Antilopen Gang im Interview: „Das Label ‚Links‘ ist schwierig“


Koljah, Panik Panzer und Danger Dan im Interview über Agritprop, Fettes Brot, Ken FM und Politik im Deutschrap.

Die Antilopen Gang, das sind die Kerle, die zuletzt mit „Beate Zschäpe hört U2“ im Herbst 2014 für Aufruhr in der Deutschrapszene sorgten. Kurz davor unterschrieben Koljah, Panik Panzer und Danger Dan beim Toten-Hosen-Label JKP, auf dem im November schließlich ihr Album AVERSION erschien. Für die März-Ausgabe des Musikexpress hat ME-Autor Jan Wehn für eine Geschichte über „Rap von links“ mit ihnen, Zugezogen Maskulin und Neonschwarz gesprochen. Das Interview mit der Antilopen Gang lest Ihr nun hier.

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ME: Was für Rap macht ihr denn nun eigentlich? Zeckenrap laut eigener Aussage ja schon mal nicht. Ist es politischer Rap? Oder linker Rap?

Koljah: Dadurch, dass wir politische Menschen sind und zu manchen Sachen eine Meinung haben, ist es natürlich so, dass das auch manchmal in unsere Texte einfließt. Wir haben keinen Bock uns da zu limitieren oder das als Schublade zu nehmen. Wenn wir ein Liebeslied machen, sind wir auch keine Liebesrapper. Es leuchtet uns nicht ganz ein, warum man, bloß weil man mal ein politisches Lied macht, direkt als Politrapper dasteht. Wir wollen auch keinen Agritprop machen und mit dem Zeigefinger irgendwelche Handlungsanweisungen geben.

Das hat Grim104 von Zugezogen Maskulin auch gesagt. Er sei durchaus ein politischer Mensch, der sich seine Gedanken mache, aber selbst wenn etwas davon in seine Texte einfließt, sei er noch kein politischer Rapper.

Koljah: Da sind wir auf einer Wellenlänge. Wir können ja auch politische Rapper sein und alles politisch lesen. Aber wir nehmen uns nicht vor, politische Musik machen. Wir machen eben Lieder und es kann auch mal passieren, dass man da eine politische Haltung draus liest.

Panik Panzer: Die Leute, die sich selbst als Zeckenrapper bezeichnen, machen das aber so.

Danger Dan: Das glaube ich nicht.

Panik Panzer: Doch. Da wirst du immer Songs finden, bei denen sich jemand gedacht hat: »Jetzt schreibe ich explizit einen politischen Song.«

Danger Dan: Ich würde eher sagen, dass Rapper wie Makss Damage explizit politischen Rap machen und den auch für ihre Propaganda benutzen. Das ist eine Ecke, in der man Rapper findet, die ausschließlich Agritprop machen. Bei TickTickBoom ist das nicht so. Die machen doch auch immer mal einfach nur Liebeslieder oder so.

Koljah: Ich glaube auch, dass diese Leute sich alle etwas lockerer gemacht und neu formiert haben. Als wir vor zehn Jahren auch mehr expliziten Polit-Rap gemacht haben und da auch ein paar dabei waren, die jetzt Teil von TickTickBoom sind, war das alles noch viel platter und schlechter. Das war einfach größtenteils wacker Rap. Mittlerweile haben viele gemerkt, dass man das cooler machen kann und nicht verbissen auf den Politthemen rumhacken muss und total selbstreferentiell in seinem eigenen Kosmos bewegt. Das ist heute alles etwas anhörbarer.

Obwohl eure Sachen von Anfang an schon gut gerappt und gut produziert waren, haben sie trotzdem nicht in der großen Hip-Hop-Szene stattgefunden.

Danger Dan: Das ist für uns sehr ärgerlich. Weil wir uns schon seit Beginn der Antilopen Gang nicht als explizit politische Rap-Crew verstanden haben. Das hört man ja auch: Alben wie »Motto Mobbing« könnten auch von sonst wem kommen. (lacht) Und trotzdem wurde das primär von politischen Leuten oder politischen Medien wahrgenommen. Bevor in der Juice über mich auch nur am Rande geschrieben wurde, gab es einen doppelseitigen Artikel in der Jüdischen Allgemeinen.

Koljah: Das Problem ist ja auch: Wenn man einmal in dieser Schublade steckt, kommt man so einfach nicht mehr wieder da raus. Wir waren davor die Anti Alles Aktion und da war auch ein Rapper mit dem Namen Lea-Won dabei – und wenn der Name fällt, läuten überall die Alarmglocken, was zur Folge hatte, das viele Leute sich das gar nicht mehr angehört haben. 2003 oder 2004 haben wir auch mal Polit-Songs gemacht, die man heute noch auf Demos hört – aber das war es dann auch. 2005 haben wir mit Caught in the Crack angefangen und uns davon abgegrenzt und rückblickend viel zu viel Zeit darauf verschwendet uns abzugrenzen und aus dieser Schublade herauszukommen, obwohl eh nur die politischen Leute aus der Szene das wahrgenommen haben. Das hat sich erst ganz allmählich geändert, obwohl wir schon vor Jahren ganz bewusst aufgehört haben, Polit-Rap zu machen.

