Der Samstag bei „Rock im Revier“: Champagner-Duschen, kalifornische Sonne und Konfetti-Regen


Samstag, der Tag der Showmänner: Ruben Block, Tobias Jundt, Pelle Almqvist, Brandon Boyd und Matthew Bellamy setzen auf große Gesten und mal mehr, mal weniger Theatralik.

Von einem Tag auf den nächsten reduzierte sich der Altersdurchschnitt bei „Rock im Revier“ um gefühlte 20 Jahre. Erneut eroberten größtenteils Besitzer von Ein-Tages-Tickets die Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Die Bands und Künstler, die noch einen Tag zuvor das Olympia-Gelände in München bei „Rockavaria“ für sich einnahmen, waren nun im Ruhrpott eingetroffen.

Am frühen Nachmittag treten Triggerfinger mit großspurigem, breitbeinigem Rock’n’Roll-Gehabe auf die Bühne – jedoch ohne entsprechende musikalische Umsetzung dieser Thematik. Die Belgier unternehmen jeden Versuch, der „Big Stage“ gerecht zu werden und die spärlich gefüllte Arena zu bespaßen, als wären sie die Headliner des Tages. Von solchem Größenwahn ist die darauf folgende Band weit entfernt. Oder sollte man Tobias Jundt und seine Kolleginnen womöglich als Kunst-Kollektiv bezeichnen? Bonaparte zeichnen sich seit Jahren durch schrammelnden, leicht chaotischen Rock und vor allem durch die Bühnen-Show aus, die meistens Tanzeinlagen, schräge Kostüme und nackte Haut beinhaltet. Auch auf der Hauptbühne des „Rock im Revier“ ist das nicht anders. Während Tobias Jundt Songs wie „Anti, Anti“, „Computer In Love“ oder „Me So Selfie“ kreischend, tanzend oder ins Publikum springend zum Besten gibt, wird er nicht nur von hübschen Damen in hautengen Glitzerkostümen an den Instrumenten begleitet, sondern auch von zwei Tänzerinnen in skurrilen Outfits, die den ersten Reihen auch gerne mal Champagner-Duschen verpassen. Zwar ist das kaum ein Vergleich zu der Zirkus-Show, die Bonaparte noch vor einigen Jahren auf die Bühne legten, doch auch das abgespeckte Programm kann das Publikum möglicherweise verstören, vor allem aber mitreißen.

Schwedische Arroganz, kalifornisches Charisma

Um den roten Faden der „großen Unterhaltung“ durch Show-Einlagen und auffällige Frontmänner beizubehalten, bespielen nach Bonaparte die Schweden von The Hives die Veltins-Arena. In weißen Jacketts und schwarzen Hosen, wie sollte es auch anders sein, geht die Band ihrer Mission nach, den Rock’n’Roll in die Welt hinaus zu tragen. Der optisch kaum gealterte Pelle Almqvist versteht es nach wie vor, das Publikum zu motivieren, ob man nun möchte oder nicht. The Hives wären nicht The Hives, würden sie nicht die Hälfte ihrer Show damit zubringen, das Publikum für sich kreischen und applaudieren zu lassen – zwischendrin stimmen sie dann doch den ein oder anderen Song wie „Main Offender“, „Hate To Say I Told You So“ oder „Tick Tick Boom“ an. Obwohl der Großteil der anwesenden Besucher auf Nachfrage von Pelle zugibt, noch nie bei einem Konzert der Schweden gewesen zu sein, lassen sie sich schnell von dem Sänger belehren, dass der Lärmpegel im Publikum gefälligst anzusteigen habe, sobald The Hives eine Pause einlegen.

Incubus, die eine nahezu makellose Performance mit Kalifornien-Vibe hinlegen und wie gewohnt mit Charisma und vornehmer Zurückhaltung überzeugen, müssen verkraften, dass die Festival-Besucher zur benachbarten „Boom Stage“ abwanderten. Limp Bizkit spielen sich dort gefühlt durch ihren gesamten musikalischen Katalog und lassen die Fans in schierer Begeisterung zurück. Ein kleiner Trost für Brandon Boyd und seine Band, die mit großen bunten Teppichen Wohnzimmer-Flair auf die Bühne brachten: Während des Auftritts kann das Dach der Arena zum ersten Mal an diesem Wochenende geöffnet werden. Der Sänger nimmt es spontan auf seine Kappe, den Sonnenschein nach Gelsenkirchen gebracht zu haben, was er sogleich nutzt, um seinen tätowierten, durchtrainierten Oberkörper zur Schau zu stellen.

Muse: Konfetti und Luftballons für alle!

Ähnlich wie Metallica am Tag zuvor, lassen sich Muse Zeit und betreten die Bühne mit 20-minütiger Verspätung. Nachdem ihre gewohnt bombastische Show mit dem neuen Song „Psycho“ gestartet war, setzt Matt Bellamy sich an den Flügel und lässt bereits mit dem zweiten Song die Fan-Herzen höher schlagen: „New Born“, der das zweite Album ORIGIN OF SYMMETRY von 2001 eröffnet, präsentieren Muse in aller Ausführlichkeit. Mit dem ewigen Klassiker „Plug In Baby“ können die Briten die größte Begeisterung verbuchen. Und als man bereits denkt, die Briten seien über die Jahre hinweg des Theatralischen überdrüssig geworden und konzentrieren sich inzwischen bei Auftritten vorwiegend auf die Musik, kommt während der neuen Single „Mercy“ das, was zu erwarten war: ein Konfetti-Regen. Kurz darauf folgen die obligatorischen Riesen-Luftballons, die das Publikum lang genug beschäftigen, um Muse eine kleine Pause zu gönnen. „Uprising“, „Starlight“ und „Knights Of Cydonia“ sollen an diesem Abend bereits die Zugabe darstellen, denn Muse beenden die Show 15 Minuten vor dem im Zeitplan angekündigten Ende. Dennoch hinterlassen Matt Bellamy, Dominic Howard und Christopher Wolstenholme einen positiven Eindruck und beweisen, dass die Theatralik nun mal zu ihrer Band gehört.