Die Perlen in der Krone


Wie arbeitet's sich mit einem Mann, der scheinbar immer nur an das Eine denkt? Sheila E. (I.) und die beiden Prince-Begleiterinnen Wendy & Lisa geben erstmals Einblick in das abgeschirmte Leben am Hofe.

Oh Sheila! „A Love Bizarre“ bei „Wetten daß?“ und ein scheußlich kalter Nachmittag im Fotostudio. In Neu-Isenburg, 12000 Kilometer und 20° Celsius entfernt von Oakland, California. „Zum Glück hat mir ein kluger Kopf kurz vorm Abflug meinen Pelzmantel in die Hand gedrückt …“

Sheila Escovedo reist mit Garderobiere, Stylist, Management-Betreuerin und Leibwächter John. Letzterer sieht eher nach Juan als John aus: klein, drahtig, schwarzer Schnauzer, fehlt nur das Messer quer im Mund, Der Räuber von Tijuana oder sowas. John arbeitet schon lang genug für den Prince-Clan. um sich einigermaßen ein Bild machen zu können, was von wem zu halten ist. „Prince triffst du ungefähr zwanzigmal, ohne daß er dich überhaupt wahrnimmt“, erzählt er beim Bier in der Kantine. „Erst wenn er dein Gesicht öfter gesehen hat und mitbekommt, daß du wohl irgendwie dazugehörst, spricht er dich vielleicht einmal an. „

So aufgedreht und offenherzig sich sämtliche Minneapolis-Bands um „His Royal Badness“ auf der Bühne und in ihren Texten auch gebärden mögen — hinter den Kulissen sind sie (fast) allesamt eher scheue Zeitgenossen. Schüchtern. Langweilig. Zwei Radio-Interviewer, die Sheila E. zwischen den Foto-Sessions ihr Mikro vor die Nase halten, sind völlig fertig mit den Nerven, als die schöne Percussionistin bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit einem schlichten „ja“ oder einem ebenso sendefähigen „nein“ antwortet. Sie sieht bezaubernd aus im flattrigen, schwarzen Glitzerfummel und redet mit einer Stimme knapp oberhalb der Lautstärke, die das menschliche Ohr gerade noch wahrnehmen kann.

Obwohl im Musikbusiness großgeworden, fühlt sich Miss Escovedo nach wie vor „unwirklich“, wie im Film. „Ich hab‘ mir das nie träumen lassen: Alle, mit denen ich heute arbeite, sind Leute, zu denen ich früher aufgeschaut habe, weil sie in den Charts waren. Lionel Richie, Prince, Michael Jackson … komisch, heute sind das meine Freunde. „

Ihren ersten Auftritt hatte Sheila schon im zarten Alter von fünf Jahren, aber „als ich älter wurde, lief mit Musik erstmal gar nicht so viel. Da stand ich voll auf Sport. “ Auf Fußball zum Beispiel, und für die Sprint-Olympiamannschaft hätte sie sich beinah auch mal qualifiziert. „Das einzige Instrument, das ich sonst noch gelernt habe, ist Geige. Hab‘ ich fünf Jahre lang gespielt.“ Und gar nicht schlecht, wie man hört. Ja, ich habe ein paar Stipendien bekommen, wollte dann aber nicht mehr weitermachen. Wirklich entschieden, was ich machen will, habe ich erst mit 15. „

Während eines Auftritts von Papa Pete Escovedo, einst das Trommelgenie hinter Santana, enterte Sheila einfach die Percussions — und bekam auf Anhieb standing ovations. Und wollte prompt mit auf Tour. Papa war dagegen: „Und die Schule?“ – „— Ist mir egal!“ erinnert sie sich und spielt versonnen mit dem Apfelsaft-Glas.

