Wegen Berliner Behörden: Foodsharing-Initiative Fairteiler vor dem Aus


Ausgerechnet die Hauptstadt: Neue Auflagen für die Berliner Foodsharing-Kühlschränke Fairteiler könnten das Ende für die Initiative der ehrenamtlichen Organisation Foodsharing bedeuten.

Berlin hat nach wochenlangen Verhandlungen entschieden: Die Fairteiler – öffentliche Kühlschränke, die zum Foodsharing genutzt werden – dürfen bleiben, müssen aber zukünftig strengere Hygiene-Auflagen erfüllen. Effektiv könnten die massiven Einschränkungen das Ende für die Berliner Fairteiler bedeuten, ein Betreiben der Kühlschränge unmöglich machen.

Fairteiler sind eine vom Verein Foodsharing betriebene Initiative, über die deutschlandweit Menschen unkompliziert Lebensmittel teilen können. Dazu werden öffentlich zugängliche Kühlschränke aufgestellt, in denen nicht mehr benötigte Lebensmittel deponiert werden können. Fairteiler-Kühlschränke finden sich in Hofdurchgängen, Fahrradschuppen oder kleinen Geschäften – überall dort, wo sie jederzeit öffentlich zugänglich sind.

Berlin, genauer gesagt, die „Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz“ ist die einzige Behörde, die gegen die deutschlandweit aufgestellten Fairteiler vorgeht. Die Initiative Foodsharing musste bereits mehrere der öffentlichen Kühlschränke in Berlin schließen, weil ihnen mit bis zu 50.000 Bußgeld gedroht wurde.

Wenn diese Maßnahmen durchgesetzt werden, sind die Dinger tot

Foodsharing-Chef Frank Bowinkelmann zeigte sich über das Vorgehen der Behörden entsetzt: „Wenn diese Maßnahmen durchgesetzt werden, sind die Dinger tot“. Die Argumentation von Seiten der Stadt: Der Betrieb der öffentlichen Kühlschränke sei als Lebensmittelunternehmen anzusehen. Zum Schutz der Verbraucher müssten daher strenge Hygiene-Auflagen erfüllt werden. „Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz steht Initiativen, die die Lebensmittelverschwendung eindämmen wollen, grundsätzlich positiv gegenüber. Dennoch gilt: Geltendes Lebensmittelrecht darf dabei nicht ausgehebelt werden.“

Eine Einschätzung, die von der gemeinnützigen Organisation Foodsharing weder geteilt wird, noch beim Betrieb der Fairteiler bisher beobachtet wurde: „Von gelegentlich nicht mehr ganz knackigen Salatblättern oder aufgerissenen Brottüten, die die Lebensmittelämter in der Presse als Fundstücke aus Fairteilern zur Legitimation ihres Vorgehens präsentierten, ist unseres Wissens jedenfalls noch niemand zu Schaden gekommen“, erklärt Rico Kranz gegenüber ME.URBAN. Er ist selber Foodsharer, war für ein Jahr im Rahmen der Leipziger Fairteiler aktiv und bei den Gesprächen zur Rettung der Berliner Kühlschränke beteiligt.

Fairteiler2_Berlin

Es folgten eine Online-Petition und weitere Verhandlungen. Ende letzter Woche veröffentlichte die Senatverwaltung einen Katalog mit Mindestanforderungen, der einen weiteren Betrieb der öffentlichen Fairteiler zwar ermöglicht, aber stark einschränkt. Sie orientieren sich an Auflagen, die auch eine Tafel erfüllen muss. Darin heißt es unter anderem, dass zukünftig alle Lebensmittelspenden protokolliert werden müssen und nur von verantwortlichen Personen entgegengenommen werden dürfen – Auflagen, die bei den ehrenamtlich betriebenen Fairteilern kaum umzusetzen sind.

In der Praxis heißt das: Sollen die Fairteiler in Berlin auch in Zukunft bleiben, müssten aus ihnen private Kühlschränke werden, um den Behörden-Auflagen an öffentliche Lebensmittelbetriebe zu entgehen. Eine Möglichkeit wäre, die Kühlschränke mit einem Schloss zu sichern und so dem öffentlichen Zugriff zu entziehen – nur widerspräche eine solche Maßnahme dem Prinzip der Fairteiler, die auf Idee basieren, dass über sie Lebensmittel frei und ohne Barrieren geteilt werden können. Auch entfällt beim Foodsharing durch die Fairteiler das öffentliche Anstehen bei Einrichtungen wie einer Tafel und sie werden damit zu einer Alternative für Hilfsbedürftige, die aus Scham solche Angebote meiden.

„Für uns wäre das keine Ideallösung, weil der Zugang dann eingeschränkt wäre ohne dass ein großer Nutzen erkennbar wäre, außer, dass der private Charakter der Fair-Teiler unterstrichen und damit einer bürokratisch-formellen Auslegung Genüge getan wäre“, erklärte Rico Kranz vergangene Woche gegenüber ME.URBAN, als die Auflagen der Stadt noch eine Befürchtung, aber keine Gewissheit waren.

Das Schicksal der Berliner Fairteiler ist ungewiss

Rund 25 Fairteiler finden sich noch in Berlin. Etliche Stationen mussten aufgrund der Bußgelddrohungen bereits schließen – das Schicksal der übrigen ist nun ungewiss. Alternativen wie die Berliner Tafel könne diese Art des Foodsharings aber nicht ersetzen, so Kranz: „Die Fairteiler fungieren als sozialer Begegnungsort, denn sie geben im Unterschied zu den Tafeln allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, Lebensmittel unkompliziert weiterzugeben. Gerade im Bereich kleinerer Mengen, die hier und da anfallen, aber in der Summe eben doch einen großen Teil der Lebensmittelverschwendung ausmachen, sind die Fairteiler als kleine, dezentrale Übergabestationen nützlich.“

Über 20.000 Unterschriften konnte Foodsharing bereits für die Fairteiler sammeln und auch die Foodsharer wissen sich angesichts bereits geschlossener Fairteiler zu helfen, erklärt Kranz: „Seit der Schließung legen einige Menschen die Lebensmittel nun in Pappkartons neben den Kühlschrank. So gesehen ist es in der Realität offenbar gar nicht so einfach, etwas zu verbieten, was viele Menschen gut und sinnvoll finden.“

Sollten sich keine Lösung für das Auflagen-Dilemma finden, droht den Fairteiler-Kühlschränken in Berlin das Aus. Via Online-Petition sammelt Foodsharing weiterhin Unterschriften für den Erhalt der Fairteiler. 

Thomas Porwol