Bauchlinks ein Stechen


Selbst Jan Delay, geprüfter Linker, sogar spätgeborener RAF Sympathisant, forderte im Herbst eine Radioquote pro deutsches Liedgut. Allenthalben ist zu hören und zu lesen, wie begrüßenswert es sei, daß sich heute so viele deutsche Popmusiker dem „amerikanischen Kulturimperalismus“ entgegenstellen. Links außen läuten ob dieser Entwicklung die Alarmglocken: Pop aus D erscheint nicht nur immer konservativer, heimatverbundener und zugleich zahnloser. Er bedient sich, ohne nachzufragen, bei den Codes und Symbolen der Poplinken. Es ist inzwischen nicht nur schick, sondern auch irgendwie „links“, mit schrägen Akkorden und sexy Beats „frische Spuren in den weißen Strand zu ziehen“ (frei nach Mias umstrittenem Deutschland-Liebeslied „Es ist was es ist“). Authentizität und Ideologien bleiben draußen oder werden absatzfördernd umgedeutet – wenn’s gewünscht ist, eben auch pro-national. Mit I Can’t Relax In Deutschland erscheint jetzt ein Büchlein plus CD mit 20 Künstlern und Bands, „die keinerlei positiven Deutschlandbezug haben und Popkultur nicht als national gewachsenes oder zu konstruierendes Kulturgut begreifen“.- Pappenheimer wie Tocotronic, Sterne, Zitronen, aber auch Mouse On Mars und Lali Puna. Essays u.a. von Martin Büsserund Roger Behrens sollen weit über die Kritik einzelner Phänomene hinausführen. Den Initiatoren geht es um Grundliegendes: Nation, Staat, Kapital wofür stehen diese Begriffe, was macht den Staat als Identifikationsmoment fürwen attraktiv? Das Buch mit ungefährer Zielgruppe „studentische, bauchlinke Fraktion “ (Matthias Mohrens/Cant-Relax-Pressegruppe) fordert die Auseinandersetzung übers Schmökern hinaus. Die Kritik richtet sich dabei auch nur vordergründig gegen das nationale Pop-Bekenntnis. Denn: Tatsächlich spiegle die Popkultur ja nur einen gesellschaftlichen Irrweg (inkl. Relativierung der eigenen Geschichte) wider. Daß sich so ein Projekt allerdings nicht einfach von der Kulturindustrie lossagen kann, die den schwarz-gelb-roten Trend fordert und fördert, ist den Initiatoren bewußt. Deshalb müssen sie ja auch immer weiter diskutieren, erläutern, erklären. Der frische, freche deutsche Pop, der muß das nicht. So ist das nunmal.

www.icantrelaxindeutschland.de