„Viele Kritiker fanden meine Lieder albern“


Paul McCartney über die CD-Anthologie "Wingspan", seine verstorbene Frau Linda, Gefängnisse und Marihuana.

Die Beatles– „Anthologies“ waren sehr erfolgreich. Ist „Wingspan“ ein weiterer Versuch, auf der Vergangenheit Kapital zu schlagen?

Das Projekt kam eher zufällig ins Rollen. Wir hatten Berge von Dias, Videos und Super-8-Filmen mit Familienaufnahmen in unseren Schubladen herumliegen. Und ich sagte zu Linda: „Wann sehen wir uns den ganzen Krempel eigentlich mal an, den du da gesammelt hast?“ Als Überraschung für mich zu unserem Hochzeitstag beauftragte sie dann unseren Schwiegersohn Alistair Donald, die Videos professionell zusammenzuschneiden. Die frühen Familienaufnahmen stammten alle aus der Wings-Zeit in den 7oern. Deshalb hatte Alistair das Video mit Wings-Musik unterlegt. Das brachte mich auf die Idee mit „Wingspan“. Alistair hat das Ganze dann umgesetzt.

Im „Wlngspan“-Video wird klar, welch wichtige Rolle Linda bei den Wings spielte. Bei den Fans war ihre Rolle eher umstritten.

Klar. Viele waren einfach eifersüchtig. Sie fragten sich: „Was will die da oben auf der Bühne?“ Aber ich sagte: „Sie ist meine Freundin und meine Frau und mein Kumpel“. Vor allem war sie eine der ersten Frauen, die in einer Rockgruppe auftraten. Sie hat das vorgelebt, was heute als Woman Power gepriesen wird. Frauen wie Annie Lennox und Allannah von den Thompson Twins sagten später: „Ich sah Linda da oben auf der Bühne und dachte: Wunderbar. Es ist okay, als Frau in einer Band zu spielen.“ Sie war eine Pionierin. Sie hat immerhin als erste Frau für das amerikanische Magazin „Rolling Stone“ fotografiert. Sie hat New Yorker Fotografinnen wie Annie Leibowitz und Diane Arbus den Weg geebnet.

Unda sah oft so aus, als würde sie sich hinter Ihrem Keyboard sehr unwohl fühlen.

Sie hat den Job genossen. Linda war zwar eher schüchtern. Sie stand lieber hinter der Kamera als davor. Aber sie war eine sehr mutige Frau.

Du wurdest von den Kritikern wegen deiner Liebeslieder ausgelacht

Die Kritiker griffen mich an, weil ich für ihren Geschmack einfach zu viele Liebeslieder schrieb. Und weil sie meine Lieder albern und zu sentimental fanden. Aber ich dachte: Die Leute verlieben sich nun mal, heiraten und bekommen Babies. Und dafür brauchen sie einen Soundtrack.

Du hast den Ball dann mit deinem Song „Silly Love Songs“ zurückgegeben.

Ja, der Song wurde auch ein großer Hit. Aber die Kritiker haben mich weiter mit Genuss niedergemetzelt: „Igitt, Pauls Lieder sind viel zu romantisch.“

Wie war das damals 1980 mrt deinem Gefängnfsaufenthalt in Tokio?

Ich war so dumm! Ich hatte die durchsichtige Plastiktüte mit dem Marihuana ganz oben in den Koffer gelegt. Und die Zollbeamten fragten mich: „Brauchen Sie das, um Ihre Songs zu schreiben?“ Es ist eine typische Geschichte aus jener Zeit. Damals war es angesagt, Pot zu rauchen. Manche tun das ja sogar heute noch.

Kiffst du auch noch?

Hahal Nein, Mensch, machst du Witze? Das dürfte ich dir auch gar nicht erzählen! Das ist doch immer noch illegal! Ich trinke höchstens manchmal in Gesellschaft ein Glas Wein mit.

War der Gefängnisaufenthalt der Grund, warum sich die Wings dann getrennt haben?

Das war der perfekte Vorwand, um die Band aufzulösen. Linda und ich hatten schon lange den Wunsch gehabt, frei zu sein. Das war ein bisschen wie am Ende der Beatles.