Compact Discs


Das Beste an der CD-Flut ist nicht die angeblich so überlegene Klangqualität (die vielfach gar nicht geboten wird), sondern die Tatsache, daß zum einen vieles, das jahrelang nicht mehr erhältlich war, wieder zugänglich gemacht wird, und zum anderen, daß manche ausgefalleneren Neuheiten, die hierzulande nicht mehr veröffentlicht werden, wenigstens als CD-Importe präsent sind. Ein Streifzug von Franz Schaler Zur erstgenannten Kategorie gehört beispielsweise das von Discobox Kaarst importierte Solo-Debüt von NILS LOFGREN (Rykodisc RCD 10041), das noch bessere Klangqualität bietet als die ansonsten vorzügliche US-Pressung von 1975! Rykodisc hat sich längst mit Veröffentlichungen von JIMI HENDRIX und FRANK ZAPPA als eine der Firmen profiliert, auf deren Qualität man sich verlassen kann. Zu den Novitäten, die bei uns schmählich vernachlässigt werden, zählt u.a. das jüngste T-BONE BURNETT-Album THE TALKING ANIMALS (Columbia CK 40792, über jpc-Mailorder, Osnabrück erhältlich), das die CBS hier nicht für veröffentlichungswürdig befand. Mr. Burnett hat sich ja noch mit jedem Album auf neue Pfade gewagt; TALKING ANIMALS macht keine Ausnahme. Zum nicht gerade marktgängigsten „product“ darf man getrost auch die dBs rechnen, deren jüngstes Album THE SOUND OF MUSIC zwar in der „Village Voice“ und anderen Blättern mit viel Lorbeer dekoriert wurde, bei uns aber nur über den Intercord-Import zu haben ist. Dasselbe gilt für den 1984 erschienenen Vorgänger LIKE THIS (Rhino/Bearsville R2 70891/jpc-Moilorder), das auf CD noch den obligatorischen Bonus-Track enthält. Da ist noch eine dritte Kategorie

von Veröffentlichungen, die man nicht für CD-würdig befindet, weil man sich nicht so recht traut, beispielsweise der famose Erstling der BODEANS LOVE & HOPE & SEX & DREAMS (Slash/ Warner Bros. 925 403-2, über jpc-Mailorder) und das kaum minder empfehlenswerte GLOBE OF FROGS, die bisher letzte Arbeit von ROBYN HITCHCOCK & THE EGYPTIAHS (A & M 5182, L & P-Import Berlin), eine wunderbare Captain Beefheart/John Lennon-Hommage, die es bei uns immerhin als LP gibt. Die Jungs in den A&R-Abteilungen haben offenbar eine Schere im Kopf, wenn es um die Entscheidung geht, ob man solche nicht automatisch hitparadenverdächtigen Produktionen wenigstens in CD-Auflagen von einigen tausend Exemplaren für den europäischen Markt bringt.

Die „grauen“ Importeure freuen sich, wenn sie Ausgefallenes anbieten können. Wie man ohnehin Händler darüber maulen hören kann, daß von zehn angeblich so vielversprechenden Neuveröffentlichungen derzeit acht in jeder Beziehung so überflüssig wie ein Kropf seien. Wer immer nur den ewig gleichen und sattsam bekannten Klangbrei veröffentlicht, anstatt konsequent auch – mal behutsamer und dann wieder nachdrücklicher – Nachwuchspflege zu betreiben, manövriert sich langsam in eine (auch kommerzielle) Sackgasse.

Was andererseits die Importdienste von ARIS und ASD bis TIS nur freut! Denn ein Noch-Geheimtip wie die stimmlich so talentierte MARY COUGHLAN deren CDs TIRED AND EMOTIONAL (Mystery Records MRCD 1) und UNOER THE INFLUENCE (WEA 242 185-2) beide über den TIS geordert werden können, entwickelt sich am Ende womöglich doch unter Kennern zum heimlichen Renner! Miss Coughlan mit ihrer mondän-lasziven und erotisch-elektrisierenden Stimme kann nämlich mindestens so hinreißend singen wie Fräulein Franck von den Rainbirds! Denen hatte schließlich auch niemand im Studio prophezeiht, daß Hunderttausende ihr Debüt lieben würden.

Und wo wir gerade bei der Rubrik „phänomenale Stimmen“ sind: Für den SOUL SHAKE der ANGELA STREHU BAND (Antones/Line ANCD 9.00451 /über ARIS) dürften sich alle näher interessieren, die ansonsten BONNIE RAITT in ihren bluesigeren Momenten so bewundern. Diese Dame ist eine Entdeckung wert!

