Von alt-J über Kylie bis Jamie xx: 18 Beobachtungen beim Melt! Festival 2015


Und schon wieder vorbei: Was vom Melt! Festival 2015 in Ferropolis im Gedächtnis bleibt.

Vom 17. bis 19. Juli 2015 konnte in Ferropolis bei Gräfenhainichen wieder bei schönstem Sonnenschein und ein klein wenig Regen und Hagel gefeiert werden – das Melt! Festival lockte 20.000 Besucher mit Bands und Künstlern wie alt-J, Kylie Minogue, Django Django, Jamie XX und vielen mehr in die beschauliche Provinz von Sachsen-Anhalt. Die Nächte waren lang, die Auftritte vielseitig und bunt. Wir haben für euch unsere Beobachtungen, Feststellungen und Eindrücke des diesjährigen Melt! Festivals zusammengefasst.

>>> Melt! Festival 2015: Fotos der Fans

Unsere Bühnen-Beobachtungen beim Melt! Festival 2015

Bereits am ersten Abend gab es ein kleines Dilemma zu überstehen, als man sich zwischen Bilderbuch, Years & Years und Jamie xx entscheiden musste, deren Auftritte sich überschnitten oder gar gleichzeitig stattfanden. Die Österreicher um Maurice Ernst – der Sänger zeigte sich in einem unwiderstehlichen Outfit bestehend aus einem Netz-artigen Oberteil und einer golden glänzenden Hose – heizten dem Publikum ordentlich bei Sonnenuntergang ein und bildeten eine perfekte Grundlage für eine lange Nacht. Mit einem Augenzwinkern, Elan und der üblichen Portion Erotik spielten Bilderbuch sich durch ein gelungenes Set, das Lust auf mehr machte.

Jamie xx: Diese Lust konnte sogleich auf der „Desperados Melt! Selektor“-Bühne umgesetzt werden, auf der Jamie xx einen zweistündigen Auftritt hinlegte, bei dem er auch seine eigenen Kreationen des aktuellen Albums IN COLOUR einstreute. Bei traumhafter Kulisse, direkt am Strand des Gremminer See, stieg die Hitze ins Unermessliche, als sich zahlreiche tanzwütige Festival-Besucher im schwül-warmen Klima zu den Klängen des DJs bewegten.

Kylie Minogue: Es zählt wahrscheinlich zu den widersprüchlichsten Dingen, die auf einem Festival dieser Art geschehen können. Auf einer Bühne, die in der Nacht zuvor von einem sich in Rage spielenden Nils Frahm beherrscht wurde, auf der sich Wanda feuchtfröhlich mit ganz viele „Amore“ feiern ließen und Jon Hopkins stimmungsvoll durch die Nacht begleitete, steht eine zierliche, niedliche Frau im hautengen Ganzkörper-Anzug in Leo-Print, mit einem Krönchen auf dem Kopf und gibt Pop-Hits zum Besten.

Die Melt!-Besucher, die authentische Bands und stundenlange DJ-Sets gewohnt sind, werden konfrontiert mit einer auf Hochglanz polierten Show, die sich in Perfektion badet. Schöne Körper räkeln sich auf der Bühne, Kylie wackelt mit dem Hintern, singt von „Love At First Sight“ und covert schließlich Nenas „99 Luftballons“ – mit Ballons in Herzchenform, die in den Nachthimmel entschweben. Hach. Die Outfits glitzern und glänzen mit Kylies Lachen und den Gesichtern des hartgesottenen Fanblocks in der ersten Reihe um die Wette. Als bestünde die ganze Welt aus Zuckerwatte-Pop und Regenbögen.

Giorgio Moroder: Der wahre Mainstream hatte bereits eine Stunde vor Kylies Auftritt Einzug gehalten und zwar in Form des 75-jährigen Mannes, der die Kirmes-Ästhetik auf die Melt!-Bühne brachte. „Ist das da vorne ernst gemeint?“, fragte der ein oder andere im Publikum, als Giorgio Moroder seine Hits auspackte. Verlegen schob sich die lebende Discolegende eine verspiegelte Sonnenbrille ins Gesicht und versuchte unbeholfen zum Mitklatschen zu animieren. Für die einen war es das perfekte Warm-Up für Kylie Minogue, für andere war es ein guter Grund um zu The Orb oder Kwabs auf den Nebenbühnen abzuwandern. Eine gute Alternative wären auch Young Fathers gewesen.

Ibeyi: Die beiden bezaubernden Zwillingsschwestern Lisa-Kaindé und Naomi Díaz erhielten einen besonderen Slot. Am Sonntag spielten die beiden um 16 Uhr auf der Gemini Stage, als auf den restlichen Bühnen noch absolute Ruhe herrschte. Mit kubanisch-afrikanischer Musik und glasklaren Stimmen versetzten sie das Publikum in Begeisterung, vor allem da die Schwestern bei zahlreichen Auftritt seit dem vergangenen Jahr an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gewonnen haben. Ein wahres Nachmittags-Highlight.

