The Singles


Benjamin Boguet (of-Cosmo-Vitelli-fame) und Julien Briffaz sind schon seit einiger Zeit unter dem Namen Bot’Ox around. Nicht nur die Abonnenten der DFA-12-Inches wissen das. Ende August wird das erste Album der beiden Franzosen erscheinen, aber vorher schon gibt es den Rausschmeißer ihrer Live-Sets als 12-Inch. „Overdrive“ (Cliché) ist ein wahnwitziger Hochgeschwindigkeits-Disco-Rocker mit seltsamen Synthesizern, wie „Magic Fly“ von Space auf einer Überdosis Adrenochrom. Der gute Morgan Geist behält in seinem Remix das Prinzip der Highspeed-Weirdness aufrecht, ist aber so frei, dem Track einen gehörigen Groove unterzujubeln.

Wie man weiß, kommen die wenigsten Neo-Italo-Disco-Produzenten aus Italien, sondern eher aus Deutschland, Schweden, England und Schottland. Wobei wir bei Den Haan wären und ihrer „Burning Cock EP“ (Supersoul Recordings/Kompakt). Das „Burning Cock Theme“ der beiden Produzenten aus Glasgow ist ein gewaltiger Dancefloor-Smasher mit vocoderisiertem, „übergayem“ (danke, Xaver) Gesang, galoppierenden Beats und zwitschernden Synthsounds. Irgendwo auf der Hi-NRG-Skala zwischen Giorgio Moroder und Patrick Cowley. „Afterburner“ ist der Edit der Den-Haan-Coverversion des 1983er Disco-Pop-Hits „Burn It Up (Mr. DJ)“ von Risque.

Kommen wir zur Debüt-12-Inch des Londoner Produzenten George FitzGerald aus dem Umfeld des Man-Make-Music-Kollektivs. Die beiden Tracks „The Let Down / Weakness“ (Hotflush) wollen dubbiger bis dubsteppiger House sein, der mit allerlei ambienten Schnickschnack unterfüttert ist. „Weakness“ auf der AA-Seite ist der Gewinner des internen Trackcontests, weil er das mehr konkretisiert, was die A-Seite nur abstrahiert. Nein, nein, nein, „neu“ ist das ja alles nicht und die Socken oder sonstwas wollen einen die beiden Tracks auch nicht ausziehen.

Berliner Produzent und DJ holt sich russische Sängerin, DJane und Produzentin „ins Boot“ und macht als Sascha Funke vs. Nina Kraviz eine 12-Inch, die wieder mal so unerwartbar wie großartig geraten ist. In „Moses“ (BPitch Control/Kompakt) gibt ein ultradeeper, technoider Klangteppich auf der feinen Linie zwischen Minimalfrickelei und dann-doch-irgendwie-Clubtauglichkeit das Fundament für die artifizielle Poesie in der Stimme von Nina Kraviz. Die „Moses (Bonus Version)“ verschiebt dann die Akzente auf den Tanzboden.

Dass es einen dritten Weg zwischen Remix und Coverversion gibt, belegen Carlos Ballestros und Genis Segarra, die manchen Menschen unter dem Namen Hidrogenesse bekannt sind. Als Hidrogenesse Versus The Hidden Cameras zeigen die beiden Spanier auf der gleichnamigen EP (Austrohungaro) wie aus einer von Hidden-Camera-Mann Joel Gibb hergegebenen Gesangsspur und der Idee eines Remixes ein neues Konzept geworden ist. Hidrogenesse ließen sich mehr Gesangsspuren kommen, um schließlich sechs Songs des 2009er Hidden-Camera-Albums ORIGIN:ORPHAN neu zu instrumentieren. Bezeichnen wir die Arrangements als 80er-Jahre-Synth-Pop, zu denen der Originalgesang von Joel Gibb fast besser passt als zur Hidden-Cameras-Musik.

Der schon seit einiger Zeit im Netz umherschwirrende Song „Tenderoni“ (Wichita/Coop/Universal) von Bloc-Party-Sänger Kele schien in seiner elektrorockenden Crazyness das perfekte Ausgangsmaterial für Remixer zu sein. Die Single bestätigt den Anfangsverdacht. Im „Larry Tee And Beckswith Remix“ wird die pumpende Herrlichkeit mit einer Extraportion Acid-House-Beigaben angereichert. Der „Dam Mantle Remix“ schließlich kennt überhaupt keine Scham mehr, zitiert das Original nur noch in Spurenelementen (kein Gesang!) und baut darum ein verrücktes Experimentierfeld.

„Disco, Disco, Disco, Disco! Let’s go, let’s go, let’s go, let’s go!“, skandiert Dizzee Rascal im Refrain der fünften Single aus seinem vierten Album TONGUE N’CHEEK. Auf dem Cover macht der Londoner Grime-Master auf John Travolta. Man muss sich „Dirtee Disco“ (Dirtee Stank) vorstellen wie eine Light-Version von „Bonkers“, die ein bisschen mit Disco-Parfüm eingesprüht wurde. Inklusive heavy sampling des Staple-Singers-Songs „I’ll Take You There“. Wir flippen jetzt nicht gerade aus, aber für die Post-Prime-Time-Alkoholdunst-Beschallung ist der Track allemal gut.

Moritz Friedrich alias Siriusmo ist ein stets willkommener Gast auf diesen Seiten. Im Titeltrack seiner EP „The Plasterer Of Love“ (Monkeytown/Rough Trade) betätigt sich der Mann aus dem Modeselektor-Umfeld als Übersetzer französischer Filterhouse-Ideen, nur um einen Track weiter („Katharsis Impossible“) einen zweiminütigen heavy Avantgarde Shit loszulassen. Ansonsten dominieren die rockenden Beats, die Siriusmo allerdings mit ironischer Distanz auf die Trommelfelle eindreschen lässt.