Schon mal Frequenzen geatmet? Sunn O))) live in Berlin


Am 8. und 9. August beherrschten die düsteren, dunklen Klänge den Berliner Heimathafen: Die amerikanischen Drone-Metal-Legenden Sunn O))) vernebeltem ihrem Publikum gleich zweimal die Sinne - im wahrsten Sinne des Wortes.

Die schönste, wenn auch nicht treffenste Beschreibung der Musik von Sunn O))) gelingt am Sonntagabend, dem 9. August, nicht etwa einem Fan, sondern einer jungen Dame, die an der Bar im Berliner Heimathafen die Getränke ausschenkt. Sie strahlt nach ihrem ersten Drone-Doom-Konzerterlebnis bis über beide Ohren und bekennt, dass sie den Gig „total faszinierend“ fand, obwohl doch die Musik „so monoton“ sei. Faszinierend sind die monolithischen Klangwände, die die Band aus Seattle zu errichten in der Lage ist, in jedem Fall, und das nicht nur allein wegen der Lautstärke, doch die Monotonie bleibt eine Illusion der Unaufmerksamkeit.

Natürlich spielt die Monotonie in der Musik von Sunn O))) eine große Rolle, was gerade am ersten Abend eminent wird. Die als „Special Show“ verbuchte Veranstaltung, bei der lediglich das Bandgründer-Duo Stephen O’Malley und Greg Anderson auf der Bühne steht, wurde wegen der großen Nachfrage auf die eigentliche „Full Band Show“ am nächsten Tag anberaumt und wirkt nicht zuletzt deswegen wie eine halbgare Version. Jedoch übertrifft selbst eine solch reduzierte Einlage von Sunn O))) die Shows einiger angesehenen Kollegen in puncto Lautstärke, Qualität und – ja, doch, irgendwie schon – Spaß.

Die anderthalb Stunden, die O’Malley und Anderson auf der Bühne stehen, wirken eher wie ein lockerer Jam, denn wie eine durchgeplante Show. Die Musiker trinken Schampus, rammen die Glasflaschen immer und immer wieder gegen die tief gestimmten Gitarrensaiten und klingen so, wie sie wahrscheinlich immer klingen, wenn sie in lockerer Runde gemeinsam musizieren. Herzallerliebst sind vor allem die kleinen Gesten, die sie sich zuwerfen – sie deuten auf die Bünde, die sie als nächstes zu spielen gedenken und heben mahnend den Zeigefinger, wenn im Sunn O)))’schen Nicht-Tempo mal wieder ein Akkordwechsel ansteht. Und als die grimmigen Roben dann nach etwa einer knappen Stunde ihre tiefen Akkorde um Feedbacks und atonalen Gemeinheiten anreichern, ist man eh bereits völlig gebannt. Oder liegt, wie Anderson es gelegentlich praktiziert, bereits auf dem Boden und lässt sich von den Bassfrequenzen durchschütteln.

Musikalisch abwechslungsreicher gestaltet sich dagegen der zweite Abend, bei denen sich Tos Nieuwenhuizen und Attila Csihar zum Band-Line-up gesellen. Schon allein durch die erbarmungslosen Analog-Synth-Klänge des Holländers Nieuwenhuizen eröffnet sich ein weiteres, gänzlich neues Klangspektrum, das es Anderson und O’Malley sogar erlaubt, zeitweise von der Bühne zu treten. Es werden sogar Songs erkennbar – zumindest im weitesten Sinne. Wenige Satzfragmente, die Sänger Csihar benutzt, meint man bereits auf „Aghartha“, dem ersten Song von Sunn O)))s herausragendem letzten Studioalbum MONOLITHS & DIMENSIONS, vernommen zu haben. Und als der ungarische Sänger, der für gewöhnlich bei den Black Metallern von Mayhem den Frontmann gibt, fürs Finale mit Laserpointern an den Fingern und in einem skurril-furchteinflößenden Spiegel-Outfit, ist man endgültig in einem Albtraum angelangt. So bleibt nicht nur das sanfte Ohrenrauschen zurück, sondern auch die Gewissheit, dass Sunn O))) sicherlich den schönsten aller Albträume abliefern. Und das sogar für alle Sinne.

Noch ein paar Feststellungen am Rande:

Erstens: Zu Drone Doom zu headbangen sieht bescheuert aus.

Zweitens: Technische Probleme spielen bei Sunn O))) nur eine untergeordnete Rolle. Das Verstärkerbrummen hört man später ohnehin nicht mehr.

Drittens: Die Isländerin Hildur Guðnadóttir scheint ihrem E-Cello zwar den Namen Omar gegeben zu haben und „ihn“ als ihren besten Freund zu bezeichnen, überzeugt im Vorprogramm jedoch eindeutig mehr, als es die Mehl pustende Electronica-Kapelle Shaddah Tuum tut.

Viertens: Nervige Handy-Blitzlicht-Foto-Geräusche stören selbst bei Konzerten von Sunn O))). Echt!

Fünftens: „Praise Iommi!“