Welt-Schmerz – Wolfgang Welt


War es nun ein zulässiger Leberhaken - oder ging der Schlag unter die Gürtellinie? Was W. Welt im letzten Heft über H. R. Kunze zu Papier brachte ("Null", "Streber", "belesener Rotzlöffel"), löste den sprichwörtlichen Sturm der Empörung aus. Im Folgenden zunächst eine Auswahl der Leserbriefe, dann ein offener Brief von Kunze - und schließlich eine Gegendarstellung des "Sündenbocks" selbst.

Lieber Wolfgang Welt,

aufmerksam las ich im letzten ME Deinen Artikel über Wolfgang Welt – selten gibt sich jemand durch seine Sprache derart schonungslos als Aufsatz-Ayatollah zu erkennen. Sehr gewagt und nicht ohne heiliges Feuer, das muß man schon sagen. Unklar blieb mir allerdings, weshalb sich mein Name mehrfach in den Text verirrte, aber möglicherweise war er als mehr oder weniger mystischer Bestandteil Deiner gedanklichen Komposition notwendig, ich werde da hoffentlich noch tiefer eindringen können. Unerfreulich, ja ungekonnt allerdings einige schlichte Schnitzer, die ich Dir – Du verzeihst mir sicher den alten Oberlehrer! nicht so ohne weiteres durchgehen lassen kann.

Erstens: Weder Proust noch Wallraff sind „Dichter“, wenn dieses Wort in Abgrenzung zum Begriff „Schriftsteller“ noch irgendeine Bedeutung haben soll.

Zweitens: Wenn einer nie auf verklemmte Art und Weise mit Versmaßen herumgebosselt hat, dann war es Heinrich Heine, der das solltest Du eigentlich wissen – zu den größten ironischen Neuerern im Umgang mit tradierten lyrischen Formen gehört. Abgesehen davon . geht der Vergleich mit meiner „Romanze“ völlig nach hinten los, denn sie weist überhaupt kein Versmaß auf; sie ist im sogenannten freien Rhythmus gehalten, wenn Dir das etwas sagt.

Drittens: Bei einer – von Dir falsch zitierten, literaturwissenschaftlich ziemlich unsauber, lieber Wolfgang! – Zeile aus „Für nichts und wieder nichts“ bemängelst Du ausgelutschte Metaphern – das Problem ist nur, daß in der von Dir angepeilten Zeile überhaupt keine Metapher vorkommt! Zur Absicherung im Umgang mit der angemessenen poetologischen Begrifflichkeit empfehle ich Dir dringend die einschlägigen Nachschlagwerke. Und wenn schon Gottfried Benn beschworen wird, wenn Du das Forum einer Musikzeitschrift schon ums Verrecken zum Oberseminar machen willst, dann bitte genauer: Benn war alles andere als ein Metaphern-Verächter, er schwelgte in ihnen!

Nun zum Persönlichen: Ich lasse mich durchaus nicht von der Welt abschotten, wohl aber von Dir, lieber Wolfgang. Erinnerst Du Dich an Dein Interview-Desaster vor einem halben Jahr in Köln? Nachdem Du mir eine Stunde lang Deine privaten Wehwehchen darlegtest, gingst Du, ohne mir eine einzige wirkliche Frage gestellt zu haben. Danach bat ich in der Tat meine Plattenfirma, von Dir Abstand nehmen zu dürfen; man lebt nur einmal, die Zeit ist knapp, ich habe zu arbeiten. Daß Du mich als Person nicht leiden kannst und meine erste LP langweilig findest, ist Dein gutes Recht. Wenn Du aber mithilfe eines vorgeschobenen Rolf Dieter Brinkmann mich gar niederzuknallen gedenkst, mutiert der temperamentvolle Kritiker doch wohl zum Hetzer – ich glaube, das hat nichts mehr mit freier Meinung zu tun. Hüte Dich vor der Sprache des Unmenschen.

Alles Gelungene ist eine Form von Gewalt, lieber Wolfgang, Dein mißlungenes Gesamtkunstwerk aber doch wohl eher ein Fall von Notzucht mit Abwesenden. Aber was soll’s. Einmal ist keinmal, und der ME ist ja auch nicht die Welt.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Rudolf Kunze

Statt einer Antwort auf Deine (ohne Tippfehler) verfaßte Replik eine von mir zwischen zwei Plattenkritiken hingeschluderte Aufzeichnung einer wahren Begebenheit. Wir trafen uns an einem Spätnachmittag in dem Kölner WEA-Büro. Ich hatte morgens von meiner Wittener Wohnung aus mit der von mir geschätzten Barbara Wolf (aus Wanne-Eickel stammend) telephoniert. Erst an jenem Montagmorgen erfuhr ich von meinem Glück, Dich – den ich Ignorant bis dahin nicht mal dem Namen nach kannte – interviewen zu dürfen. Obwohl Du nicht in meinem Terminkalender vorgesehen warst wollte ich Barbara kein Leid antun und machte mich auf den Weg. Beladen mit ca.

