Vor dem Grindie ist nach dem Grindie – wie ein Trend geht, bevor er überhaupt ankommt


Trotz all seiner Lebenserfahrung ist der Zwitter aus Gitarre und Turntable den Kinderschuhen nie so recht entwachsen: Run DMC & Aerosmith, Clawfinger und Kid Rock waren immer schon eher für die Versoundtrackung headbangender Grillpartys als für aufrüttelnde Botschaften zuständig. Nun allerdings scheint der Ernst Einzug zu halten in den Raprock – und dies ausgerechnet mit einem der dämlichsten Neologismen der letzten Jahre: Grime, der technoide Klagesprechgesang aus dem Osten Londons, plus Indie ist gleich Grindie. Als Pionier der Szene, die den stagnierenden BritHop mit neuen Impulsen versorgt, darf Lethal Bizzle gelten. Nachdem der Rapper mit seiner Posse More Fire Crew bereits die UK-Top-Ten knackte und als Solo-Künstler sogar Ikonen wie Jay-Z Respekt abnötigte, gerät er seit einiger Zeit immer mehr ins Indie-Fahrwasser. Aktuell zieht er im Rahmen der „NME Rock N Roll Riot Tour“ zusammen mit The Wombats und The Enemy durch die britischen Clubs. Zudem stattete er Pete Doherty einen Bühnenbesuch ab und hat beim Cover von The Clashs „Police On My Back“ auf seinem neuem Album Back To Bizznizz Babyshambles dabei. Auf ebenjener Platte sampelt der 23-Jährige übrigens auch „Babylon’s Burning“, einen ’79er Punk-Kracher der Ruts.

Seinen Namen erhielt das Genre bereits im Mai 2006: Lethais Produzent Statik veröffentlichte mit seinem Mixtape grindie, volume 1 das Manifest der Bewegung. Auf 75 Minuten kollidieren Underground-Grimer wie DaVinche und Scorcher mit Franz Ferdinand und Maxi’mo Park. Der erste als solcher identifizierbare Grindie-Song datiert allerdings noch etwas früher: Bereits 2005 bastelten die HipHop-Heads Why Lout? aus Art Bruts „Emily Kane“ den Download-Hit „Stay Off The Kane“. Auch etablierte Größen haben den Trend erkannt: Kano holte sich für sein neues Album London town jedermanns Nachwuchsliebling der Saison, Kate Nash, und Dämon Albaro himself ins Studio. Die naheliegende Annahme, dass sich der kommerziell schwache Grime mit dieser Fusion an die Verkaufszahlen der Gitarrenbands heranpirschen möchte, ist allerdings falsch. „A/ex Turner von den ArcticMonkeys macht doch eigentlich auch Sprechgesang“, behauptet Edward Larrikin, Sänger der Indierocker Larrikin Love. „Der spuckt seine Texte raus wie ein Rapper.“ Die Symbiose wirkt also in beide Richtungen. Zwar spricht viel dafür, dass diese neue Sparte größeres Potenzial als der konzeptionell ähnliche, aber nie über den Status reinen DJ-Spaßes hinausgewachsene sogenannte „Bastard-Pop“ hat. Schließlich etablieren sich bereits Bands, die sich komplett dem Grindie verschrieben haben. Aber deren Vorreiter, Hadouken!, wollen sich auf ihrem kommenden Album schon wieder von ihm verabschieden: „Au/der Platte wird es viel mehr Gesanggeben“, sagt Sänger James Smith. „Wir wollen von diesem Grindie-Sound wieder weg.“ Bahnt sich da womöglich der nächste Innovationssprung an? Wenn ja, bleibt zu hoffen, dass die britischen Kollegen bei der Namensgebung diesmal etwas gnädiger sein mögen.

www.lethalbizzle.co.uk

www.ka-no.com

www.hadouken.co.uk