Kommentar

Corona und die Popwelt: Fehler im System


Wie das Corona-Virus die Existenzen von Bands und Musiker*innen gefährdet. Ein paar Anmerkungen zur Lage von Albert Koch.

Die nächste Welle zeichnet sich schon ab: Je weiter die COVID-19-Pandemie sich ausbreitet, desto mehr Veröffentlichungstermine von Alben werden verschoben – vor allem von solchen, die auch physisch herauskommen sollen – in der Hoffnung auf Virus-freie Zeiten im Spätsommer oder im Herbst. Das ist durchaus nachvollziehbar. Was jetzt veröffentlicht wird, könnte womöglich einfach verpuffen. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist zurzeit verständlicherweise auf andere Dinge gerichtet, als das erste Album des neuen, heißen Dings aus Südlondon, und die Bereitschaft einen Plattenladen zu besuchen dürfte bei den potenziellen Käufer*innen eher gering sein.

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Falls in diesen Tagen doch ein neues Album veröffentlicht wird, äußern sich manche Künstler*innen oder ihre Pressevertreter*innen dazu schon mal mit einer vorauseilenden Entschuldigung. Es sei schon irgendwie doof, in Zeiten wie diesen auf so etwas Unwichtiges wie eine neue Platte aufmerksam zu machen. Um dann im gleichen Atemzug zu betonen, dass die neue Musik unter Umständen dabei helfen könnte, diese schweren Zeiten zu überstehen.

Die Zeiten sind in mehrfacher Hinsicht schwer – zum Beispiel für die gesamte Musikbranche. Labels ächzen und schauen sorgenvoll in die Zukunft, streichen Interview- und Veröffentlichungstermine. Durch die Absagen von Konzerten und Tourneen bangen nicht nur Bands, Musiker*innen und Veranstalter*innen, sondern ihre meist freiberufliche Peripherie – Stagehands, Merchandise-Verkäufer*innen, Ton- und Lichttechniker*innen – wegen der Einnahmeausfälle um ihre Existenz.

Am Rande des Existenzminimums

Die COVID-19-Pandemie offenbart die Fehler eines Systems, das nur funktioniert, wenn keine Fehler auftreten. Wir meinen nicht nur die Klopapier-Panikkäufe tausender Egoisten, nicht nur die Versäumnisse im Gesundheitssystem, das über Jahrzehnte hinweg totgespart wurde, es betrifft eben auch Kunst, Kultur und Musik. Nicht wenige Musiker*innen leben am Rande des Existenzminimums. Das Corona-Virus macht das jetzt sichtbar für alle.

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