beat-club 1965-1972


In unserem letzten Popularitäts-Poll wurde der "Beat-Club" mit 71,3% zur beliebtesten deutschen Fernsehsendung gewählt. Wir sind deshalb nach Bremen gefahren, haben uns zwei Tage lang im Studio umgesehen und uns mit Michael Leckebusch, dem Regisseur, unterhalten.

Seit wann gibt es den Beat-Club?

Seit 1965.

War der Beat-Club Ihre Idee?

Ja, allerdings war die Grundidee damals, 1963, ganz anders. Die Jugendlichen gingen damals in Diskotheken oder den Hamburger Starclub und ich dachte mir, dass es doch möglich sein müsse, etwas derartiges fürs Fernsehen zu machen. Die Uridee war, mit einem U-Wagen in den Starclub zu gehen, dort einfach mal ein, zwei oder drei Stunden aufzunehmen und das dann zu senden. Aber dann habe ich angefangen, das mal alles durchzurechnen und merkte, dass es billiger würde, wenn ich quasi meinen eigenen Starclub im Studio aufbaute. Und so hat der Beat-Club angefangen. Ich hab das technisch natürlich etwas anders gemacht. Wir hatten dann zwei Bands-Stands, in der Mitte Publikum und an den Seiten Sitztribünen, sodass sich so etwas wie eine Lokalatmosphäre ergab, ohne jedoch kitschig zu wirken. Andererseits bin ich dabei geblieben, die Studioatmosphäre zu bewahren – so konnte man zum Beispiel auch Kameras sehen denn ich fand, dass man im Fernsehen ehrlich sein müsste und ruhig mal zeigen könnte, wie das alles läuft. Nach anderthalb, zwei Jahren sind dann aber auch alle Möglichkeiten, die man da so hat, erschöpft. Hinzu kommt, dass das Publikum in Bremen etwas schwierig ist. Die Leute haben sich so daran gewöhnt, dass hier seit Jahren die grossen Namen auftauchen, dass sie sich eigentlich gar nicht mehr freuen können. Die naive Freude, die man zum Beispiel auf dem Land findet, weil da nie etwas passiert, die findet man hier schon gär nicht mehr, weil die Leute eben schon viel zu blasiert sind. Dazu kommt natürlich noch das Temperament, das hier sowieso etwas zurückhaltend ist. Es ist also nicht einfach, in Bremen eine öffentliche Sendung zu machen. Das mag mit Roy Black anders sein, aber das möchte ich nun wieder nicht. So kam ich also auf die Idee, eine etwas mehr gestaltete Sendung zu machen und das war dann der erste Umschwung im Beatclub. Da wurde allerdings die Kommerzialisierung irgendwann so bewusst, dass ich mir nach wiederum anderthalb Jahren sagte „das kann so nicht weitergehen“ und dann haben wir quasi alles, was wir bisher gemacht hatten, über Bord geworfen. Ich hab dann versucht, einfach mit überlangen Nummern dieses ganze Konsumverhalten etwas zu strapazieren und ich glaube, da bin ich im Laufe der Zeit ein bisschen zu elitär geworden. Man kann die breite Masse mit 22-Minutenlangen Stücken von z.B. Soft Machine nicht fesseln. Das heisst, das mag in einem Konzert vielleicht noch angehen, weil man da von vornherein mit einem Publikum rechnet, das diese Gruppe hören will. Aber im Fernsehen, wo ich ja doch mehr oder weniger ein Zufallspublikum habe, muss ich einfach etwas konsumierbarer arbeiten. Mittlerweile sind wir uns klar über gewisse Dinge in unserer Gesellschaft. Die sind aber nicht durch Axthiebe zu beseitigen, sondern durch langsames Umgewöhnen und Bewusstmachen und das will ich jetzt einfach versuchen.

Wieviel Gruppen haben Sie durch- schnittlich in einer Sendung?

Das kommt darauf an. In der „Popzeit“ hatte ich 14, 16 Gruppen in einem Programm, aber da waren die Stücke auch nur 2, 3 Minuten lang. Dann hatte ich in der „Abgewöhnungszeit“ manchmal nur 3 Gruppen, verteilt über eine Stunde und jetzt ist es so, dass es etwa bei 5, 6 Gruppen in 45 Minuten liegt.

Von welchen Gesichtspunkten gehen Sie bei der Auswahl der Gruppen aus?

Das ist schwierig. Ich würde gerne von Gesichtspunkten ausgehen und eine Sendung machen, die einen Bogen hat, wie ich ihn mir vorstelle. Eine Sendung, die ich unter ein bestimmtes Motto stellen könnte und dann entsprechend alles so engagieren, wie ich das gerne will. Das geht aber nicht, weil dazu das Geld fehlt. So bin ich darauf angewiesen, besonders, was amerikanische Gruppen betrifft, mir das zu holen, was da ist, weil ich z.B. Reisekosten von den Staaten hierher einfach nicht bezahlen könnte. Das heisst, ich muss also warten, bis irgendwelche Gruppen nach Deutschland kommen und dann zwischendurch Zeit haben, nach Bremen zu kommen. Da kommen dann manchmal ganz gute und manchmal recht zufällige Zusammenstellungen bei heraus. Das bedeutet also, dass die Konstruktion einer solchen Sendung im Grunde genommen vom Angebot, von der Marktlage und vom Zufall diktiert wird. Ich glaube jedoch, dass es mir bis jetzt noch immer gelungen ist, das beste daraus zu machen. Die Situation ist halt so und man kann sie nicht ändern, es sei denn, man gäbe mir sehr, sehr viel Geld. Für 600 Mark Gage pro Gruppe kann ich einfach nicht anders, als mich nach denen zu richten.

