Interview

Daisy Ridley: „Ich bin eine Schande für die gesamte Schauspielerzunft“


Erst lange nachdem sie eine Hauptrolle in „Das Erwachen der Macht“ ergattert hatte, wurde der britischen Schauspielerin Daisy Ridley die Dimension des „Star Wars“-Universums bewusst – von Christian Aust.

J.J.Abrams hat sie zum Megastar gemacht, vor „Das Erwachen der Macht“ kannte niemand Daisy Ridley. Mittlerweile ist sie zum neuen Gesicht der Reihe geworden und nimmt nebenbei Musik mit Barbara Streisand auf. Im Interview erklärt die Britin, wovor Harrison Ford sie vor dem Beginn der Dreharbeiten warnte und wie schlecht es um ihr Filmwissen bestellt ist.

me.MOVIES: Wann haben Sie „Star Wars“ zum ersten Mal wahrgenommen?

Daisy Ridley: Das war irgendwann in meiner Kindheit. Ich habe „Episode III“ im Kino gesehen. Meine Erinnerungen sind allerdings etwas vage, weil ich vor allen Dingen fürchterliche Angst hatte. Ich war einfach viel zu jung und definitiv noch nicht die richtige Zielgruppe, um den Film gut zu finden. Die erste Trilogie habe ich dann später angeschaut. Aber ich hätte nie im Leben erwartet, dass das Publikum diese Filme so unglaublich liebt, wie ich es jetzt realisiere. Selbst als ich für die Rolle vorgesprochen habe, war mir das nicht in vollem Umfang bewusst. Beim Casting dachte ich noch: cooles Projekt, coole Rolle. Eigentlich war mir erst nach Ende der Dreharbeiten klar: Oh Gott, der Film ist den Leuten richtig wichtig.

Wie kam es zu dieser plötzlichen Erkenntnis?

Während der Dreharbeiten war alles so nett, denn wir konnten ja über alles sprechen. Und wir haben einfach versucht, einen guten Film zu machen. Das Gefühl, dass wir es hier mit dem Heiligen Gral zu tun haben, kam gar nicht auf. Auch wenn das einigen Leuten klar war – ich gehörte mit Sicherheit nicht dazu. Als wir fertig gedreht hatten, sah ich plötzlich überall die Zitate und Bezüge. Selbst im Musical „The Book of Mormon“ gibt es einen Song, der „Star Wars“ gewidmet ist. In „Boyhood“ unterhalten sie sich darüber. Sogar in Büchern, die ich gelesen habe, war das Thema plötzlich präsent. Um dann den richtigen Einblick in die Liebe der Fans zu bekommen, waren die sozialen Medien natürlich eine gute Quelle für mich.

Natürlich gibt es Sie jetzt als Spielzeugfigur. Wie war es, die in den Händen zu halten, und was haben Sie damit gemacht?

Ridley gewann zuletzt den MTV Movie Award als Beste Newcomerin.
Ridley gewann zuletzt den MTV Movie Award als Beste Newcomerin.

So richtig angefasst habe ich sie noch gar nicht: Die Figur war Teil eines grandiosen Paketes mit „Star Wars“-Spielzeug, das man mir geschickt hat, und ich habe nichts aus der Verpackung genommen. Meine Schwester hat die Sachen überall aufgestellt. Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen, mich ständig als Plastikfigur zu sehen. Es war dermaßen seltsam. Ich habe dann alles in die Abstellkammer gestellt. Aber ganz ehrlich? Es ist schon ziemlich cool.

Wie haben Sie die Rolle bekommen?

Ich habe sie bekommen, weil ich so cool bin (lacht). Oh Gott, Sie werden das aufschreiben und kein Mensch begreift, dass es ein Witz war. Ich hatte fünf Castings. Das klingt jetzt so einfach, aber glauben Sie mir, in der Garderobe habe ich viele Tränen vergossen. Ernsthaft. So nach dem Motto: Ich will das unbedingt machen, aber ich kann es nicht. Schließlich rief mich J.J. Abrams an, um mir zu sagen, dass ich die Rolle habe.

Was genau hat Sie zum Weinen gebracht?

Das waren eindeutig die Nerven. Beim ersten Vorsprechen war ich so nervös, ich bin mindestens fünfzig Mal zu Toilette gerannt. Beim zweiten Mal musste ich weinen, weil ich dachte, ich hätte es völlig in den Sand gesetzt. Zwischen den Castings lagen ja Wochen und Monate. Und in der Zwischenzeit dachte ich ständig: „Was kann ich nur tun, um ihnen zu zeigen, dass ich die Richtige bin?“ Es war alles unglaublich emotional.

Wo waren Sie gerade, als sie die erlösende Antwort bekamen?