500 LPs, die ich noch von einem Gig als dee-jay in meinem uralten Kadett hatte, streifte ich mit 120 Sachen zwischen Herbede und Sprockhövel eine Leitplanke, die die ganze linke Seite meines Karrens eindrückte. So war ich natürlich guter Dinge, als ich Dich, der Du verspätet von einem Radiotermin kamst, begrüßen durfte. Es gut mir im Nachhinein leid, daß ich an jenem Herbsttag vielleicht mal über das Wehwehchen „Tod“ laut nachdachte! Es stimmt aber nicht, daß ich Dir keine Fragen gestellt habe! Habe ich Dich nicht gefragt, ob ich den Kassettenrecorder einschalten durfte? Du lehntest das ab! Habe ich nicht gefragt, wer oder was Du überhaupt bist? Habe ich Dich nicht nach Deinen Eltern gefragt? Fragen über Fragen habe ich Dir gestellt! Habe ich Dich nicht gefragt, ob ich Dir wegen einiger offener Fragen schreiben könnte, als der Mann einer Kölner Stadtzeitung ob des Zeitdrucks auf den Beginn seines Interviews pochte? Tatsächlich schrieb ich Dir zweimal übers Kölner Büro. Eine Antwort erhielt ich leider nicht! Aber davon abgesehen: Ich werde gegen jedermann Gewalt anwenden, der Dir mit einer Pershing oder SS 20 den Mund verbieten will. „Ich vergebe alles, vergesse nichts.“ (Nietzsche). Dein

Wolfgang Welt Hauptstr. 51 4630 Bochum

Bei der Lektüre des Kunze-Artikels von W. Welt ist mir die Spukke weggeblieben. Ich glaube, ich habe noch nie ein gemeineres, unqualifizierteres, hinterhältigeres Machwerk in einer Musikzeitschriit gelesen. Das steigt auf das Niveau von Bild-Zeitung, Nationalzeitung oder Bayernkurier herab, das ist ganz einfach persönlich motivierte Hetze (aus Neid, oder aus was auch immer?), sachlich durch nichts begründet … Gerade Kunze hat so etwas am wenigsten verdient.

Peter Urban, Hamburg

Wirklich herzerfrischend! Nur die Lösung des Kunze-Dilemmas hat uns W.W. unterschlagen: Kunze muß sofort dieses traurige DDR-Heimchen Bettina Wegener ehelichen und mit ihr viele Kinder zeugen, denn dann braucht K. endlich nicht mehr mit sich zu schlafen und beide zusammen können viele, viele „Kleine Hände“ halten und müssen der ohnehin schon geplagten Menschheit nicht länger mit ihrem Seich auf den Geist gehen.

Rolf Lempe, Einbeck

Wolfgang Welt ist kein Journalist sondern ein Tintenpisser!

Elfi Küster, Hamburg

Euer Wolfgang (von?) Welt hat sich ’nen ganz schönen Hammer erlaubt … Er sollte sich erst mal selbst in die Hose greifen, eh‘ er so einen Second Hand-Schmierbericht abgibt Wer in „Romanze“ einen Wixersong sieht ist für mich ein gefühlloses Schwein. Man könnte meinen, es wäre eine Berichterstattung über den Todfeind.

Joachim Gärtner. Ginsheim

Endlich ist da mal jemand, der diese Kotkugel durchschaut und ihn zur Minna macht!

H.J. Bröckermann, Bochum

Daß es dem „erfindungsreichen“ Schreiberling Wolfgang Welt nicht gelungen ist, mit dem Opfer seiner Phantasien selbst zu sprechen, ist bedauerlich – besonders für ihn selbst! Zeigt uns das Ergebnis seiner Nachforschungen doch allzu deutlich, daß er nie die Wahl hatte zwischen Poet und Professor, sondern daß es nur zum bösen Märchenonkel langte!

Monica Wendt, Hamburg

Hat Herr Kunze dem Herrn Welt nicht genügend den Hof gemacht, daß der Journalist“ Welt sich veranlaßt fühlte, eine solche pubertäre, den MENSCHEN Heinz-Rudolf Kunze beleidigende Haßtirade hinzuschmieren?? Das ist einfach ein gemeiner, mieser Stil, Herr Welt!

Carola Schwarz, Hamburg