Django Django: Die Briten, die ihr aktuelles Album BORN UNDER SATURN im Gepäck hatten, entpuppten sich als Lieblinge der Besucher mit vielseitigem Geschmack. Denn während auf Kylie gewartet wurde, boten Django Django eine herausragende Performance. Gekonnt nahm die Band ihre Songs auseinander und setzte sie passend für den Live-Rahmen zusammen. Mit einer Leichtigkeit ließen Django Django von der ersten Minute die ersten Reihen tanzen und zogen während des Auftritts immer mehr Menschen, Kylie-Fans eingeschlossen, in ihren Bann. Eine Handbewegung von Vincent Neff reichte, um für Jubel zu sorgen. Ein Favorit des diesjährigen Melt! Festivals.

alt-J: Ein ebenso leichtes Spiel schienen alt-J zu haben, die am Sonntagabend mit ihrem Auftritt das Finale auf der Mainstage bestritten. Die ungeduldige Menge brach bereits in Jubel aus, bevor die Band auch nur die Bühne betreten hatte. Joe Newman und seine drei Kollegen geben sich typisch zurückhaltend, ab und an ergreift Gus Unger-Hamilton die Initiative, um sich zu bedanken oder zu betonen wie sehr die Band das Melt! Festival mag. Jedes Mitglied scheint in sich gekehrt und für sich selbst das Instrument zu bedienen, um doch einen gemeinsamen Sound zu erschaffen, der an diesem Abend klar, kraftvoll und begleitet von einer gut abgestimmten Lichtshow zu einer ganz großen Nummer wird.

Auf der Bühne scheinen eigene Regeln zu herrschen, womöglich existiert dort eine Band-interne eigene Welt. Die Bewohner dieser Welt scheinen gar nicht zu verstehen, dass vor ihnen mehrere Tausend Leute am Ausrasten sind. Ein kurzes, kaum erkennbares Lächeln huscht Joe Newman über das Gesicht, als die Menge beginnt bei „Warm Foothills“ mitzuklatschen. Zum Abschluss stellen sich die vier Musiker im Bühnenhintergrund für eine gefühlte Sekunde in eine Reihe auf, doch eine Verbeugung sparen sie sich. Und das obwohl das Publikum kurz zuvor noch lauthals „Please don’t go, I love you so“ sang.

11 Rand-Beobachtungen und Erkenntnisse beim Melt! Festival 2015:

– Metal-Fans scheinen trotz unerträglicher Hitze mehr als genug Ausdauer zu haben, um zu den herausragenden Mogwai permanent zu headbangen.

– Wir wissen nach wie vor nicht, wie viel Ironie nötig ist, um Romano mit seinen Zöpfen verstehen zu können, während er sich fröhlich im hitzigen Zelt durch die Nacht „uh la la-t“.

– Internationalität wird beim Melt! ganz groß geschrieben: Besucher aus allen möglichen Ländern der Welt tragen zu einer bunten und sehr entspannten Mischung im Publikum bei.

– An diesen Catfish and the Bottlemen kommt in Großbritannien kaum jemand vorbei, hierzulande scheint der Trend jedoch noch nicht angekommen zu sein.

– Viele schmerzhafte Entscheidungen musste der Besucher dieses Jahr erneut treffen. Besonders unschön: alt-J auf der Hauptbühne gegen Darwin Deez im Intro-Zelt.

– Es wird nicht langweilig, die riesigen Kräne immer wieder aufs Neue zu fotografieren. Im Sonnenuntergang. Mit Wolken im Hintergrund. In der Nacht, beleuchtet oder mit Flammenwerfern versetzt.

– Die Besucher machen das Melt! zu einem der entspanntesten Festivals Deutschlands. Das Interesse des Publikums geht über Bier und „Abrocken“ hinaus und sorgt für wahren Enthusiasmus vor den Bühnen, lange durchtanzte Nächte und gute Musik auf den Camping-Plätzen. Auch wenn manch einer Rihanna in seine Indie/Alternative-Liste gepackt hat.

– Eine kleine Bühne, die die tanzenden Gäste bei großer Hitze mit Wasser übergießt, ist eine wunderbare Erfindung.

– Auf die etwas nerdig wirkenden, aber beeindruckenden Blues-Rocker The Districts, den Briten Jamie T folgen zu lassen, der offenbar nicht nur selbst gerne tanzt, sondern auch das Publikum damit ansteckt, ist eine äußerst gute Idee.

– Eine weitere äußerst gute Idee ist es am Raclette-Stand Kendrick Lamar laufen zu lassen, damit beim Warten auf das empfehlenswert gute Mahl keine Langeweile aufkommt.

– Hagelkörner der Größe, wie sie am Samstag vom Himmel fielen, können getrost als Eiswürfelersatz angesehen werden. Vorausgesetzt sie haben einem nicht Zelt oder Auto zerschlagen.