Helene Fischer vs. Madonna: Multiprojektionsfläche für Gays, Grannys und Grown Ups


Sie kann gut grillen, ist modisch international vorzeigbar und freizügiger als Miley Cyrus: Helene Fischer hat’s drauf. Jan Schmechtig outet sich als Fanboy.

„Sag mal, was haben eigentlich alle gerade mit Helene Fischer?“

Warum werde ich sowas gefragt? Ich, der gerade soviel von dieser Musik versteht um zu wissen, dass Andrea Berg kein Kräuterschnaps ist. Dennoch habe ich in diesem Jahr aus meinem Umfeld vermehrt von Frau Fischer gehört und das ist auf Grund eines doch eher gegensätzlichen Musikgeschmacks eher ungewöhnlich. Ein Schlagerstar über den sogar ein Freundeskreis Ende Zwanzig spricht? Was ist da los? Also habe ich recherchiert. Und wo fängt man neben Google an nach Prominenz zu suchen? Richtig, im Boulevardjournalismus.

Hierzulande ist es ja meistens so: Vergleicht man rote Teppiche jeglicher Art in Deutschland mit denen in Amerika, geht dies für uns meist sehr erschütternd aus. Jeder kennt den Moment der Enttäuschung, in dem man von den internationalen Events nach Deutschland rüber blättert. Aber wenn man das aushält und sich danach die Jahreszusammenfassung der Red-Carpet-Best-Ofs 2013 von deutschen (Musik-)Stars zusammen sucht, fällt eines auf: Die Fischer hat’s drauf.

Beim Bambi 2013 zum Beispiel hatte Helene Fischer gleich drei Outfits im Koffer. Eines für den roten Teppich (Abschlussball-Look), eines für den Gesangsauftritt (inspiriert von Lady Gagas Auftritt bei den Grammys 2010) und für den Rest des Abends etwas mit einem sehr tiefen Ausschnitt, den wir in Schlagerkreisen bisher nur bei Andrea Berg vermuteten. Das Outfit war sogar so geschlitzt, dass Helene Fischer damit Miley Cyrus ausstach und es neben ihr in die Schlagzeilen schaffte.

Nun werden viele stilsichere Leser sagen: Dieses Trompetendesaster, das die Cyrus Outfit nannte, war ja auch bieder bis zum Geht-nicht-mehr. Stimmt, aber wir sprechen hier noch immer von Weltstar gegen deutschen Star und wissen für wen dieser Vergleich meist eher schlecht ausgeht. Auch sonst lag Helene F. mit ihren Outfits (zum Beispiel beim Echo) immer goldrichtig. Nach vorläufigem Abschluss der Teppichrecherche möchte ich noch weiter gehen und fast sagen: Helene Fischer könnte man ohne Weiteres über die Red Carpets in Hollywood schicken, sie würde dort nicht als Deutsche auffallen. Aber allein das kann es nicht sein. Wie macht diese Frau es also, dass ihr nicht nur die älteren Kaliber, sondern auch die schwule und junge heterosexuelle Gemeinde zu Füßen liegt?

Liegt es daran, dass Helene Fischer es schafft neben ihrer Gesangskarriere Laugenbaguettes mit Kräuterbutter zu essen und sich parallel die Haare zu tönen? Oder finden alle eigentlich nur Ehemann Florian Silbereisen so sympathisch? Nein, das wäre nun wirklich zu absurd. Und überhaupt ist das noch immer der einzige Punkt, der irgendwie nicht ins Fischer-Puzzle passt. Vielleicht hilft zur Aufklärung ein Blick in die ebenfalls in diesem Jahr ausgestrahlte Dokumentation über ihre Live-Tournee namens „Allein im Licht“, sozusagen Helene Fischers ARD-Version von Madonnas „I’m going to tell you a secret“. Einsingen, Proben, Schminken, Besprechung des Tourbuches – Parallelen, die aufgrund des unterschätzten Ausmaßes ihrer Tour bereits recht beeindruckend sind.

Wo bei Madonna allerdings Tänzer Gitarren in die Hand gedrückt kriegen und daraufhin heulen, weil es eben eine Gitarre von Madonna ist, ihre Kinder von Mama schwärmen und im Luxushotelpool planschen, spricht Helene Fischer am Telefon auf russisch und deutsch mit ihrer Mama über Verdauungsprobleme und die Einnahme von einschlägigen Hilfsmitteln. „Ich bitte Dich als Mama: wenigstens morgens eine Scheibe Brot und Mittags einen Teller Suppe. Guck‘ nicht auf Deine Figur, Gesundheit ist das Wichtigste“, heißt es da etwa.

Das mag Kalkül sein – aber irgendwie ist Helene Fischer in diesem Moment so unangenehm sympathisch, dass es kracht. Und einen Moment später steht sie in schummrigem Licht und weißer Robe umgeben von durchtrainierten Tänzern und singt über Sehnsucht. Da haben wir’s: Projektionsfläche für Gays, Grannies und Grown-ups. Alles in einem. Die bietet mittlerweile nicht mal mehr Madonna.

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Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de.