Das Grauen geht weiter


Das war ein verrücktes Jahr? You ain't seen nothing yet. Aber wir: Unsere redaktionseigene Christallkugel liefert schon mal einen kleinen Newsflash aus dem Jahr 1999.

Müller/Westernhagen – Split!

Das Jahr beginnt mit einem Paukenschlag: aus „ökonomischen Gründen“ gibt Marius Müller Westernhagen seinen Split bekannt. Sein Ego, so der Rock-Titan in einer Presseerklärung, sei „mittlerweile groß genug für zwei Karrieren“. Während also im Juni Westernhagen seine „Radio Maria“-Tournee antritt, erscheint im Juli bereits „Ey!“, das erste Album von Müller, mit zünftigem Rhythm’n’Blues im Stile der Rolling Stones.

Manson schockt weiter

Marilyn Manson, Schockrocker™ par excellence, legt seine Finger weiterhin in Wunden, die anderwo gern unter den Tisch gekehrt werden – und ist dabei stets auf der Höhe der Zeit. Seine Glam-Inkarnation haben wir noch vor Augen, da hat Marilyn das 80ies-Revival für sich entdeckt, und bricht mit neuem Look (Foto unten) und neuem Album „Minipli Monzter“ (produziert von Bob Rock) weiter Tabus.

Rammstein saftlos

Eine andere Bastion des Bürgerschreckens gibt sich neuerdings handzahmer: Im Mai veröffentlichen Rammstein mit „Frröhlingserrwachen“ eine Kollektion ihrer Evergreens im Unplugged-Gewand. Bei der dazugehörigen MTV-Show bezaubert Sänger Till Lindemann mit einer dem heimeligen Rahmen angemessenen Teelichter-Jonglage. Etwas ins Straucheln gerät der Abend, als Lindemann unbedacht seinen Strickpulli in Brand steckt und gelöscht werden muß.

Hosen beim Grand Prix

Die neuerdings wieder total lustigen Toten Hosen bewerben sich für den deutschen Beitrag zum Grand Prix d’Eurovision de la Chanson. Dank verstärkter Medienpräsenz von Campino im Vorfeld (allein die Redaktion von „Das Wort zum Sonntag“ verweigert dem 37jährigen einen Auftritt in ihrer Sendung) belegen die Düsseldorfer mit ihrer „Punker-Polka“ bei der Vorausscheidung „Ein Lied für Tel Aviv“ einen respektablen siebten Platz. Das Rennen macht die Gruppe Wind mit dem von Ralph Siegel komponierten „Was sollte denn der Scheiß? Wir haben Euch doch auch lieb!“

Drum & Bass progressiv

Dance-Pionier Goldie treibt seine ambitionierte Vision von Drum & Bass weiter voran: Im August wird sein 6-Stunden-Opus „Bride Of Saturn“ als Drum & Bass-Opera on lee in Zusammenarbeit mit Rick Wakeman Mitgliedern von Genesis, Marillion und 4Hero sowie dem Royal Philharmonie Orchestra in der Wembley Arena aufgeführt. Selbst die Avantgarde der Kritiker zeigt sich erstmals verwirrt.

Wirbel um Stones-Split

Die Rock-Welt hält den Atem an: Im September gibt Bassist Darryl Jones bei einer von ihm einberufenen Pressekonferenz seinen Entschluß bekannt, die Rolling Stones aufzulösen. 37 Jahre im Dienste des Rock ’n‘ Roll seien genug, so der offenbar umnachtete Amerikaner. Kurseinbrüche erschüttern die Börsen in New York, Tokio und Frankfurt, bis Keith Richards‚ Dementi „Die Stones bringen’s mit 100 noch!“ die Lage entspannt.

Comedy in der Krise

Nachdem Michael Mittermeier bereits im März abgemahnt worden war, entzieht der Verband deutscher Humorschaffender (VdH) im Oktober nicht nur dem selbsternannten „TV-Junkie“ wegen chronischer Llnlustigkeit die Lizenz, sondern verfügt die einstweilige Schließung des gesamten „Quatsch Comedy Clubs“. Unter Beobachtung des VdH stehen außerdem die „Comedy Factory“, die „Bullyparade“ und das Team der „Wochenshow“ mit Ausnahme von Anke Engelke. „7 Tage – 7 Köpfe“ ist schon seit Januar abgesetzt. Ein VdH-Sprecher: „Gut, wir Deutsche haben keinen Humor. Aber man kann es auch übertreiben. Dagegen wollen wir vorgehen.“

Horror-Boom hält an

Hollywoods Horror-Welle schwillt weiter: Auf „Ich weiß noch immer, was Du letzten Sommer getan hast“, das Sequel zu „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“, folgt schon bald der dritte Teil „Ich hab vergessen, was Du letzten Sommer getan hast“. Doch bereits Teil vier, „Es ist mir auch egal, was Du letzten Sommer getan hast“ wird von Kritik wie Publikum gleichermaßen verschmäht. Ein verworrener fünfter Aufguß, „Mir ist jetzt wieder eingefallen, was Du letzten Sommer getan hast – ach, war das vorletzten Sommer?“ beendet die Reihe.

Wüste Action aus Hollywood

Nach „Deep Impact und“Armageddon“ im letzten Jahr schickt die Traumfabrik auch dieses Jahr wieder zwei Big-Budget-Katastrophen-Spektakel mit ähnlichem Inhalt ins Rennen um die Zuschauelgunst. Alles zu verschlingen drohende Wanderdünen sollen in diesem Kinosommer Angst und Schrecken in den Cineplexen verbreiten. Während „Armageddon“-Produzent Jerry Bruckheimer bei seinem Projekt auf sein bewährtes Action-Rezept baut und seiner Killer-Düne mit Nicolas Cage einen schlagkräftigen Actionhelden entgegensetzt, der Kansas City vor dem Sand-GALI retten soll, ist Konkurrent Roland Emmerich (Foto) nach den desaströsen Kritiken für „Godzilla“ entschlossen, sich diesmal vornehmlich auf Story und identifikationsfähige Figuren zu konzentrieren. Emmerichs Drängen darauf, bei dieser Produktion auf aufwendige Spezialeffekte weitgehend zu verzichten und die Dünen-Sequenzen in Echtzeit zu drehen, stößt bei seinem Studio auf Unverständnis.

Neue Talente auf der ME-CD

Die ME/Sounds-Leserschaft ist aus dem Häuschen: Die Redaktion hat in ein Vierspur-Gerät investiert und spielt die dem Heft beigelegten CDs von jetzt an selbst ein. Doch während Ernst „Keef“ Hofackers knackiges Rhythm ’n‘ Blues-Gebräu im November-Heft die Freunde handgemachter Musik noch erfreuen konnte, stößt Albert Kochs mundgeblasenes Drum & Bass-Epos in der Dezember-Ausgabe bereits auf baffes Unverständnis. Mit Schrecken erwartet man jetzt das Januar-Heft mit der Weihnachts-CD der ME/Sounds Allstars zugunsten des Verbandes deutscher Rockmusiker.