Interview

Tom Tykwer: „Im Film auf der Todesstrafe rumzureiten, wäre pädagogisch banal“


Im Interview sprechen Tom Hanks und Tom Tykwer über den Umgang mit dem Islam und Saudi-Arabien, den Schauplatz ihres gemeinsamen Films „Ein Hologramm für den König“.

Tom Tykwer ist im Ausland bestens vernetzt und beliebt. Deshalb ließ ihn Schriftsteller Dave Eggers („The Circle“) seinen Roman „Ein Hologramm für den König“ verfilmen, deshalb konnte Tykwer auch Tom Hanks für die Hauptrolle gewinnen. Seit der Zusammenarbeit an „Cloud Atlas“ sind Darsteller und Regisseur gut befreundet.

In „Ein Hologramm für den König“ reist Tom Hanks als aus der Zeit gefallener Geschäftsmann nach Saudi-Arabien, um dem dortigen König ein modernes Kommunikationssystem zu verkaufen. Angekommen, findet er allerdings nur Stillstand. Der Bau einer zukunftsweisenden Großstadt, die mitten in der Wüste entstehen soll, kommt nicht voran, der König selbst lässt tagelang auf sich warten. Hanks strandet in dem Wüstenstaat und muss sich an die fremde Kultur anpassen. Hilfe bekommt er dabei von seinem aufgedrehten Fahrer Yousef und der Ärztin Zahra. Beide verkörpern den Spagat zwischen konservativem Islam und westlicher Welt.

me.MOVIES: Herr Tykwer, wie stark haben sie sich vor dem Film mit dem Islam auseinandergesetzt?

Wie in einer anderen Welt: Tom Hanks sucht den Erfolg in Saudi-Arabien.
Wie in einer anderen Welt: Tom Hanks sucht den Erfolg in Saudi-Arabien.

Tom Tykwer: Ich wollte im Speziellen etwas über Saudi-Arabien erzählen. Also habe ich mir das Land angeschaut. Ich habe genau die Reise gemacht, die Dave Eggers für seinen Roman gemacht hat. Ich habe sogar den Typen getroffen, der für Eggers das Vorbild war, um die Figur des Fahrers Yousef zu schreiben. Der war wirklich irre, ein bizarrer Typ. Dann bin ich natürlich auch in diese Stadt gefahren, die es noch nicht wirklich gibt. In der dann Leute an leeren Schreibtischen sitzen und so tun müssen, als hätten sie irgendetwas zu tun. Das Bild mit dem leeren Schreibtisch habe ich auch für den Film geklaut.

Ist es schwer, nicht parteiisch und frei von Vorurteilen an so einen Film zu gehen?

Tykwer: Warum sollte ein Deutscher einen Film über einen Amerikaner drehen, der in ein arabisches Land geht? Die Frage ist natürlich berechtigt. Ich dachte, es ist gerade gut, wenn weder ein Araber noch ein Amerikaner verantwortlich ist. Weil dann auf gar keinen Fall eine Gewichtung hineinkommt, die irgendwie parteiisch ist.

Tom Hanks: In Amerika haben wir sehr spezifische Vorurteile über Saudi-Arabien, einiges davon basiert immer noch auf „Lawrence von Arabien“ – da reiten halt alle auf Kamelen und wollen sich gegenseitig umbringen. Die nächsten Vorurteile: Jeder ist reich, weil jeder Öl-Millionen hat. Alle Saudis reisen viel herum und fahren Mercedes Benz. Obendrein ist jeder ein muslimischer Fundamentalist, der alle Amerikaner töten möchte. So sieht das Bild von Saudi-Arabien in den USA aus. In den absoluten Extremen stimmen diese Vorurteile, aber in der täglichen Realität in dem Land natürlich nicht. Saudi-Arabien ist viel komplexer.

Wird der Film dort überhaupt gezeigt?

Tykwer: Naja, die haben ja keine Kinos.

Sollte man denn da überhaupt einen Kinofilm drehen?

Tykwer: Ich bin davon überzeugt, dass prozentual zur Bevölkerung die meisten Menschen auf der Erde diesen Film in Saudi-Arabien sehen werden. Die Leute dort sind irre neugierig darauf. Nur sind die Verwertungsstrukturen eben anders. Saudi-Arabien ist ein hochmodernes Land, alle haben Streaming, Netflix, alles. Kino ist dort einfach kein Geschäft mehr. Außerdem müssten die Kinos so viel zensieren, dass es die Leute am Ende gar nicht mehr anlocken würde. Aber es gibt ja tausend Möglichkeiten, die Restriktionen zu umschiffen.

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Gibt es bereits Reaktionen aus Saudi-Arabien?

Tykwer: Nur von den Saudis, die ich kenne und die an dem Film mitgearbeitet haben. Der irre Fahrer zum Beispiel war in New York bei der Premiere und davon total begeistert. Alle sagen, dass der Film das Land spalten wird, weil es eben in eine progressive und eine konservative Schicht gespalten ist.

Kann man das Land überhaupt verstehen, wenn man nur kurze Zeit vor Ort ist?

Tykwer: Verstehen wäre vielleicht zu viel gesagt. Aber hätte ich das Gefühl gehabt, unsere Geschichte wäre der Wirklichkeit nicht nahe, dann hätten wir den Film nicht gemacht. Es gibt diese Charaktere wie Zahra, die Ärztin. Es gibt moderne Leute, die mit den kulturellen Interessen versehen sind, die wir eben kennen. Und die gleichzeitig noch etwas anderes mitbringen. Die mit einem Bein in ihrer Kultur bleiben wollen, trotz dieser idiotischen Einschränkungen. Weil sie dort verwurzelt sind und ihre Familien dort wohnen. Und die darauf setzen, dass der Wechsel zur Moderne desto schneller kommt, je mehr Menschen mit diesem neuen kulturellen Bewusstsein in Saudi-Arabien bleiben. So sehr religiöse Führer auch versuchen, die Separierung am Leben zu erhalten – es wird immer sichtbarer, dass die Menschen schon viel weiter sind. Das hängt natürlich auch mit Internet und der Möglichkeit zum billigen Reisen zusammen.

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Hanks: Wir haben diesen Film im Königreich Marokko und im Königreich Saudi-Arabien gedreht. Könige sind da noch ein großes Ding. Manche Länder funktionieren halt anders und ich bin von jeder Art des menschlichen Verhaltens fasziniert. „Das ist eben die Art, wie es hier läuft“, mehr kann man oft eigentlich nicht sagen. Und die jeweilige Art ist weder gut noch schlecht, sie ist einfach nur anders. Als während des Drehs die Muezzin-Gesänge begannen und ein Teil der Crew seine Teppiche zum Beten hervorgeholt hat, war mein einziger Gedanke: „Gut, die sprechen jetzt kurz ihre Gebete.“ Das machen wir doch alle, jeder auf seine Art und Weise.

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