The Weirdness


Wie Pantha Du Prince, Ellen Allien, Apparat und Emika die Grenzen der elektronischen Musik ignorieren.

Ach, digitales Zeitalter, wie segensreich deine Errungenschaften doch sind. Jeder, der einen halbwegs geraden Satz formulieren kann, darf sich in seinem Blog als Publizist betätigen. Jeder, der über ein Mindestmaß an technischem Verstand verfügt, kann sich „aus dem Netz“ Audiosoftware „ziehen“, um am Laptop elektronische Musik zu produzieren, die Dank der Presets so klingt wie jede andere elektronische Musik und die er dann „ins Internet stellen“ kann. Das nennt man „Demokratisierung der Produktionsmittel“, und Demokratie ist ja total super. Das verlässlichste Gesetz der Popkultur lautet: Jede Aktion erzeugt eine Gegenreaktion. Vielleicht ist dieses Jeder-kann-alles-machen der Grund dafür, weshalb in letzter Zeit bei ein paar nicht unwesentlichen elektronischen Musikern eine gewisse Elektronik-Müdigkeit festzustellen ist. Zum Beispiel Pantha Du Prince. Elektronische Musik sei mehr „als reine Form eskapistischer Tanzmusik“ – damit erklärt der Hamburger Produzent sein seltsames, aber gutes Carillon-Glockenspiel-Album ELEMENTS OF LIGHT. Oder Ellen Allien, sie legt mit LISM – Musik zu einer Tanzperformance in Paris – eine Platte vor, die in ihrer avantgardistischen Weirdness mit nichts zu vergleichen ist, was die Produzentin aus Berlin in den 20 Jahren vorher herausgebracht hat. Alliens einstiger Kollaborateur Sascha Ring alias Apparat veröffentlicht mit KRIEG UND FRIEDEN (MUSIC FOR THEATRE), den „Soundtrack“ eines Theaterstücks, der sich zwischen Kammermusik und Ambienttexturen bewegt. Im Mai soll das zweite Album der britischen Produzentin Emika erscheinen, es wird DVA (Tschechisch für „zwei“) heißen und tangiert nicht nur wegen diverser Gastmusiker (The City Of Prague Philharmonic Orchestra, die Sopranistin Michaela Šrumová) sondern auch formal die Grenze zur neuen Musik. Die Wirkung der erwähnten Alben ist elektronisch, die Musik wäre ohne „elektronische Vorbildung“ der Produzenten nicht möglich gewesen und mit den üblichen „Pop meets Klassik“-Anbiederungen haben sie nichts zu tun.