„Üben Leben hat mir die Schule nichts beigebracht, außerdem hab‘ ich damals schon in Clubs gespielt. Mein Vater hat erstmal nein gesagt, aber zwei Wochen später war ich in seiner Band.“

Dort blieb sie für zwei Alben, knapp vier Jahre lang, und geriet dann über Billy Cobham an George Duke, für den sie etliche Male auf der Bühne und im Studio stand. „Damit war ich als Latin-Jazz Percussionistin anerkannt und wurde auch von Leuten wie Herbie Hancock, Lee Ritenour und einem Haufen anderer geholt. „

Auch Prince kannte sie damals schon. 1983, nachdem sie mit Marvin Gaye (auf dessen letzter Tour) und gleich im Anschluß mit Lionel Richie unterwegs gewesen war, klingelte Seine Purpurne Eminenz bei ihr an, um sie zu bitten, ihn bei „Erotic City“ zu begleiten.

„Er fragte mich dann auch, ob ich es nicht satt hätte, im Schatten anderer zu spielen. — ‚Nein, überhaupt nicht!‘ — Er sagte: Meinst du nicht, du solltest vorne stehen? —- Ich: Nein! Ich war der Ansicht, daß ich den Leuten gar nichts zu bieten hätte. -— Er meinte: Du hast eine Menge zu bieten. -— Was? Wer will schon eine Percussionistin sehen? — Wenn du’s richtig anpacken würdest, würde es auch klappen. Ist ganz einfach. -— Nein, ist es nicht. Es macht mir Angst. — Es ist ganz einfach! Die Leute denken, es sei hart, aber du solltest das Showbusiness nie so ernst nehmen. Das ist einfach fun.

Am nächsten Tag stellte er mich seinem Manager vor, zwei Wochen später habe ich das erste Album aufgenommen, in fünf Tagen, und drei Wochen später war’s draußen, ging ganz schön schnell. „

Starthelfer George Duke tritt derweil auf der Stelle, hat Identitätsprobleme und verheddert sich von Album zu Album weiter in abgenutzten Klangmustern. „Da liegt der Haupt-Unterschied zwischen dem. was Prince und ich machen, und dem, was andere Musiker im Studio machen. Die denken, daß sie einen bestimmten Drum-Sound für alle Songs brauchen, einen bestimmten Vokal-Sound usw. Wenn du einen Song hörst, weißt du, wie die anderen klingen.

Sowas langweilt mich. In jedem Song, den ich mache, klingen die Drums anders, klingt die Stimme anders, wird der Background anders aufgenommen. Prince experimentiert ständig, keine zwei Songs klingen genauso. -— Oh, candies!“ (John serviert stumm einen Querschnitt durchs örtliche Schokoriegel-Angebot.) „Prince ist der einzige Mensch, den ich kenne, der noch mehr arbeitet als ich. Wir arbeiten bis zum Umfallen. Macht viel Spaß.“

Und ist inzwischen auch enorm erfolgreich. Erst recht, wenn Prince And The Revolution mit Sheila E. als Anheizer im Spätsommer tatsächlich für neun Monate auf Weltreise gehen. ‚It might be sure‘, kommentiert Sheila entsprechende Gerüchte. Wie das? Hat der große Meister nicht bis vor kurzem noch verlauten lassen. Konzerte seien für ihn ein für allemal gelaufen? Sheila lächelt: „Er hat doch letzte Woche erst gespielt.“

Hat er. Im Universal Amphitheater von Los Angeles, vor 6200 tobenden Fans. Während es Sheila E. auf der Bühne krachen läßt, steht Prince in einem Durchgang und hört zu. Revolution-Keyboarderin Lisa Coleman und Gitarristin Wendy Melvoin warten in ihrer Garderobe.

Beide sind in Los Angeles geboren und die einzigen Bandmitglieder, die zwischen Minneapolis und Kalifornien hin- und herpendeln. Außerdem sind sie die einzigen Frauen bei Revolution, und die einzigen Gesichter, die als Markenzeichen gelten. Dabei sind Lisa und Wendy keine weiblichen Verzierungen oder tamburinschlagenden Mannequins, die Princes Macho-Auftreten hochkitzeln sollen, sondern zuerst und vor allen Dingen sehr gute Musiker: die einzigen, denen Prince freien Zugang zu den ganz privaten Musik-Gefilden seines Hirns gewährt.

