Brood für die Hagen


Darsteller: Nina Hagen: Klein, aber oho, Englisch sprechende deutsche Sängerin, Schauspielerin, religiöse Botschafterin. Ferdinand (offiziell Cosma): Ninas eineinhalbjährige Tochter. Hans Hagen: Ninas zweites Ich, ihre männliche Hälfte, ausgestattet mit Schnurrbart, SS-Kappe und tiefer Stimme. Noddie: Der bekannte Kate Bush- und David Bowie-lmitator und außerdem Ninas holländischer Favorit, eine weiße Ratte läuft gelassen über seine Schulter. Dr. Jan Willem: Sieht aus wie ein weltfremder Student (Mathematik), ein kluger Kopf aus gutem Hause. Kees Taljak: Talentierter Fotograf, unrasiert, scharfer Blick. Julia: Rumänin, Ninas Hofdame. Herman Brood: Nina-Fan und -Kenner, vielseitiges Landet harter Arbeiter. Ort der Handlung: Türkisches Bordell in Amsterdam, türkische Musik und Bedienung. Der Tisch ist gedeckt. ftolog Vor einigen Monaten war Nina in München, um die Promotion-Trommel zu rühren. Zur gleichen Zeit trat ich im „Domizil“ auf, so daß wir gemeinsam einiges unternehmen konnten. Nina ist in Top-Form und außerdem überaus zufrieden mit Tochter Cosma und mit Gott Sie stieg bei Wild Romance ein, dazu Udo Lindenberg am Schlagzeug und Rory Galkgher an der Gitarre (doch leider lag er meistens unterm Tisch). Nina erscheint als SS-Offizier, asiatische Schönheit und Nonne in einer Person. Als Nonne filmt sie gerade für das Österreichische Femsehen, obwohl sie dort zuletzt boykottiert wurde, nachdem sie während einer Dve-Sendung zwischen ihren Beinen herumgefummelt hatte. Nina: .1,2,3, 4, 7, 30! Wer ist der neue Jesus? (Blickt uns närrisch an). Ich weiß es: Nina Hagen!“ (Kichert. Die Mitspieler sitzen mit offenem Mund da). Nina (mit dunkler Männerstimme und Schnauzer): Jetzt bin ich Hans Hagen, mein zweites Ich, weil Nina Interviews haßt. A ußerdem weiß Hans viel mehr von alter und neuer Kunst.“ (Während der folgenden Tage wird Nina diese Schizophrenie konsequent durchalten.) „Es macht mich stark, daß ich gleichzeitig auch ein Mann bin. Mein Pimnael wartet auf mich im Himmel“ (Einige Mitspieler fangen hysterisch an zu lachen). Es sollte nicht die einziqe Überraschung an diesem Abend bleiben … Nina: , Weißt du, wie Buddha in den Himm ei fährt ? Seine Frau , sitzt auf ihm … zack!. .. für immer vereinigt. Was hier klickt, das klickt auch da oben“. Ich glaube, der Doktor traut dem Frieden nicht so recht, aber ich habe nun mal Respekt vor Nina und Dingen, die über meinen Horizont hinausgehen. Ich: “ Werden dir deine Fans folgen?“ Nina: Natüüüüürlich, Herman! Ich will nicht alleine in den Himmel“ Dr. Jan Willem: „Man beschuldigt Sie der Blasphemie!“ Nina: „Dieses Wort habe ich in der Bibel nicht getunden, junger Freund.“ (Stille – während Herman vor lauter Stolz auf dieses kleine Biest vor sich hin kichert. Dr. Jan Willem: “ Wie funktioniert das denn in der Realität?“ Nina (rülpst animalisch): „Mit der Realität der meisten Leute kann ich sowieso nichts anfangen. Meine Realität ist, wenn ich mit einem Taxifahrer über meine Erleuchtungreden kann. Wie du weißt, kam meine Erleuchtungin Gestalt eines UFOs vorbei, als ich im 4. Monat schwanger war. Dr. Jan Willem: „Wie sah denn das UFO aus?“ Nina: .Gelb und rosa und später durchsichtig, und es sagte: ‚Komm wieder ins Bett, Nina, … herrlich diese Energie…!“ Dr. Jan Willem: “ Was sagte der Taxifahrer dazu ?“ Nina (verlegen?) -.