Coming Of Age


Als The Coral ihr selbstbetiteltes Debüt veröffentlichten, lag das Durchschnittsalter der Band bei 19 Jahren. Heute, drei Jahre und dreieinhalb Alben später, behauptet Sänger James Skelly bereits, er fühle sich wie ein alter Mann: „Ich werde 25, das muß man sich mal vorstellen“, stöhnt der Methusalem der Band, der sich fürs Interview stilecht in einen Hausmantel mit Paisley-Muster geworfen hat. Ein bißchen rührend ist das schon. Auch Drummer Ian, 22 Jahre alt, entscheidet sich nach kurzer Bedenkzeit für „bald 23“.

Es ist kein Wunder, daß die siebenköpfige Band so mit dem Alter hadert – die Jungs sind es nicht anders gewohnt. Schon zum Debüt wurden sie mit Lobeshymnen à la „Junge Genies“ bedacht, und spätestens mit ihrem zweiten Album Magic & Medicine waren sie in aller Munde. Ihre Musik klingt nach Sechzigern und Siebzigern, ein bißchen nach den Achtzigern, doch niemals nach 1982 geborenen Grünschnäbeln. The Coral waren musikalisch schon zu Beginn ihrer Karriere mindestens volljährig. „Wir mußten uns nicht groß ausprobieren „, sagt James. „Songs zu schreiben fiel uns schon immer leicht. Was die Arbeit an The Invisible Invasion betrifft, merkte man einegewisse Reife wohl vor allem an der Disziplin, die wir während des Aufnahmeprozesses aufbrachten.“

Talent kennt kein Alter. Das galt schon zu Beginn, lange bevor sie überhaupt an den Türstehern der Clubs, in denen sie auftraten, vorbeigekommen wären. „Wir haben erst vor kurzem damit begonnen, Konzerte anzusehen „, lächelt James, „vorher waren wir ja viel zu jung, um hinzugehen. Ich kannte Gigs nur von oben, von der Bühne aus. Irgendwann habe ich ein Super-Furry-Animab-Konzert gesehen und war ganz befremdet. Es war toll, aber irgendwie auch schrecklich ungewohnt, im Publikum zu stehen.“

Ebenso ungewohnt war es, sich plötzlich permanent mit älteren Musikjournalisten zu unterhalten. „Unsere Musik nahm jeder ernst“, zuckt James mit den Schultern, „aber uns persönlich niemand.“ ‚Ian ergänzt: „Wir waren nicht nur sehr jung, wir kamen auch noch aus Hoylake, einem Kaff in der Nähe von Liverpool. Leuten aus Liverpool wird allgemein gerne Dummheit unterstellt. Bei uns kamen auch noch das Alterund der Landei-Faktor dazu. Und wir haben lieber Platten gemacht, anstatt Skandale zu liefern. Wir wollen lieber Musikmachen, bis wir alt sind, anstatt für ein bißchen Aufmerksamkeit als Crack-Junkies in der Gosse zu enden. Da konnten viele Leute nicht mit umgehen.“ Die Band reagierte mit trotziger Ablehnung: „In Deutschland ist mal ein Journalist rausgegangen, weil wir nur Schwachsinn geredet haben“, erzählt James nicht ohne Stolz. „Aber wer sagt denn, dass ‚Melon Phone‘ keine legitime Antwort auf die ohnehin schon blöde Frage nach unserem musikalischen Stil sein kann?“

Werden sie heute mit den Vorurteilen konfrontiert, die sie selbst einst säten, reagieren sie zwar belustigt, sind aber gleichzeitig bemüht, einiges klarzustellen. Sie seien beispielsweise gar nicht homophob, nur weil sie einst irgendwelche Musik mal als schwul bezeichnet haben. Und den ganzen Tag kiffen tun sie auch nicht. Vor London, allgemein vor großen Städten, haben sie ein bißchen Angst. „Ich mag nicht irgendwo wohnen, wo abends Nutten an der Straßenecke stehen“, meint James, und fügt mit verschüchtertem Seitenblick auf neue Vorurteile hinzu: „Nicht, daß ich persönlich was gegen Nutten hätte. Ich mag nur einfach die Natur und kann besser Songs schreiben, wenn ich meine Ruhe habe.“

Die Band wohnt noch immer in Hovlake.“ Dort haben wir unsere Proberäume, dort fühlen wir uns wohl“, sagt James, und Ian präzisiert: „Wenn wir mal wegziehen, dann zusammen. Vielleicht nach Wales, in ein Haus auf dem Land.“ Leider fehle dafür aber noch das Geld. Deshalb wurde für die Arbeit am neuen Album ein Haus in der Nähe des Lake District gemietet. „Um uns herum war nur die Dunkelheit“, flüstert Ian. „Wir waren nahe am Lagerkoller. Und gespukt hat es auch noch. Ich hatte sehr seltsame Träume…“ Fangen sie nun wieder an, Unsinn zu reden? James schüttelt den Kopf: “ Ich bin sicher, daß es dort Geister gab! Die haben sicherlich auch unser Album beeinflußt!“ So gruselig können die Geister nicht gewesen sein, denn von dieser Invisible Invasion läßt man sich gern überrollen. Bleibt nur noch die Frage, was für Platten die Band aufzunehmen gedenkt, wenn sie tatsächlich alt ist. „Cooler als die heutigen Rolling Stones müssen wir schon sein „, seufzt Ian, „aber das ist ja nicht allzu schwierig.“

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