Nein, erklären beide. Prince ist nicht ihr Boß: er ist ihr bester Freund und Kollege. „Wir wollen nicht weggehen und unser eigenes Ding aufziehen“, sagt Lisa leise, „weil das hier unser eigenes Ding ist. Wir fühlen uns nicht als gemietete Musiker, die Befehle empfangen. Er will immer wissen, was wir dazu zu sagen haben.“

Und mehr. Das letzte Album, „PARADE: MUSIC FROM UNDER THE CHERRY MOON“. enthält zwei Songs —- „Sometimes It Snows In April“ und „Mountains“ -— an denen Wendy und Lisa mitgeschrieben haben. Sie haben auch schon angefangen, Songs für Princes dritten Film zu schreiben. Sie wissen zwar noch nicht so recht, wovon er handeln soll, aber Prince hat wissen lassen, daß er seinen Film so hindrehen will, daß er zu ihren Songs paßt.

Zusammen, meint Lisa, macht das Dreier-Gespann unschlagbare Musik. „Tut mir leid“, sagt sie voller Überzeugung, „aber keiner kommt auch nur annähernd an das ran, was bei uns dreien abgeht, wenn wir im Studio spielen. Keiner!“

In den Monaten vor Revolutions Überraschungs-Auftritt in Los Angeles hat sich im Purple Clan einiges getan. Zum Mittagessen vor der Show haben Lisa und Wendy den Musso & Frank Grill ausgesucht, einen Hollywood angemessenen Ort, um sich zu unterhalten. Während Möchtegern-und echte Filmagenten und -produzenten nebenan ihren Lunch trinken, bestellen die zwei Salate und grübeln über das, was so passiert ist.

The Family, eine Band, bei deren erstem Album Prince Pate stand, hat sich nach dem Ausstieg von Sänger Paul Peterson gerade aufgelöst. Zu den Übriggebliebenen gehört Susannah Melvoin, die andere Ex-Sängerin von The Family, außerdem Princes momentane Angebetete (allerdings, entgegen anderslautenden Gerüchten, nicht seine Verlobte) und Wendys identische Zwillingsschwester.

Dann ist da PARADE, die neue Platte von Revolution, und UNDER THE CHERRY MOON, Princes neuer Film, der in ein paar Monaten anlaufen soll. Laut Lisa handelt es sich um eine „boy-meets-girl Liebesgeschichte, eine Art Pygmalion verkehrtrum. Statt aus einer Pennerin eine High Society-Dame zu machen, geht’s um einen Mann, der versucht, eine High Society-Dame runterzubringen. „

Auf den ersten Blick sind die beiden Frauen ihren Bühnen-Persönlichkeiten ausnehmend ähnlich. Wendy, vorn und hinten extrovertiert, würzt alles, was gesagt wird, mit einem zündenden Spruch oder komischen Dialekt. Lisa zögert länger, redet langsam und bringt nachdenkliche Fußnoten oder perfekt getimte, kleine Sticheleien, womit sich die beiden unterschiedlichen Erzählweisen zu einem elektrischen Rhythmus ergänzen.

Daß sie so reden wie sie spielen, ist absolut typisch für die Psychologie einer Rock-Band, findet Wendy. „Es gibt wirklich verschiedene Grund-Einstellungen für die verschiedenen Positionen in einer Bund“, erklärt sie. „Wenn Keyboardspieler bei einer Band einsteigen, wissen sie, daß sie im zweiten Glied spielen werden. Und Gitarristen wissen, daß sie vorn stehen werden. Also entwickeln sie diese Gitarristen-Haltung. Wenn du da oben stehst, dann weißt du, daß du bloß auf dein Instrument starren und so tun kannst, als seist du gar nicht du.“

Lange Pause. Lisa denkt nach, nimmt einen Zug von ihrer Zigarette … „Mir gefällt es im zweiten Glied. Ich fühle mich da wohl. Ich nenn‘ das mein Apartment. „

