Beautiful Byrds


Plötzlich, nach der Ruhe, brach der Sturm aus. Die Gipfel der Bäume im Kralinger Wald in Rotterdam bogen sich unter der Gewalt der Natur. In diesen Abendstunden flatterten die Byrds mit ihrer mitreissenden Musik über das Podium. Das war eine ganz neue Gegenüberstellung mit der bekannten amerikanischen Gruppe. Roger McGuinn ist noch immer die Seele und der Leader der Formation. Seit Oktober 1965 erst gibt es die Byrds in ihrer heutigen Zusammenstellung, die ihnen viele neue Perspektiven l’ir die Zukunft bietet. Der bereits genannte Roger bestimmt den Sound der Gruppe derartig, dass trotz der häufig wechselnden Besetzung musikalisch wenig Veränderung entstand. Mit seiner 12-saitigen Gitarre wurde er zum Symbol intensiv erlebter Musik. Der etwas unwirklich anmutende Klang seiner Stimme gibt dem Byrds-Sound die besondere Note, an der man die Musik der Gruppe sofort erkennen kann. Clarence White (Gitarre) lebte seit Jahren in einer Welt zweitrangiger amerikanischer Künstler. Mit seinem Bruder Roland zog er unter dem Namen ,,The Kentucky Colone!s“ durch Amerika, übrigens mit ziemlich wechselndem Erfolg. McGuinn gefiel das Gitarrespiel von Clarence und nach einer gelungenen Audition durfte er sich dann auch Gitarrist der Byrds nennen. Gene Parson wurde von Roger als Drummer angeheuert. Er weiss aber auch, wie man mit einem Banjo und mit der Gitarre umgeht. Skip Batten (Bassgitarre) ist das neueste Mitglied der Gruppe. Skip. der bei seinen Auftritten meistens einen Hut trägt, hat seine Erfahrungen als Session-Musiker gesammelt, und als Gitarrist diverser unbekannter Gruppen.

Und das sind also die Byrds. Nach monatelangem Üben fand Roger, dass es an der Zeit wäre, dem Publikum die neuen Byrds vorzustellen. Eine Nachfolge von dem. was wir einfachheitshalber mal die alten Byrds nennen wollen. Auch wir hatten die Gelegenheit, die Gruppe mal unter die Lupe zu nehmen. Ihr Auftritt auf dem Holland Pop Festival 70 bekam so viele begeisterte Reaktionen, dass sie beschlossen, noch einige Konzerte zu veranstalten. So hatten die Tausende von Fans, die drei Tage (oder 35 Gulden) wohl doch etwas zuviel des Guten fanden und nicht zum Festival gingen, doch noch die Gelegenheit, die grossartige Musik der Byrds zu geniessen. So sass dann auch die gesamte M.E.-Redaktion ganz fürstlich im Amsterdamer Konzertgebäude und harrte der Dinge, die da zweifellos kommen würden. Wiederum haben uns die Byrds ganz bestimmt nicht enttäuscht. Verschiedene Nummern ihrer letzten LP“.Dr. Byrds And Mr. Hyde“ wurden durch bekannte Kompositionen wie“.Mr. Tambourine Man“.“.Jesus Is Alright“. ,.My Back Paqes“ und so weiter ergänzt. Sehr beeindruckt hat uns Mc-Guin’s Nummer“.My Back Pages“. Der Text dieses Songs bezieht sich auf den Tod von John Fitzgerald Kennedy. Roger schrieb es sozusagen in einer Gemütsbewegung und findet, dass es für eine Veröffentlichung nicht geeignet ist.

Das eigenartige daran ist. dass man ihm das ohne weiteres abnimmt, ohne daran zu zweifeln. Die Byrds machen einen sehr sympathischen Eindruck. Wenn man sich mit ihnen unterhält, hat man nicht, wie bei vielen anderen Gruppen, das Gefühl, dass es sich für sie um ein Klischee-Interview handelt. Zu jeder Zeit sind sie bereit, sich fotografieren zu lassen. Ausserdem liegt ihnen sehr viel daran, die Leute wissen zu lassen, warum sie ausgerechnet Musik machen und sich nicht irgendeinen bürgerlichen Beruf ausgesucht haben. Roger findet, dass er als Musiker eine Art Botschafterfunktion bekleidet. Eine Funktion, die nicht an irgendwelche Landesgrenzen gebunden ist.

Nach vier Konzerten in Holland reisten sie wieder ab. So still wie damals in Rotterdam, wurde es, als ihr Flugzeug in den Wolken verschwand. Roger’s letzte Worte waren:“.Vielleicht auf ein Wiedersehen“.