schmollecke


Ingo wartet auf den Weihnachtsmann. Früher wurden brave Moderatoren mit Stereoanlagen belohnt. T-Shirts und Tonträger, schmollt Ingo, hat er mittlerweile wirklich genug.

Montag Morgen, 10.25 Uhr, ich sitze im Büro und die Post stapelt sich auf meinem Schreibtisch: ein Kartongebirge, Formol 30 x 30 cm (Schallplotten] und 15 x 18 cm (CD’s). Die Plattenfirmen bemustern mit ihren neuesten Produkten. An glücklichen Tagen sind die Pakete größer und bergen fröhliche Überraschungen. Spielzeug, T-Shirts, Bonbons und sonstigen Schnickschnack, sorgfältig bedruckt mil bunten Bandlogos. Werbegeschenke, die den geneigten Redakteur dazu veranlassen sollen, sich mil dem Produkt auch auf andere Art — sozusagen spielerisch — auseinanderzusetzen. Prinzipiell praktikabel, doch würde das Spiel natürlich etwas besser funktionieren, wäre anstelle des Spielzeugs ein Hundertmarkschein in jeder Platte (ahne Einschränkung nach oben, versteht sich), doch diese Zeiten sind leider vorbei. Unterhält man sich mit Radio- oder TV-Redakteuren, die ihren Job schon ein Jahrzehnt länger machen als man selbst, bekommt man tatsächlich feuchte Augen. Damals gingen noch ganz andere Sachen über den Tisch, um die Medienmocher dazu zu veranlassen, eine bestimmte Band plötzlich völlig großartig zu finden. Ich habe mich mal bei wichtigen Leuten umgehört, was seinerzeit so alles angeboten wurde. Zwei Dinge haben alle Befragten gemeinsam: Keiner möchte namentlich genannt werden, und keiner hat jemols eines der Angebote angenommen — natürlich nicht! Da gibl es die Geschichte der Schlagersängerin Manuela, die vor co. 15 Jahren vor die Presse Iral und sagte: Jch darf in der Hitparade nicht auftreten, weil ich keine 10.000,— DM zahlen kann. ‚Von Urlaubsreisen, Designerklamolten, Stereoanlagen und anderen technischen Geräten, Drogen, Bordellbesuchen, Callgirls, Kunstwerken, Instrumenten und vielen anderen Dingen, die das Leben leichter machen, hört man da. Ach ja, übrigens — mit Speck fängt mon Mäuse. Auch das gab es: Für die Auserwählten den alljährlichen Weihnachtsschinken einer großen Plattenfirma frei Haus. Bei uns erledigten nette Promolerinnen die Verteilung der Präsente, in Amerika wurde daraus ein eigener Berufszweig, der noch heule in voller Blüte steht. Das Zauberwort heißl .Poyola“. Wer mehr darüber wissen will, liest Simon Fritz, „Jugendkullur und Rockmusik“. In Deutschland flog der Firmenboß einer großen Plattenfirma raus, nachdem diverse Bestechungsversuche aufgeflogen waren. Wer mehr über diesen Herrn wissen möchte, liest ,Mr. Musicman‘.

Und ich? Tja, wer nicht kommt zur rechten Zeit… Die Ploltenindustrie wird immer reicher und knausriger, selbst zu Weihnachten gibt’s wieder nur Grußkarten. Ich muß mir mein Geld doch tatsächlich ehrlich verdienen, es sei ‚ denn, Frank Zappo wird wirklich neuer amenkonischer Präsident, dann werden alle, die etwas mrt Musik zu tun haben, seine Abgeordneten. Und ich wäre somit in der Politik und dürfte mich vor Bestechungen nichl mehr retten können. P.S. Bestochen wird immer noch, aber leider nur in oberen Etagen — und wie kommt man da hin? Man besticht! Nur, mein Spielzeug will da wieder keiner haben.