Lisa macht es nichts aus, daß „Lisa und Wendy“ in den Augen des Publikums eine Einheit sind. Sie lacht schüchtern — wie meistens -— als sie sich an einen Solo-Einkaufsbummel erinnert, den sie diese Woche unternahm. „Ich war auf dem Markt“, erzählt sie, „als diese beiden kleinen Mädchen vorbeikamen, total aufgestylt. Sie gingen an mir vorbei, drehten sich um und schrien ,Da sind Lisa und Wendy! Da sind Lisa und Wendy!‘ Ich mußte stehenbleiben und erstmal nachzählen, wie viele von mir da waren. Mal sehen. Eine.“

Ebenso wie Prince sind Wendy und Lisa in Familien aufgewachsen, deren Väter Profi-Musiker waren, die sich irgendwann von ihren Frauen scheiden ließen. Jazz-Keyboarder Mike Melvoin und Percussionist Gary Coleman sind erfahrene Studiomusiker und beste Freunde. Sie spielten unter anderem auf Barbara Streisands „Evergreen“ und Frank Sinatras „That’s Life“, sind zusammen auf „Good Vibrations“ von den Beach Boys und mehreren frühen Jackson 5-Alben zu hören: sie waren auch diejenigen, die die Instrumente für die halbe Partridge Family spielten.

„Unsere Eltern waren erst totale Beatniks, dann Hippies, und wir wurden selbst I2jährie Hippies“, erzählt Wendv, heute 22.

„Sie machten immer Witze, daß wir, um uns gegen sie aufzulehnen, stramme Republikaner werden müßten“, fügt Lisa (25) hinzu. „Aber wir haben einfach ihr Leben genommen und sind noch einen Schritt weiter gegangen.“

Die beiden sind sich einig, daß ihnen die Tatsache, daß sie ins Rockbusiness hineingeboren wurden, sehr dabei geholfen hat, den Durchblick zu behalten. „Im Musikgeschäft geht’s so sehr ums Ego, besonders wenn du ganz am Anfang stehst. Die Leute, die in dem Umfeld großgeworden sind, können lockerer damit umgehen. „

Und der ungeheure Erfolg, meint Wendy, hat sie kein bißchen verändert. ,Ich denke nie darüber nach. Ich habe ein paar Freunde und ein paar Sachen, die ich gerne mache. Ich gehe nie aus. Lieber geh‘ ich gleich nach Hause und spiele Gitarre. Manchmal kann ich gar nicht glauben, wie langweilig ich auf Freunde wirken muß. „

“ Eine Menge Leute haben eine echt schillernde Vorstellung davon, was es heißt, ein Musiker zu sein“, ergänzt Lisa. „Manchmal stimmt das, aber was ich schon als Kind gelernt habe, ist, daß dahinter immer eine ganze Menge Arbeit stecken muß. Du mußt üben, du mußt es draufhaben, du mußt deine Musik perfekt beherrschen.“ Manchmal kommt’s ihr, daß sie LISA ist -— aber nie in der Öffentlichkeit. Allein, zu Hause, denkt sie gelegentlich darüber nach. Und geht dann meist ins Bett.

Lisa hat schon früh angefangen, klassisches Klavier zu lernen. Drei Jahre älter als Wendy und Susannah Melvoin, kann sie sich noch an die Zwillinge erinnern, „als sie aussahen wie gerupfte Hühner in Windeln“.

Zum sechsten Geburtstag kriegte Wendy ihre erste Gitarre. Susannah bekam Ballettschuhe. Lisa und Wendy übten im stillen Kämmerlein. Wendv:

„Heute kommen immer noch Leute, mit denen ich auf die Grundschule in England gegangen bin, und sagen ,lch wußte nichtmal, daß du Gitarre spielen konntest‘. Das Instrument war sowas Persönliches für mich, daß ich es mit niemandem teilen wollte.“

Lisa litt in Hollywood unter ähnlichen Highschool-Ängsten. Einmal brauchte die Schauspiel-Gruppe ihrer Schule einen Pianisten zur Begleitung einer Tanz-Übung. Lisa wurde aus der Klasse geholt, auf eine Klavierbank gesetzt und sollte „Mr. Bojangles“ spielen.