Sie zahlen den Gruppen 600 Mark?

Ja, und eben die Spesen. Aber Spesen, das heisst Reisekosten, kann ich eben nur maximal von London hierher bezahlen. Amerika wäre unmöglich.

In Ihrem letzten Programm sind Guru Guru aufgetreten. Bringen Sie oft deutsche Gruppen?

Ohja, das mach ich oft. Im letzten Jahr habe ich bestimmt so 10 deutsche Gruppen gebracht. Die Situation hat sich ja grundlegend geändert. Als es noch um die pure Rock und Bluestradition ging, da hatten wir eben keine Tradition hier in Deutschland und da wurde eben nur nachgemacht, was aus dem Ausland kam. Heute ist das anders, weil in der progressiven deutschen Rockmusik auf Elemente zurückgegriffen wird, die hier beheimatet sind. Deshalb sind diese Gruppen originell und vertretbar. Es ist vielleicht noch nicht ganz jedermanns Geschmack, aber ich glaube, dass ich ganz einfach auch darüber berichten muss.

Von den Gruppen, die hier auftreten, hört man nur gutes über den Beat-Club. Man ist allgemein von Ihrer Arbeitsweise begeistert.

Ich versuche, den Druck, dem ich ausgesetzt bin, nicht weiterzugeben. Ich schreie nicht im Studio herum, werde nicht hektisch und so nett und ruhig, wie man mir entgegentritt, so benehme ich mich auch. Es ist ganz selten, dass es hier mal Streit gibt. Wir arbeiten hier nach einer guten Methode: Wir lassen die Künstler zunächst einmal aus sich herauskommen, ohne dass sie von der Technik, vom Licht, von den Kameras oder von mir belästigt werden. Ich würde immer versuchen, den Musikern die Möglichkeiten, die sie für ihre Musik brauchen, zu gewähren. Es gibt bei uns keinen Zwang, die Musiker können z.B. stehen wie und wo sie wollen. Die Kameras folgen ihnen und nicht umgekehrt. Ich habe in anderen Studios gesehen, dass eine Gruppe nur für die Kameras 17 mal das gleiche Stück durchspielen musste. Aber auf diese Weise kann man einfach keine guten Ergebnisse mehr erwarten. Der Witz dabei ist einfach, dass ich versuche, möglichst schnell zu erwischen, was da unten vor sich geht und dann ist es eigentlich schon passiert. Dann geht es verhältnismässig demokratisch zu, dann sieht man sich das eben an und wenn es der Gruppe nicht gefällt, dann macht man es noch einmal. Aber das ist völlig klar. Ich bin nicht der Musiker und der Musiker muss selbst wissen, was er vertreten kann und was nicht. Und wenn er etwas nicht vertreten kann, dann wird es eben noch mal gemacht.

Wird der Beat- Club auch an andere Länder verkauft?

Ja natürlich, der läuft in Thailand, auf Formosa, im Libanon, Elfenbeinküste, Kenia, Argentinien, Marokko, Österreich, Schweiz, Finnland, manchmal Schweden. Ich komme da selbst nicht mehr so genau mit, ich glaube, es sind insgesamt rund 30 Länder. Holland z.B. nimmt den Beat-Club nicht, weil er, so sagte man mir jedenfalls, sowieso in den meisten Gebieten zu empfangen sei und theoretisch von 80 % gesehen werden könnte. Allerdings macht das holländische Fernsehen jetzt einen Riesenzusammenschnitt, zwei Sendungen mit den besten Sachen von uns. So zum Beispiel auch Jimi Hendrix, der bei uns zum ersten Mal überhaupt im Fernsehen aufgetreten ist. Den Hendrix habe ich engagiert, als die Leute noch nicht einmal wussten, dass es den Mann überhaupt gab.

Wann war das?

Das war im Dezember ’66. Ausgestrahlt wurde es im Februar ’67 und da habe ich mir in der deutschen Presse, und zwar von Leuten, die ihn heute als den „Grössten“ feiern, ganz böse Kritiken eingehandelt. Da fragte man mich z.B., ob ich mir den mit einer Banane aus dem Urwald gelockt hätte und was denn solche Schreihälse im Fernsehen zu suchen hätten und so weiter. Heute haben sie das alle vergessen. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich mir vor zwei Jahren noch Briefe eingehandelt habe, in denen man mich fragte, was denn so eine Scheissgruppe wie Deep Purple im Beat-Club zu suchen hätte. Deep Purple waren, was den Kontinent betrifft, bei mir zum ersten Mal überhaupt auf dem Bildschirm zu sehen. Ich glaube, die waren bei mir sogar eher, als im englischen Fernsehen.

Wieviele Zuschauer haben Sie in Deutschland?

Das ist ganz schwer zu schätzen. In Deutschland werden es wahrscheinlich etwa 5 Millionen sein, so jedenfalls lautete das Ergebnis des letzten Infratests. Die letzte Umfrage ergab übrigens, dass 89 % der Befragten die Sendung für sehr gut, gut oder zufriedenstellend befanden und nur 11 % für schlecht oder sehr schlecht. Ein besseres Ergebnis lässt sich wohl kaum erzielen. Ich habe mich selbst gewundert, dass wir im Poll von Musik Express mit 71 % abgeschnitten haben. Aber man muss sich natürlich darüber im klaren sein, dass hier natürlich, genau bei Euren Lesern, ganz offensichtlich das Publikum sitzt. Das sind wahrscheinlich die Leute, die so aufgeklärt sind, dass die Sendungen des Beat-Clubs für sie einen Sinn haben.