Boom Tschak: Albert Koch über Raster-Noton und Dasha Rush


Ton und Nichtton: Das erste Album der russischen Produzentin Dasha Rush auf dem Label Raster-Noton.

These 1: Musik ist eine Nebensache. These 2: Zu viele Gedanken über Musik sind ihr nicht dienlich. Antithese: Raster-Noton. Seit 1999 gibt es das Label aus Chemnitz – Eigenschreibweise „raster-noton. archiv für ton und nichtton“. Seitdem arbeiten die Gründer Carsten Nicolai und Olaf Bender mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen der unterschiedlichsten Künstler die Verbindungen von Musik und bildender Kunst heraus. Raster-Noton denkt dabei Musik und deren Präsentation als eine untrennbare Einheit. Die Musik auf dem Label kann ebenso Techno sein wie Avantgarde, ist aber immer experimentell ausgerichtet, minimalistisch arrangiert und elektronisch generiert.

Neuester Labelzugang: Dasha Rush mit ihrem Debütalbum SLEEPSTEP – SONAR POEMS FOR MY SLEEPLESS FRIENDS (Raster-Noton/Rough Trade). Die früheren Arbeiten der russischen Produzentin waren eher Techno-orientiert, aber immer unter der Prämisse, Techno weiterzudenken und an die Grenzen des Experimentellen zu bringen. Dieses erste Album von Dasha Rush musste auf Raster-Noton veröffentlicht werden, weil es wie eine Zusammenfassung der Labelphilosophie wirkt. Rush setzt Ambient-Traditionen in Bezug zu Clicks’n’ Cuts, dubbigen Hallräumen, neuer Musik und Spoken-Word-Beiträgen. Dabei entstehen scheinbare Widersprüche, die doch nur Bestätigung für das Urthema in der elektronischen Musik sind: Mensch und Maschine, Kälte und Wärme, Entfremdung und Nähe. Einerseits gibt es hier eiskalte Abstraktionen nicht perfekter Maschinenmusik („Time Whispers And Albert“), andererseits mitunter traumartige, pastorale Sequenzen („Sail Away To Her“). Und im wunderbar betitelten „Lucy In The Sky, Lost Diamonds“ kommt beides zusammen, die Distanziertheit der Maschinen und der menschliche Makel. Das auf 100 Stück limitierte Doppel-Vinyl von SLEEPSTEP – SONAR POEMS FOR MY SLEEPLESS FRIENDS ist seit dem 8. Mai erhältlich. Es kommt mit der CD, einem Kunstdruck und in einer handgefertigten Hülle.

Diese Kolumne ist in der Juni-Ausgabe des Musikexpress erschienen.