Lisa schüttelt sich bei der Erinnerung: „Ich weiß nicht, wie das passiert ist, aber ich saß vor dem Klavier und konnte nicht spielen. Ich mein‘, ich konnte spielen, aber ich habe so getan, als könnte ich nicht. Ich war den ganzen Tag echt niedergeschlagen, bin dann nach Hause gegangen und hab‘ mich an mein Klavier gesetzt. You know, that night I played the shit out of.Mr. Boiangles‘.“

Nach dem Abitur schrieb sie sich am Los Angeles Community College für Englisch ein, kassierte einen Durchschnitt von vierkommanull, „las alles von Vonnegut bis Hayakawa“ und ließ es wieder bleiben.

Lisa arbeitete dann kurz bei einer Dokumentarfilm-Firma in Los Angeles, bis iy79 ein Freund, der für Princes Management-Unternehmen in L.A. arbeitete, hörte, daß seine königliche Hoheit einen Keyboarder suchte. Lisa nahm ein Band auf, schickte es ein und wurde prompt zum Vorspiel nach Minneapolis zitiert.

„Als ich bei Prince ankam“, erinnert sich Lisa, schickte er mich nach unten und sagte, er würde sich erst noch umziehen. Unten stand ein Klavier — und ich fing einfach an zu spielen, versuchte mich zu entspannen. Ich hatte das Gefühl, daß er oben auf der Treppe heimlich horchte, also holte ich meinen besten Mozart raus. Schließlich kam er runter, schnappte sich seine Gitarre und wir fingen an zu jammen. Vom ersten Akkord an ging’s gut ab.“ Sie wurde auf der Stelle angeheuert und zog nach Minneapolis.

Wendy quälte sich inzwischen durch die Highschool in North Conway. New Hampshire, wo ihre geschiedene Mutter lebte. Sie war aern auf dem Land, fühlte sich allerdings von der Außenwelt abgeschnitten. „Keiner verstand, was mir gefiel -— und keiner wußte, daß ich Gitarre spielte.“

Wendy machte ihr Abitur, fuhr zurück nach L.A., spielte Kellnerin und Sekretärin, während sie sich überlegte, auf welches Musik-College sie gehen sollte. 1983 besuchte sie Lisa in New York. Die Band war auf der 1999-Tour — und Wcndy kroch für ein paar Tage im Hotelzimmer ihrer Freundin unter.

Unten in der Halle hörte Prince jemanden Gitarre spielen. Er klopfte an Lisas Tür und fand eine übende Wendy. Er bat sie. mehr zu spielen: später lud er sie ein, bei einem Soundcheck einzuspringen, den Gitarrist Dez Dickerson verpaßt hatte. Kurz darauf stieg Dickerson aus. um seine eigene Band zu gründen -— und Wendy war mit von der Partie.

Wie fühlt man sich als einzige Frauen in einer 12-Mann-Band? „Ein bißchen verrückt“, meint Lisa, „aber nicht wirklich. Ganz am Anfang hat‘ ich mich damit getröstet, daß da noch ein paar andere und derartig unterschiedliche Leute waren, daß sie bloß hier reinpaßten. Das ist es — es sind alles neue Jungs, und wir passen alle gut zusammen. „

Was ist mit den betont sexuellen Inhalten der Prince-Texte? „Wie in „Head“?“

Wendy lacht: „Die Leute machen ’s. Sowas gibt’s.“

„Für gute Musik machen wir alles“, ergänzt Lisa.

Und wie sieht es mit dem Liebesleben aus? „Ich laß‘ mein Privatleben lieber privat“, meint Lisa indigniert.

„Ich liebe Bugs Bunny“, gesteht Wendy, immer einen Spruch voraus.