“DieseFrage ist ein bißchen zu persönlich, }j }rman … weißt du noch, daß wir mal ‚True Love‘ gemeinsam gesungen haben ?“ Weil ich das Lied kenne, singe ich es kurz an. Nina (enthusiastisch): „Prima, du kennst es noch, obwohl du ein Junkie warst!“ Nina singt jetzt aus voller Kehle die türkische Musik mit. Ich: „Mein Fuß juckt.“ Nina: „Du solltest wie Jesus barfuß laufen!“ Ich: „Nein, nein, ich bin schon klein genug, ich möchte lieber etwas größer wirken.“ Nina: “ Groß bist du innen…!“ Ich: Ja, aber… der erste Ein druck …“ Nina: Für welche Zeitung ist das ?“ Ich: „Mal sehen.“ Nina: „Okay ich erzähl‘ dir was. Als ich damals mit dir befreundet war, habe ich mich auch schon mit Gott beschäftigt, aber dann h abe ich m ein Heil in Drogen gesucht, Heroin, Koks … bin ganz dünn geworden, konnte es nicht mehr ertragen … tick, tack, tick, tack, ging’s in meinem Kopf. Aber dann hob‘ ich viel gebetet, auch für Ferdi (Gitarrenprinz aus Amsterdam, Vater von Cosma?). Er sollte gerettet werden. Als ich erleuchtet wurde, sprach ich mit den Leuten im ‚No Name‘ (In-Lokal in Amsterdam) straight through the wall…, alle Punks wurden erleuchtet. Und die Vöglein sangen: Nina Hagen …“ Dr. Jan Willem: “ Das passiert wohl alles nur in deinem Kopf.“ Nina (unbeeindruckt): „Ich hob‘ mein Ego, das grüne Ekel, gegen die Wand geklatscht und schon war ich erleichtert!“ Dr. Jan Willem: “ Und den Vögelein ging es genauso?“ Ich: „He, Herr Doktor, muß das sein ?“ Nina (Befehlston): „Noddie, komm ‚auf’s Klo, ich brauch ‚Haschisch.“ (Noddie und Nina ab). Epilog Nina verpaßt ihr Flugzeug. Monolog Herman „Ich verlor das Vertrauen zu Gott, als ich ihn gähnend vom Klo kommen sah (Copyright: Lenny Bruce). Das sagte ich schon mal zu Eva, Ninas Mutter, als sie morgens mal wieder viel zu früh an mein Bett kam. Heute weiß sie nicht so recht, was sie von all dem halten soll, was mit Nina passiert; vor allem der Presse traut sie nicht mehr über den Weg. Nina selbst hingegen scheint das überhaupt keine Probleme zu bereiten. Zur Orientierung: Frl. Hagen rückte seinerzeit ins Rampenlicht als originelle Persönlichkeit. Deutschland jubelte. Mit ihrer klassisch geschulten Stimme war sie eine Art Operetten-Punk. Wegen ihrer Technik, ihrem theatralischen Instinkt und ihrer bizarren Ost-West-Geschichte bekam selbst der puritanischste Kunstliebhaber ’ne Latte. Kurz ein Idol für Jedermann. Warum liebe ich diesen Menschen so sehr …? “ Weil sie die intelligenteste, humoristischste, vielseitigste, konseguenteste…“ Dr. Jan Willem: „Halloooo …!!Herman, stay cool!“ In diesem Moment springt Noddy’s weiße Ratte zwischen den Champagner und die türkischen Delikatessen. Herman: „Daß ich das noch erleben darf… Das ist Kunst äla Konstantinopel, turkish delight. Das ist kreative Langeweile, das ist …“ Dr. Jan Willem: „Herman, immer mit der Ruhe…!“ Herman: „Meine Mutti sagte immer: Mt der Ruhe fängt das Sterben an!“ 2. Akt (Nach der Toüettenpause): Nina: „Ach, Scheiße …“ (Sie legt das Baby zwischen Champagner und türkische Delikatessen auf den Tisch und wechselt ihm stolz und routiniert die Windeln). „Wieder eine Wurst weg … (‚Wie ’ne Frau von Welt‘, denke ich). Dr. Jan Willem: “ Wie reagiert deine Umwelt auf dich, Nina?“ Nina: „Ich komm‘ jetzt viel besser mit Eva (Ninas Mutter) aus, und Herman hat schon langeein Verhältnis mit Jesus, aber keiner weiß das. (Flüstert): Er ist nicht dumm.“