija-i-jai-ha-i-ja-t-jai“ in „Crystalised“,jenem Songauf dem Album, der uns in der wundersamen Welt von The XX begrüßt. Es ist jetzt schon wieder von der Musik zur Krise geschrieben worden, aber Croft, Sim und Bandkollegen geben uns nur knappe Hinweise zur Verortung ihrer Songs. Es hat jede Menge Luft hier, die Gitarren tänzeln durch den Raum und landen punktgenau zu den Refrains im kalten Bett der 80er. Wer will, hat da jetzt The Cure, Police oder eine Factory-Band gehört. Gleichzeitig spielt auf diesem Album ein ganz anderer Film, die Beats aus den Traumschmieden des R’n’B pochen hörbar in den XX-Songs, es gibt elegante Mikro-Funk-Arrangements, einmal ist es ein kleines Dubstep-Ding, aus dem sich nach einer Minute noch ein Sehnsuchtslied schält („Basic Space“). Wenn es ein XX-Gelieimnis gibt, dann hat es mit den Tönen zu tun, die sie nicht spielen, die wichtiger sind, als die, die wir hören. Das ist die Lektion des Soul, die 50 Jahre nach der Geburt von Motown auch im Süden Londons wieder Konjunktur hat. The XX mögen wie die Punk-Homies aus deiner Nachbarschaft ausschauen. Im richtigen Leben sind sie Alchemisten des Blues und Soul. Diese Musik kommt auf leisen Pfoten daher, sie kennt die kleinen Haken in den Melodien. „Infinity“ ist der schönste spukige Chris-Isaak-Song, den Chris Isaak nicht geschrieben hat, und er rollt auf diesen Martin-Hannett-Blechbeats heran, die man aus „Decades“ (oops, jetzt habe ich doch Joy Division erwähnt) erinnert. Wenn alle Musik aufhört, fangen The XX an. Stiüe, dunkle Lieder im Nachtschatten der Melancholie. Die Flatter vor dem ersten Kuss. „You can’t resist and kiss and kiss and kiss and kiss.“