„Wenn er lebendig wäre, würde ich ihn sofort heiraten. Er ist einfach so sehr Hollywood. „

Der Großteil von Hollywood schlürft im Musso & Frank’s immer noch seinen Lunch, aber Wendy schaut auf die Uhr und stellt fest, daß es Zeit für den Soundcheck ist. Die Rechnung ist bezahlt — und alles krabbelt wieder in Wendys gemieteten BMW, um zum Universal Amphitheatre zu fahren.

Während sie auf ihren nachmittäglichen Bühnen-Einsatz warten, relaxen Wendy und Lisa in ihrer Garderobe. Auf der Couch liegt ein Taschenbuch mit schwierigen Kreuzworträtseln. Wendy amüsiert sich über ein Stück Plastik, das aussieht wie eine Platin-Karte vom American Express. Sie schüttelt den Kopf und zeigt auf die Worte HARD ROCK CAFE: als Besitzer steht unten links auf der Karte WENDY, einfach nur WENDY. „Das hab‘ ich gerade geschickt bekommen, unaufgefordert, per Post“, erzählt sie. „Die Karte erlaubt mir, mich in der Schlange vorm Hard Rock Cafe einfach vorzudrängeln. Kannst du dir die Sorte Leute vorstellen, die sowas benutzen ?“

Wendy legt die Karte weg und zündet ein Räucherstäbchen an, um den Schweißgeruch aus dem Raum zu treiben. Lisa zündet sich eine Zigarette an. Auf dem Tisch steht ein Korb mit seltsam gefärbten und geformten Keksen, die ein Fan gebacken hat. „Gebt Prince auch ein paar“, steht auf dem Zettel, der bei dem fragwürdigen Gebäck lag. „bitte.“

Ein Helfer kommt rein: „Prince will euch auf der Bühne, so schnell wie möglich. “ Die beiden gehen runter, stöpseln sich ein und gehen in Position — Lisa hinten in ihrem dunklen Apartment, mit dem Anflug eines Lächelns und leicht schiefgestelltem Kopf; Wendy vorn, breit grinsend, neben Prince im hell erleuchteten, leeren Auditorium.

Die Zeiten sind vorbei, als der große Meister seine Freunde durch nachmittagelange Soundcheck-Jams scheuchte, die genauso lange dauern konnten wie das abendliche Konzert. Wie aus dem Ei gepellt, im glänzenden, schwarzen Anzug und weißen Rüschenhemd, steht Prince vor der Band und ordert einen Song. The Revolution schlagen los.

„Okay“, meint Prince, „hier kommt Sheila rein. “ Schnitt. „Ist Sheila schon da?“ fragt er. Im selben Moment tritt Sheila E. durch den linken Bühneneingang, mit Sonnenbrille und Trenchcoat. Sie und Prince knuddeln sich einen Augenblick, dann bellt der Maestro: „Controversy! Fertig!“ Die Band donnert wieder los. „Na, kommt, bleibt im Takt“, meint Prince. „Ich höre.“

Nach ein paar Takten ist alles perfekt, und die Band macht mit dem Song weiter. Dann will Prince: „Das Ende von ,A Love Bizarre‘. Na los.“

Er springt von der Bühne, rennt einen Gang hoch, hört gleichzeitig auf den Sound und übt einen Lauf durchs Publikum, den er heute abend bringen will. „Können wir irgendwas mit den Tiefen machen?“ fragt er. „Laßt mich mal den Baß hören.“ Damit stimmt alles, und weiter geht’s mit ‚Kiss‘. Prince macht eine Pause.“.Ich glaube, Finger-Becken wären besser. Also, wenn wir morgen Videos aufnehmen werden wir uns Zeit nehmen, damit jeder die Chance hat, dabei zu sein.“ Sagt’s und geht von der Bühne. Wendy nimmt die Gitarre ab, Lisa stellt die Keyboards aus, sie gehen hoch zum Abendbrot.