Kommen wir zum Geschäft: Die letzten offiziellen BEATLES-CDs sind nun (neben mancherlei weiterhin in den Handel fließender Raub-Ware) endlich auch da, und bei den PAST MASTERS VOL. 1 und 2 (Parlophone CDP 790043-2 und 044-2) bewahrheitet sich wieder mal die Regel, daß viel Schatten herrscht, wo viel Licht ist. Zu den lichteren Aspekten dieser Singles-, EP- und Raritäten-Kollektionen gehört die Tatsache, daß Songs wie „I Feel Fine“, „Yes It Is“ oder „The Inner Light“, lange nur von Mono-Bändern überspielt, hier in Original-Stereo zu haben sind; daß im Fall von „From Me To You“ ein bislang unveröffentlichter Mix aus dem Archiv geholt wurde, nämlich mit einem Harmonika-Intro von John Lennon; daß der Tieftonbereich meist besser klingt als auf Analogscheibe vorher. Beim Vergleich mit den auf dem Doppelalbum ROCK & ROLL MUSIC vertretenen Songs (deutsche Electrola-Pressung) entpuppt sich das Gerücht, George Martin habe die seinerzeit neu abgemischt, weil unzufrieden mit den ursprünglichen Mixes, als freie Erfindung. Die komplette Doppel-LP war einfach nur seitenverkehrt bezüglich der Stereokanäle überspielt worden!

Ärgern darf man sich darüber, daß die Songs der dritten und vierten Beatles-Singles nicht von den Stereo-Bändern übernommen wurden, die bei uns für das Album THE BEATLES BEAT benutzt wurden, und über die Tatsache, daß auch die Zweispur-Aufnahmen der beiden deutsch gesungenen Titel „monofonisiert“ wurden. Wer die Stereo-Versionen hören will, muß weiterhin Analogscheiben wie THE BEATLES BEAT, A COLLECTION OF BEATLES OLDIES, BEATLES GREA-TEST oder THE BEATLES/1962 – 1966 auflegen. Daß beim Digital-Transfer Könner an der Arbeit waren, möchte man fast bezweifeln, wenn man auf CD hört, wie „Lady Madonna“ und „The Inner Light“ durch abrupte und dilletantisch gesetzte Schnitte bzw. Blenden beendet werden. Ob man die Beatles-Klassiker je auf technisch optimal überspielten CDs wird kaufen können?

Dieselbe Frage darf man auch bei der jetzt trotz mancherlei Rechtsstreitigkeiten endlich doch erschienenen Anthologie THEM FEATURING VAN MORRISON (London 810 165-2) stellen. Denn das gleichnamige, seinerzeit auf dem amerikanischen Parrot-Label erschienene Doppelalbum bot die wichtigsten THEM-Aufnahmen fast durchweg in besserer Überspielung auf Analogscheibe! Anstelle der dürftigen nunmehr vorliegenden Auswahl von 13 Songs hätte man besser eine HISTORY OF THEM auf Doppel-CD mit 140 Minuten Spielzeit veröffentlicht.

zertmitschnitt THE LAST WALTZ der BAND (Warner Bros. 266 076) bis hin zu FRANK UPPAS HOT RATS (Zappa Records ZAP 2), bei denen ganz sicher nicht tontechnisch geschlampt wurde. JOHN CIPOUINAS RAVEN (Line 842.053/ARIS) oder THE ULTI-MATE DR. JOHN (Warner Special Products 927 612-2/TIS) mögen nichts für auf audiophilen Wohlklang eingeschworene Techno-Freaks sein. Zumindest bieten diese Plättchen aber eine den Vinylscheiben ebenbürtige, gelegentlich auch überlegene Klangtechnik.

Gekürzt wurde für CD das Doppelalbum WAITING FOR COLUMBUS (Warner Bros. 266 075) um die beiden Songs „Don’t Bogart That Joint“ und „An Apolitical Blues“. UTTLE FIAT hatte hier eine der besten Live-Platten aller Zeiten vorgelegt, wohl um dem Bootleg-Spuk mit einem technisch exzellenten Mitschnitt ein Ende zu machen. Die fehlenden beiden Songs findet man dann doch noch: als Bonus-Tracks auf der CD von THE LAST RECORD ALBUM (Warner Bros. 2884-2/jpc-Mailorder-lmport). Womit nun bis auf das Debüt von Little Feat und die nachgelassene Doppel-LP HOY-HOY! das Vermächtnis der Kokain-Cowboys aus L. A. komplett auf Digitalscheiben vorliegt.

Daß das jüngste VKHENT FIM-Mi$-Werk THE BLIND LEADING THE NAKED (Slash/Metronome 828 006-2) doch noch, das Debüt der BODEANS bei derselben deutschen Firma immer noch nicht als CD zu haben ist, muß wohl den Ungereimtheiten der hiesigen Veröffentlichungspolitiker zugeschrieben werden. (Als LP ist der BoDeans-Erstling beim IMS im Vertrieb!) Von den WHO erscheinen fast pausenlos neue CD-Kompilationen wie das Doppel-Set HOOLIGANS (MCAD2-12001/jpc-Import) und WHO’S BETTER WHO’S BEST (Polydor 835 389-2), Originale wie THE WHO SELL OUT oder A QUICK ONE aus unerfindlichen Gründen dagegen nicht. Der US-Import HOOLIGANS ist dabei – wie schon LIVE AT LEEDS oder MEATY BEATY BIG & BOUNCY – von erstaunlich guter Klangqualität.

