Yoko Ono: Yoko Ono über Anerkennung


Lange wurde sie geächtet, Als wäre sie für die Trennung der Beatles, das Abtauchen John Lennons und die schrecklichsten Alben der Musikgeschichte verantwortlich. Doch inzwischen gilt die 76-Jährige als Kritikerliebling und Popikone. Gewöhnungsbedürftig findet sie das. Und nett.

Ihr neues Album BETWEEN MY HEAD AND THE SKY wird viel gelobt. Fühlen Sie sich in der ungewohnten Rolle des Kritikerlieblings wohl – oder ist Ihnen das eher suspekt?

(lacht) Das ist wirklich ungewohnt. Ich weiß noch gar nicht, was das alles bedeutet.

Erfüllt es Sie mit Genugtuung? Schließlich wurden sie 40 Jahre lang in Grund und Boden geschrieben.

Letztlich ist es doch so: Ich habe immer mein eigenes Leben geführt, das nichts mit den Kritikern zu tun hatte. Und wenn mir die Attacken etwas ausgemacht hätten, dann wäre ich längst tot. Im geistigen Sinne. Aber ich habe an meine Musik geglaubt und mich sehr intensiv mit ihr befasst. Ich war immer da, ich habe immer gearbeitet und viele Sachen gemacht. Jetzt ein bisschen Anerkennung dafür zu erhalten, ist nett. Ich genieße das durchaus. Ich bin ja auch nur ein Mensch. Selbst wenn da viele anderer Meinung sind. Jetzt genieße ich es, zur Abwechslung mal ein bisschen Zucker in den Hintern geblasen zu bekommen — wie das leder andere auch täte.

Sie sind Kritikern schon zuvor mit Humor begegnet. Etwa indem Sie ein Album YES, I´M A WITCH nannten …

Natürlich! Ich habe die Kritik nie so ernst genommen, dass ich mich deswegen umgebracht hätte.(kichert)Obwohl es nicht immer angenehm war.

Das ist pures Understatement. Sie galten lange als meistgehasste Frau der Musikszene – weil man Sie für so ziemlich alles verantwortlich machte. Das Ende der Fab Four inklusive.

Ich bin froh, dass das vorbei ist. Ganz klar. Aber ich habe das nie richtig an mich herangelassen, weil ich wusste, dass das so nicht stimmt. Und auch weil es egal war, was ich dagegen tue — es konnte sich erst dann ändern, wenn sich die Leute an mich, meine Art und meine Kunst gewöhnten. Was ja schließlich auch passiert ist. Vorher waren da unsichtbare Mauern, die ich nicht überwinden konnte. Deshalb habe ich irgendwann ebenfalls eine Mauer um mich errichtet. Eine, die mindestens genauso dick ist.

Was sich erst mit dem Indierock der späten 90er und der Dance-Musik der jüngsten Vergangenheit geändert hat. Schließlich hatten Sie fünf Nummer-eins-Hits in den US-amerikanischen Dance-Charts und sind u. a. auf der neuen CD von Basement Jaxx vertreten. Was fasziniert Sie an dieser Musik?

Ich würde sagen, das kommt vom ersten Album TWO VIRGINS, das ich „Unfinished Music No. 1“ genannt habe, und auch von LIFE WITH THE LI0NS, das „Unfinished Music No. 2“ hieß. Ich wollte klarstellen, dass meine Musik dazu da ist, von anderen weiterbearbeitet oder vollendet zu werden. Durch deren eigene Kreativität.

Da waren Sie ja extrem optimistisch. Schließlich sollte das erst Jahre später passieren mit Musikern, die von Ihnen beeinflusst sind.

Schon möglich. Aber ich habe immer darauf gehofft, dass es jeder sein könnte. Also ganz normale Menschen, die sich dazu berufen fühlen und es einfach tun. Das ist der Punkt. Und das ist einer der Gründe, warum ich Dance-Musik mag:

Weil sie jeder mit geringem Aufwand produzieren kann. Und weil sie sehr befreiend und gesund ist.

Ziehen Sie etwa noch durch die Clubs?

Nein, aber ich höre die Musik zu Hause. Beim Aufräumen. Und hin und wieder tanze ich sogar dazu.(lacht)

Das heißt: Yoko Ono ist mit sich und der Welt im Reinen?

Na ja, ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich das Gefühl habe, dass ich sehr glücklich und zufrieden mit mir bin. In dem Sinne, dass Worte aus mir hervorsprudeln, die auch von einem Zen-Buddhisten stammen könnten und die etwas sehr Erhabenes und Weises haben. Merkwürdig, aber ich scheine meinen Frieden mit der Welt geschlossen zu haben.

Weil sich die Welt verändert hat oder weil Sie selbst ruhiger geworden sind?

Die Welt hat sich nicht so sehr verändert. Und ich mich eigentlich auch nicht. Es ist nur so, dass wir mittlerweile einen Pakt geschlossen haben. Eine Art Waffenstillstand. Und das ist nett. Ein völlig neues Gefühl. Ich habe ihn unterschrieben, weil ich keinen falschen Stolz mehr habe. Und momentan sind wir als Menschen ohnehin in der Situation, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen müssen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Insofern kommt das zuerst. Und deshalb stelle ich mich und meine Identität erst einmal zurück – quasi in den Dienst der allgemeinen Sache.

Und? Welche Lösung haben Sie für unsere Probleme?

Sie liegt direkt vor uns. Einige Leute erkennen sie, andere nicht: Sie besteht darin, die Schwingungen der Musik und Kunst zu nutzen. Denn die sind sehr stark. Eine davon ist hörbar, die andere visuell. Wobei die visuelle die wichtigere von beiden ist, denn sie beeinflusst die Zukunft, während die hörbare Schwingung eine heilende Kraft hat. Und wenn wir die Welt mit der Schwingung der Musik und der Kunst erreichen und dies ein Planet der Musik und der Kunst wird, sind wir bald alle geheilt. Dann haben wir eine friedliche Welt. Und das wird sehr schnell passieren. Wir werden die wunderbare Schwingung des Friedens zwischen uns allen spüren, die wir weit hinaus ins Universum senden.

Glauben Sie wirklich, dass Musik und Kunst eine solch tragende Rolle übernehmen können?

Das ist eine realistische Vorhersage.

An der Sie sehr aktiv mit mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten: Alben, Bücher, Gedichte, Installationen.

Nun, ich war schon immer sehr aktiv. Ich schätze, dies ist einfach etwas sichtbarer geworden.

Durch das Internet und die Massenmedien?

Nicht nur dadurch. Wobei das Internet natürlich sehr wichtig ist. Aber es liegt daran, dass ich an die unterschiedlichsten Orte reise, mit den Leuten rede und sie berühre. Das ist das Entscheidende.

Und das Reisen wird Ihnen auch mit 76 nicht zu viel?

Ich fühle mich kein bisschen müde, sondern erfreue mich der Tatsache, dass ich noch lebe. Denn ich lerne jeden Tag neue Dinge. Und ich sage mir: Wenn ich vor zehn Jahren gestorben wäre, hätte ich all diese Sachen nie gewusst. Von daher bin ich dankbar, dass ich lebe. Und ich genieße jeden Tag – gerade bei so viel positiver Presse.(kichert).