Wendy sucht nach einem Ausdruck, um ihre und Lisas Beziehung zu Prince zu beschreiben. Sie sind weder seine Spielzeuge noch seine Günstlinge -— er ist weder ihr Boß noch ihr Meister. Zusammen bilden sie eine musikalische Einheit, die aus Talent und (wie sie sagen) tiefverwurzelter Liebe neue Formen gemischt-rassigen Funk-Rocks ausgebrütet hat.

„Wir sagen Prince die ganze Zeil, daß wir ihn lieben“, erklart Wendy. „Er wird immer ganz verlegen und weiß nicht, was er sagen soll. Wir sagen ihm, er soll uns halt dasselbe sagen, und er meint dann: ,Uh, okay, ich liebe euch auch.‘ Es isi vielleicht albern, daß wir da alle so emotional sind und uns gegenseitig Streicheleinheiien geben, aber das hat seine Bedeutung. Nicht, daß der Rest der Band Prince nicht versteht — das tun sie. Wir sind ihm halt ein bißchen näher. „

Die drei haben ihre Geheimsprache, fügt Lisa hinzu. „Wenn Prince beim Üben einen Witz macht“, erklärt sie, „dann weiß er genau, wer ihn verstehen wird und von wo die Lacher kommen.“

Pnnce taucht derweil im Publikum unter, um Sheila zuzuschauen, wie sie sich durch ihre Nummern kämpft. Da draußen wackeln die Wände, die Menge wogt, alle Augen sind auf Sheila und ihre Neon-Drumsticks gerichtet. Keiner kümmert sich um den propperen Typ im hübschen, schwarzen Anzug, mitten unter ihnen. Während Prince die Lage vom Zuschauerraum aus sondiert, machen sich oben in ihren beiden Garderoben The Revolution fertig.

Bei den Männern sieht man bekannte und neue Gesichter. Prince hat in den letzten Monaten sechs neue Leute in die Band genommen: Eric Leeds am Sax, Matt Blistan an der Trompete, Gitarrist Mico Weaver und drei Jungs, die Prince zur Seite stehen, wie die Pips bei Gladys Knight. Es handelt sich um Greg Brooks, Wally Safford und Jerome Benton — Morris Days köstlichen Butler und Spiegel-Halter aus PURP-LE RAIN und das einzige Revolution-Mitglied, das in UNDER THE CHERRY MOON auftritt. „Wir haben jetzt einen viel fetteren Sound“, erklärt Lisa. „Und wir sind wesentlich Funk-orientiener, soviel ist mal sicher. „

Während sich die Jungs ferligmachen. ziehen Dope-Schwaden durch die Eingangshallen. „Weißt du, wieviel Arger wir kriegen würden, wenn wir das täten ?“ lacht ein neues Mitglied der gottesfurchtigen, drogenfreien Revolution.

Auf dem Weg zur anderen Seite der Halle erklärt Wendy die pharmazeutischen Gepflogenheiten der Band.“.Bei uns hat absolut niemand was mit Drogen zu tun. Da sind wir echt militant. Zum Glück sind zufällig alle in der Band derselben Ansicht. „

„Diese Band wird lange leben, weil wir alle lange leben werden“, ergänz! Lisa leise. „Die Schlagzeile KEYBOARDER NACH DROGENÜBERDOSIS TOT AUFGEFUNDEN finde ich langweilig und pathetisch. „

Sheila kommt auf der Bühne langsam zum Schluß und peitscht die Leute mit der ersten Zugabe aus den Sitzen. Noch eine Zugabe für Sheila. Und noch eine. Der Vorhang fällt wieder — und die Menge sieht die Schatten umherhuschender Füße.

Der Vorhang geht hoch, die Revolution bricht los. Ungläubiges Geschrei. Prince lächelt, neben ihm lächelt Wendy. und i/i ihrem Apartment legt Lisa den Kopf auf die Seite. Dann löst sich die Spannung, und sie lächelt auch. Der erste Akkord ist A, und die nicht enden wollenden Schreie lassen keinen Zweifel daran, daß der wahre König, seine Königinnen und der purpurne Hofstaat endlich wieder da sind.