Ihr habt euch ja schon zu Beginn kritisch mit dem auseinandergesetzt, was Mainstream-Rap ist. Wolltet ihr denn dann überhaupt dazugehören?

Danger Dan: Es kommt ja auch ein bisschen darauf an, wo man dann dazugehört. Es gibt Battlerap, der mir mega auf den Sack geht und den ich nicht hören kann, weil mir das zu blöd ist. Aber Leute wie zum Beispiel Die Orsons fand ich cool. Genau so wie »Innercity Kinder« von Marcello. Ich hätte damals liebend gerne etwas mit den Funkviertel-Leuten gemacht.

Koljah: Das ist innerhalb der Gang unterschiedlich. Der Panik Panzer und ich oder auch NMZS sind wandelnde Deutschrap-Lexika und hören alles. Ich höre auch Bushido, lieber als Die Orsons. Aber wenn man denkt, dass man guten Rap macht und trotzdem nicht wahrgenommen wird, ist das schon scheiße. Ein Album wie »Motto Mobbing« war straighter Rap mit Synthiebeats, die damals cool waren. Manchmal frage ich mich, ob man sich damals versucht hat, von der politischen Szene abzugrenzen und sich bei der Hip-Hop-Szene anzubiedern. Als die Juice etwas von uns zum Demo des Monats gemacht hat, habe ich mehr sehr gefreut. Es war blöd, immer unter dem Radar zu fliegen, während andere Leute unglaublich bekannt wurden und ich habe immer gedacht, dass jemand mit Rap-Sachverstand unsere Sachen jetzt auch nicht komplett wack finden kann.

Das Album »Aversion« ist jetzt schon ein paar Wochen draußen und ihr seht euch mit einer ganz anderen und auch neuen Aufmerksamkeit seitens der Deutschrap-Szene konfrontiert. Wie ist das denn so?

Panik Panzer: Einerseits ist da mehr Aufmerksamkeit. Aber dadurch gibt es auch eine ganze Menge mehr Ablehnung. Wahrscheinlich auch, weil das Album wieder einen guten Tick politischer geworden ist, als die Sachen davor.

Danger Dan: Ich glaube, dass krasse Realkeeper zum Beispiel unsere Beats zu poppig finden. Die Kritik ist dann eher stilistisch als inhaltlich.

Koljah: Mir ist es mittlerweile auch relativ egal. Ich muss nicht mehr darum kämpfen, von irgendwem Aufmerksamkeit zu haben. Wir haben da jetzt einfach einen Sonderstatus. Ich wollte nie so etwas wie Fettes Brot, sondern einer von den coolen sein. Aber mittlerweile muss man einfach akzeptieren, dass wir nicht so die Standardrapper sind. Und manche finden es eben scheiße und die Rapper, die uns öffentlich Props gegeben haben, waren dann eben MC Fitti und Fettes Brot. Aber es läuft sehr gut und ist auch irgendwie schnuppe.

Ein Zitat von euch, dass ich neulich aufgeschnappt habe lautet: »Links ist zu schwammig, weil da auch viele Dummheiten passieren.«

Danger Dan: Das sagen wir wahrscheinlich alle.

Koljah: Wenn Daniel sagt, dass er linksradikal ist, dann sage ich das immer.

Panik Panzer: Ich glaube, dass ich das gesagt habe. Das Label Links ist schwierig, weil viele Linke untereinander noch mal stark differenzieren, was sie wie meinen. Und ich will mit vielen, die sich als Links bezeichnen, auch nicht unbedingt in einem Topf landen. Die ganzen Ken Jebsens und Montagsdemonstranten würden sich zum Beispiel sicher auch als links bezeichnen, machen aber etwas, womit wir uns nicht identifizieren können. Und so wird immer weiter differenziert. Natürlich liegt man nicht ganz falsch, wenn man mich links einordnet, aber ich laufe auch nicht mit einem Schild rum wo das draufsteht.

Koljah: Ich würde mich am ehesten als Individualist bezeichnen und gar nicht irgendetwas unterordnen.

Danger Dan: Ich behaupte auch weiter, dass ich linksradikal bin.

Koljah: Ich nenne das aufklärungsresistent. (lacht)

Danger Dan: Ich habe meine Jugend in Antifa-Zusammenhängen verbracht und gehe nach wie vor in dieselben Kneipen und kenne die selben Leute. Da gibt es natürlich immer Idioten, aber meine Erfahrung zeigt, dort sind es weniger als in anderen Zusammenhängen.

Ein ausführlicher Text mit dem Titel „Wer wird denn gleich politisch werden?“ über Bands wie Zugezogen Maskulin, Neonschwarz und Antilopen Gang ist in der März-Ausgabe des Musikexpress erschienen.