Tocotronic

Tocotronic

SPV VÖ: 01.05.2006

Let there be Plink-Schäbigkeit und Pop-Schick: der letzte Teil der Serie mit Tocotronic-Wiedcrveröffentlichungen. Es ergibt durchaus Sinn, dass zum Abschluss der Wiederveröffentlichungsserie des Tocotronic-Backkatalogs die Alben Nummer drei bis fünf erscheinen. Die Platten aus den mittleren bis späten 1990er-Jahren markieren den sehr langsamen Übergang Tocotronics von den Inszenatoren des Unfertigen hin zu einer ebenso inszenierten dandyhaften Eleganz, Campness und Erhabenheit im Pop; den Übergang von der Introspektion/ Egozentrik in den Texten Dirk von Lowtzows hin zu einer interpretationsoffenen Lyrik. Zudem wird klar, dass Tocotronic in jeder ihrer Schaffensphasen gegen Rockmusik, die nach Männerschweiß und beißendem Urin aus dem Pissoir riecht, angespielt haben. Das dritte Tocotronic-AIbum WIR KOMMEN UM UNS ZI BESCHWEREN von 1996 hatte viel mehr mit Punk und den Folgen und dem splitternden, feedbackenden Gitarrenspiel Neil Youngs zu tun als mit dem damals aktuellen amerikanischen Collegerock, mit dem die Musik der Hamburger immer wieder assoziiert wurde. Die meisten dieser Lieder („Die Welt kann mich nicht verstehen“, „So jung kommen wir nicht mehr zusammen“, „Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst“) wurden zu Hymnen der gegenkulturcll geprägten Jugend. Das 1997er Album ES IST EGAL. ABER bot mehr vom selben plus Streicherarrangements, Synthesizer und Ukulele, die von Produzent Hans Platzgumer eingebracht wurden. Zwei Jahre später, mit K.O.O.K. wurde das tocotronische Klangbild von den üppigen Streicher- und Bläserarrangements Micha Achers (The Notwist) verfeinert. Manche Lieder, die früher als Skizzen unausformuliert geblieben wären, strahlen hier in ihrer ganzen Pracht. Und die Fanfare aus „The Final Countdown“ von Europe in „Let There Be Rock“ bläst an gegen Rockmusik, die nach Männerschweiß und beißendem Urin aus dem Pissoir riecht. K.O.O.K. (Bonustracks: „Ja“ und „KO.O.K. [Take 2]“) ist ein Album des Übergangs.

Tocotronic waren nicht mehr ganz die „Alten“, aber auch noch nicht die von heute. Die Bonustracks auf WIR KOMMEN LIM UNS ZU BESCHWEREN und ES IST EGAL, ABER -19 Liveaufnahmen von zwei Konzerten in Hamburg 1996 und 1997 sind eher für Musikhistoriker von Interesse. Für Leute, die nicht wissen oder die sich bestätigt fühlen wollen in ihrer Erinnerung, wie es damals gewesen ist.