YARDBMDS-Fans, die bislang die vielen Raub-CDs der Gruppe hoffentlich im Regal stehen ließen und nur bei ROGER THE ENGINEER (Impact/ Line IMCD 9.00137/über ARIS) Zugriffen, werden jetzt optimal bedient. Für die GREATEST HITS VOL. ONE: 1964-1966 rückte Producer Gomelsky die Originalbänder raus: mono und nicht pseudo-stereofonisiert wie vorher auf dem Epic-Label veröffentlicht (Rhino RNCD 75895, verschiedene Importeure). Die von Charly Records lizenzierten Yardbirds waren durchweg von knisternden Antik-Pressungen überspielt worden.

Daß sich diesbezüglich sogar die Original-Lizenzinhaber entblöden, war an dieser Stelle schon mehrfach vermerkt worden. Die von Charly lizenzierte SMALL FACES-Anthologie aus der Serie „The Best of British Rock“ (amerikansiche Pair Records SPCD2-1153) gehört zu dieser unsäglichen Absahne; aber auch das früher mal unter Audiophilen hoch gehandelte Label Vanguard (Werbeslogan: „Recordings For The Connotsseur“) benutzte für den CD-Transfer von BUDOY GUYS A MAN AND THE BLUES (VMD-79272) mehrfach Vinylscheiben.

Erstaunlich ist umgekehrt, daß die vormals durch mancherlei Raub-Ware aufgefallene Firma Castle Communications (in Cube-Lizenz) die beiden PROCUL HARUM-Platten SHINE ON 8RIGHTLY und A SALTY DOG als Doppel-CD für den Preis von einer brachte: in besserem Klang als bei den von der Teldec oder der Nobel-Firma MFSL gebotenen Umschnitten! Da durften die Briten wohl das Original-Master benutzen und keine zweifelhafte Kopie.

Was man sich beim Pilotprojekt Mini-CD im 8-cm-Format unter optimaler Marketing-Strategie vorstellt, wird an GEORGE HARRISONS CD-Maxi von „When We Was Fab“ deutlich. Das werbliche Rezept wird ungefähr so aussehen: Neben dem aktuellen Hit findet man auf der maximal 20 Minuten spielenden CD-Single Remixes desselben Songs, aber auch von älteren Erfoglsnummern, außerdem als Bonus „Outtakes“ aus der letzten LP-Produktion und schließlich gänzlich unveröffentlichte Aufnahmen aus dem Archiv, mit denen man an den Sammler appeliert, der seinen Lieblingsinterpreten komplett auf Platte haben möchte. Ob diese zugegeben clevere Veröffentlichungspolitik der schwindsüchtigen Single generell zur baldigen Genesung verhelfen kann, wird sich zeigen müssen. 1987 erlebte die Industrie bei Singles und jetzt auch Maxis wieder drastische Umsatzrückgänge.

Von den parallel regulär auf CD veröffentlichten Neuheiten sei schließlich noch ein halbes Dutzend Plättchen empfohlen. Wer eine unbezähmbare Vorliebe für Saiten-Virtuosen hegt, dem dürfte bei LEO KOTTKES REGARDS FROM CHUCK PINK (Private Music 2025-2P) und TERRY DOLAN’S ACOUSTIC RANGERS (Line 9.00453/ARIS) das Herz aufgehen. Mit Einheits-Gitarrenrock hat das wahrlich nichts gemeinsam.

Auf anderen Saiten spielt nicht minder virtuos KIITH JARRETT mit GARY PEACOCK und JACK DEJOH-NETfE auf dem 2 CD-Set STILL LIVE (ECM 1360/61), und das beim Münchener Klaviersommer 1986 hervorragend aufgenommen, daß man die CD diesmal vorziehen muß — schon weil sie eine neunminütige Aufnahme von Charlie Parkers „Billie’s Bounce“ mehr enthält als das Vinyl-Pendant.

Was alle TALKING HEADS-Freunde ohne CD Player wiederum bei NAKED grämen wird: Auf der CD (EMI CDP 790156-2) gibt’s einen sehr guten, an frühe Doors angelehnten Song mehr. (Bei TINA TURNERS LIVE IN EUROPE deren gleich vier).

„Meine“ CD-Neuheit des Monats: MKKEY JUPPS X (Line LICD 9.00513/ARIS), ein ironisch abgeklärtes Meisterstück, mit dem der Veteran verschiedentlich („Crazy Cowboy Christmas“, „Nashville“) auch die Gemeinde der John Prine-Verehrer hintersinnig unterhalten dürfte.