The Singles


Wahrscheinlich um auf die Herbsttournee von James Blake aufmerksam zu machen, wurde die EP „Enough Tunder“ (Polydor/Universal) veröffentlicht – in allen physischen und digitalen Formaten, diesmal sogar als CD. Es gibt sechs Tracks, von denen (mindestens) zwei den Internet-Abscannern bekannt sein dürften: „Fall Creek Boys Choir“, die Zusammenarbeit mit Bon Iver, die vorigen Monat an dieser Stelle abgefeiert wurde, und die wunderbare Adaption des Joni-Mitchell-Songs „A Case Of You“. Bei den restlichen Tracks, vor allem bei „We Might Feel Unsound“, stellt Blake seine „alte“ Tugend der Abstraktionswilligkeit in den Vordergrund.

Warum ausgerechnet jetzt eine remasterte Version der 2004er-EP „Just Another Day“ (Planet E – digital only) von Detroit-Techno-Legende Carl Craig veröffentlicht wird, wissen wir nicht, finden es aber sofort gut. Craig setzt Verspieltheit („Twilight“), technoide Finsternis („Darkness“), Minimalismus („Sandstorms“, ein Kommentar zum zweiten Golfkrieg) und abstrakten Techno-Expressionismus („Experimento“) nebeneinander. Als Bonus gibt es eine nagelneue, über zehnminütige Version von „Sandstorms“.

Das Kölner Wunderduo Coma mit seiner neuen 12Inch. Mit dem Titeltrack „Gravity“ (Kompakt) haben Georg Conrad und Marius Bubat einen energischen Post-Disco-Kracher geschaffen. „Total“ auf der B-Seite bleibt bei der hochenergetischen Dancefloor-Stimmung, fügt aber komische Saiteninstrumenten-Samples hinzu. Balearischen Sonnenuntergangsschmalz inklusive Vocoderstimme und Wir-haben-uns-ja-alle-so-lieb-Gefühl gibt es mit „Fiction“.

Die Mehrheit der „Entscheider“ bei den Musikmedien ist männlichen Geschlechts, Lana Del Rey dagegen weiblich, und so gekleidet und „zurechtgemacht“, dass die Entscheider die 24-jährige New Yorkerin möglicherweise für äußerst attraktiv halten. Vielleicht ist das der Grund, weshalb schon lange bevor die Single „Video Games“ (Stranger Records/Universal) veröffentlicht wurde, ein wahnsinniger Medienhype um Del Rey entstanden ist. Musikalisch ist das ganz okay: ein bisschen dick aufgetragener Folk-Pop mit Streichern, zwischenzeiliger Melancholie und allem Pipapo. Supermelodien, Superstimme.

Weil’s thematisch passt, fassen wir die beiden DFA-Neuzugänge zusammen. Eine Reihe von 12Inches mit Remixen von Tracks vom W-Album der Wahlberlinerin Planningtorock beginnt mit „Living It Out“ (DFA). Der Album-Key-Track wird zweimal (Jackson und Cosmodelica) dem Tanzboden gleichgemacht, elastisch-federnd, housig, krautig, spacig. Planningtorock ihrerseits bearbeitet gleich zwei mal den Track „Answering Machine“ (DFA) vom 2010er-Debütalbum des famosen irischen Schwaben Shit Robot. Hier wird die Tanzbarkeit ein bisschen zurückgedreht zugunsten von Streichersamples und einer Arthur-Russell-Avantgarde-Wirkung.

SCNTST nennt sich der 17-jährige Münchener Bryan Müller, wenn er Musik macht. Die Tracks auf „Monday“ (Boysnoize Records) passen wie die Faust aufs Auge zu dem Label, das diese EP in die Plattenläden und auf die Downloadportale bringt. Die Musik bewegt sich auf der feinen Linie zwischen Funktionalität und Experiment, Ausfallschritte auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen. Krachiger Elektro(-Rock) mit einem dezenten Acid-Geschmack im Abgang, mit mannigfaltigen Einflüssen, von denen wir nur mal zwei herausgreifen wollen: Aphex Twin und Boys Noize.

Wie wir wissen, handelt es sich bei Shrubbn!! um die Band von Marco Haas (T.Raumschmiere) und Ulli Bomans (Schieres). Die kommen demnächst mit ihrem Album Echos und vorher mit einem ungewöhnlichen Remix-Ansatz. Sie haben das ganze Album von The Orb remixen lassen. Herausgekommen ist dabei eine einseitig bespielte 12Inch. Alex Paterson und Thomas Fehlmann haben mit „Echos (Remixed By The Orb)“ (Shitkatapult/Alive) ein über 13-minütiges Stück mit psychedelischer Ambient-Electronica angefertigt, zischelnd, schabend, zwitschernd, wunderbar.

Es verwundert nicht, dass Orlando Higginbottom alias Totally Enormous Extinct Dinosaurs seine Musik auf dem Hot-Chip-nahen Label Greco Roman veröffentlicht. Sein 2010er-Song „Garden“ (Greco Roman/Polydor/Universal) hat dieses analoge Hot-Chippige Elektro-Pop-Flair mit dem leicht melancholischen Einschlag. Anlässlich der Veröffentlichung des ersten Albums von Totally Enormous Extinct Dinosaurs Anfang 2012 wird die EP „Garden“ rereleast. Joe Goddard von Hot Chip fügt dem Track in seinem Remix ein paar federnde Beats und watteweiche Synths dazu. Soul Clap geben dem Ganzen eine früh-housige, soulige Note.