Dieter Thomas Heck über Kunze, Quoten und das Schlagerrevival


München-Schwabing, Restaurant ‚Käfer’s am Hofgarten‘: Teure Menschen im noch teureren Zwirn langweilen sich gegenseitig an. Ein schwarzer Sklave meuchelt am Keyboard George Gershwins ‚Summertime‘. Erst als ein ergrauter Endfünfziger die noble Hütte betritt, heben sich kurzeitig die Augenbrauen: Dieter Thomas Heck kommt zur Tür herein —- bereit für das ME/Sounds-Interview.

Herr Heck, was halten Sie von dem Schlagerrevival, wie es von Leuten wie Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn repräsentiert wird?

Es ist ein großes Kompliment für mich. Ich habe mit der ‚Hitparade‘ eine Sendung gemacht, die unglaublich erfolgreich war. Sie war Pflichtprogramm für die deutschen Zuschauer. Die ‚Hitparade‘ ist ein Stück Kulturgut. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür geben: Den Rainer Werner Faßbinder, der nun wirklich ein großer Regisseur war, habe ich einmal in Berlin im Hotel ‚Schweizerhof‘ am Zeitungsstand getroffen. Ich stehe neben ihm, und er guckt mich an und sagt: „Das gibt’s ja nicht, Dieter Thomas Heck!“ Und ich sage: „Rainer Werner Faßbinder, daß Sie mich kennen…?“ Und er sagt: „Diese Frage ist sehr dumm.“ Ich frage: „Was soll daran dumm sein?“ Faßbinder sagt: „Ich verlange von meinen Schauspielern, daß Sie ihre Sendung ansehen. Sie ist so professionell und perfekt gemacht, das ist einfach toll.“

Junge Menschen hören heute wieder Marianne Rosenberg und Jürgen Drews. Glauben Sie nicht, da8 damit der Schlager durch den Kakao gezogen wird?

Warum diese Leute Schlager hören, ist doch nicht der entscheidende Punkt, es ist doch wichtig, daß überhaupt wieder Schlager gehört werden. Auch wenn die Hörer es nicht so ganz ernst nehmen sollten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß jeder, der Techno hört, das auch ganz ernst nehmen kann.

Was wäre, wenn Sie zur Kultfigur des Schlager-Revivals werden würden und plötzlich die Leute mit Heck-T-Shirts rumlaufen würden?

Fangen Sie doch schon mal an, welche zu drucken (lacht) Wäre es nicht an der Zeit, wieder die ‚Hitparade‘ zu machen?

Ich habe mich im Dezember ’84 nach 15 Jahren und elf Monaten entschieden, aufzuhören. Ich halte es für wichtig, daß man selber entscheidet, wann man zurücktritt. Das sollte man manchem Politiker ans Herz legen.

Welchem?

Ich nenne keine Namen.

Verfolgen Sie die deutsche Rockszene?

Ja, muß ich ja, weil ich für meine Sendung ‚Musik liegt in der Luft‘ solche Geschichten brauche. Ob das La Bouche ist, wenn Sie sowas meinen…

…wir haben da eher an Bands wie Element Of Crime gedacht.

Wer?

Element Of Crime. Das ist eine deutsche Band, die deutsch singt. Sollten Sie mal hören.

Nein, wüßte ich jetzt nicht. Aber ich wollte damals Lucilectric in meiner Sendung haben, noch bevor sie bekannt wurde.

Welche Musik hören Sie privat?

Auch sehr viel Schlager, ich höre aber auch Klassik: Brahms, Schubert und: Wagner. Nicht weil er laut ist, sondern, weil ich einfach die Dynamik mag.

Sehen sie manchmal VIVA oder MTV? Wie finden Sie das?

Ja, und ich muß sagen, das ist leider manchmal sehr schlecht gemacht, weil da wirklich nur Videos aneinandergereiht werden. Ich glaube, daß da mal jemand mit den Kollegen, die diese Sendungen moderieren, reden müßte, um ihnen zu erklären, wie man so etwas macht. VIVA ist da noch schlimmer als MTV. Heutzutage sind verdammt viel Laien am Werk, die man gleich auf die Menschheit losläßt. Und im nächsten Jahr sind sie wieder weg. Das geht einfach nicht. Ein Sender lebt doch auch von seinen bekannten Köpfen.

Was halten Sie von Heinz Rudolf Kunzes Vorschlag, eine 40%-Quote für deutsche Musik im Rundfunk einzuführen?

Da hat Kunze völlig recht. Das habe ich seit Jahren gesagt, lange vor ihm. Wir dürfen es nicht so weit treiben, daß wir alles, was aus dem eigenen Lande kommt, runterdrücken. Es gibt einfach Menschen, die so etwas nicht fühlen und denen mußt Du es eben per Gesetz zeigen. Ist es nicht schön, mal wieder deutsch zu hören?

Das Gespräch führten die ME/Sounds-Redakteure Albert Koch und Josef Winkler