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Ich war im Theater, um mir „Oedipus Rex“ anzusehen. Dort habe ich eine Sprachnachricht von J.J. Abrams bekommen und war völlig aufgelöst. Ich wollte ihn sofort zurück rufen. Aber ich hatte noch nie jemanden in den USA angerufen, also musste ich erst einmal die Vorwahl googeln. Ich erreichte schließlich sein Büro, er war aber nicht da. Also habe ich im Foyer gewartet und dachte nur: Ruf mich bitte zurück! Als es dann soweit war, fragte mich J.J. erst einmal nach meiner Familie. Ich hatte keine Ahnung, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Und endlich rückte er dann mit der Sprache heraus.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe mich so gefreut! Das Problem war nur, dass ich mir anschließend den Rest des Theaterstückes mit einem Freund ansehen musste, dem ich nichts erzählen durfte. Ich durfte ja niemandem etwas erzählen!

Wie fühlt es sich an, wenn man den größten Erfolg seines Lebens mit niemandem teilen darf, der einem wichtig ist?

Es ist sehr seltsam und verrückt. Und gleichzeitig fühlt es sich sehr speziell und magisch an, so ein Geheimnis zu haben. Ich kann es ehrlich gesagt nicht erwarten, endlich den Film zu sehen und dann auch über alle Details zu sprechen, die ich jetzt noch für mich behalten muss.

Sie haben immer dicht gehalten?

Es war wirklich nicht leicht. Ich habe durch das Training richtig an Muskeln zugelegt. Mein Freund fragte mich ständig, woher die Muskeln kommen. Und dann wollte er wissen, warum ich auf einmal keine Zeit mehr hatte, weil ich ja kurz zuvor noch arbeitslos war. Ich hatte eigentlich einen Job in einem Pub, aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr, Biergläser zu schleppen und gönnte mir einen kleinen Urlaub – und plötzlich hatte ich überhaupt keine Zeit mehr. Dann wurde mir ein anderer Schauspiel-Job angeboten, den ich abgelehnt habe. Ich habe mich auf sehr dünnem Eis bewegt …

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Können Sie gut lügen?

Ich kann überhaupt nicht lügen und finde es ganz fürchterlich. Am schlimmsten war es an meinem Geburtstag. Viele meiner Freunde sind Schauspieler, die hart um jeden Job kämpfen müssen – und ich habe plötzlich so eine riesige Chance und muss so tun, als sei alles wie immer. Das war nicht cool. Ich hoffe, man wird mir später verzeihen – denn es es war ja für einen guten Zweck: Ich finde es toll, wenn man zwar mit Erwartungen ins Kino geht, aber keine Ahnung hat, was passiert. Das sind die besten Kino-Erlebnisse. Ich will immer überrascht werden.

Alles was mit „Star Wars“ zu tun hat, ist strengstens geheim. Wussten Sie beim Casting überhaupt, welche Rolle sie spielen?

Ich wusste, dass ich Rey spiele. Aber was das genau bedeutet, war mir erst klar, als ich später das ganze Drehbuch lesen konnte. Ich wusste auch nicht, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis sie zum wem stehen soll. All diese Details, die ja für die Fans unglaublich wichtig sind. Und das lag natürlich daran, dass ich mich im „Star Wars“-Universum nicht so gut auskannte. Im Nachhinein bin ich froh über meine Unwissenheit. Denn so habe ich während der Dreharbeiten keinen Druck verspürt, mit dem ich mich mit mehr Vorwissen garantiert belastet hätte. Ich hätte vielleicht gedacht, ich müsse irgendwie Prinzessin Leia ähnlich sein, weil ich die weibliche Hauptrolle spiele.

Wie war es, berühmte „Star Wars“-Legenden wie Harrison Ford zu treffen?

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Harrison habe ich zum ersten Mal gemeinsam mit J.J. Abrams getroffen – wir sind vor Beginn der Dreharbeiten alle zusammen zum Dinner gegangen, die ganze Crew. Harrison hat mit mir über den Verlust der Anonymität gesprochen, die so eine Rolle mit sich bringt. Das hat mir Angst gemacht. Aber sonst war es natürlich fantastisch – und ein wenig surreal. Als erstes habe ich Harrison erzählt, wie toll meine Mutter ihn findet. Sie ist ein großer Fan. Er hat Grüße ausrichten lassen … (lacht) Wenn ich ein richtiger Fan gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich kein Wort herausbekommen.

Fans lieben „Star Wars“, weil es ein so grandioses Parallel-Universum ist, in dem man aus der Realität verschwinden kann. Was ist Ihre Parallelwelt, wenn sie untertauchen wollen?

Für mich waren es immer Bücher. Von Filmen weiß ich erschütternd wenig. Ich bin eine Schande für die gesamte Schauspielerzunft. Meine Großeltern hatten eine Buchhandlung, und das Haus meiner Eltern ist randvoll mit Büchern. Ich habe alles gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte.

Haben Sie schon das Drehbuch zu „Episode VIII“ gelesen?

Darf ich das erzählen? Ich habe es gelesen, was irgendwie irre ist, weil ich noch nicht einmal „Episode VII“ im Kino gesehen habe. Was soll ich sagen? (flüstert) „Episode VIII“ ist richtig cool …

Das Interview erschien zuerst in der „Star Wars“-Sonderausgabe des me.MOVIES-Magazins

Kevin Winter/Getty Images for MTV