Ein ganz persönliches Interview mit Elton John


Alle Verheißungen der Popszene haben sich in Elton John erfüllt. Er wurde 1970 buchstäblich über Nacht zum Superstar, gleichberechtigt mit Elvis Presley und den Beatles. Noch im gleichen Jahr hatte Elton fünf LPs in der amerikanischen Hitparade. Aus dem untersetzten, fettleibigen, kurzsichtigen Musikstudenten der Royal Academy Of Music wurde Englands bestverdienender Popstar. Ein Höhepunkt seiner Blitzkarriere sollte am 21. Juni 1975 ein Monsterkonzert im Londoner Wembley Stadion vor 72.000 Zuschauern sein. Der Zweck der Supershow: Elton wollte seine brandneue, achtköpfige Band vorstellen. Uns ist es gelungen, Elton John wenige Tage vordem 21. Juni in einem Studio in Amsterdam aufzuspüren.

Unser Geheiminterview nahm eine überraschende Wendung. Elton John bestand gar nicht darauf, vor uns das erdrückende Zahlenmaterial seiner Karriere aufzurollen. Wozu auch. Das Hohe Lied seiner Platin-Alben, Nr. 1 -Hits in den amerikanischen Charts und Großveranstaltungen in amerikanischen Stadien wird ja von den größten Zeitungen der Welt gesungen. So hält ihn „Time“ gar für einen Anwärter auf den verwaisten Hollywood-Thron von Clark Gable und Greta Garbo.

Aber der liebenswürdige Pianist, Sänger und Komponist hat gar keine Lust, Hof zu halten. Den Superstar spielt er zwar oft und gerne, aber nur aus kindlichem, unverdorbenem Spaß an dieser Rolle. Kein Wunder also, daß Elton John nichts dagegen hat, mal den Privatmenschen durchschimmern zu lassen. Er erzählt uns von Liebe, Fettleibigkeit und Fußball, von seinem krankhaften Ehrgeiz, seinen geheimen Wünschen und seinen überraschenden Zukunftsplänen.

„Geld läßt mich kalt“

ME: Stimmt es, daß Du der englische Popstar mit dem höchsten Einkommen bist?

Elton John: Hm. Ich verdiene eine ganze Menge. Ich habe nur keine Ahnung wieviel. Dafür interessiere ich mich nicht besonders. Sonst hätte ich England wegen der hohen Steuer längst verlassen. Letztes Jahr habe ich in den USA mindestens 30 Millionen DM an Plattenverkäufen und Auftritten verdient. Von jeder US-Tour gehen aber schon mal 30 Prozent an die amerikanische Regierung. Von den restlichen 70 Prozent holl sich dann die englische Steuer etwa 98 Prozent. Aber von solchen Rechnereien verstehe ich nichts. Mein Finanzverwalter kümmert sich ums Geld. Ich lasse mir jede Woche eine bestimmte Summe auszahlen.

ME: Wieviel Geld hast Du gerade bei Dir? (Elton holt ein Bündel Scheine heraus und zählt umständlich.)

Elton: 310 Mark. Hier in Amsterdam kriegen wir alle neun 500 Mark die Woche für unsere persönlichen Ausgaben. Ich habe das Hotel bisher nur einmal verlassen. Ich gehe lieber früh schlafen und bin dann am nächsten Tag fit. ME: Viele reiche Popgruppen haben England wegen der Steuer verlassen. Wieso bleibst Du?

Elton: Ich liebe England. Es beruhigt mich. Amerika ist wie ein einziger Vergnügungspark. Darum möchte ich mich dort auch nur von Zeit zu Zeit amüsieren. Aber wenn ich mal eine Familie gründe, werde ich das nur in England tun. Warum soll ich auswandern? In Jersey oder in der Schweiz wohnen doch nur Leute, die vor der Steuer davongerannt sind.

Liebesleben auf dem Reißbrett

ME: Hast Du eine Freundin?

Elton: Oh nein, es hat keinen Zweck, wenn man ständig unterwegs ist. Ich kenne zwar jede Menge Mädchen. Besonders in Los Angeles sind sie wahnsinnig nett und offen. Sie sagen dir gleich, was sie wollen. Aber heiraten kann ich jetzt nicht. Ich habe zu viele Ehen von Rockmusikern zerbrechen sehen. Die Trennung überstehen nur wenige Paare. Mitnehmen kann man die Frauen auch nicht. Die Belastung ist für beide zu groß. Nein, erst wenn ich mich wie John Lennon vom Tourneebetrieb zurückziehe, habe ich Zeit, eine Beziehung aufzubauen.

ME: Das klingt ja fast so, als würdest Du Dein Liebesleben auf dem Reißbrett entwerfen.

Elton: Tatsächlich war ich nur einmal verliebt, vor sechs Jahren, und das war eine Katastrophe. Ich habe auf dem neuen Album („Captain Fantastic“) ein Lied darüber geschrieben: „Someone Save My Life Tonight“. Dieses Mädchen haßte Musik, besonders meine Songs. Wir standen drei Wochen vor der Heirat und ich mußte mich entscheiden. Ich habe die Musik gewählt. Unterwegs gibt es zwar jede Menge Mädchen, die es einem leicht machen, aber ich steh‘ nicht auf Groupies.

„Beim Fußball packt mich der Wahnsinn“

ME: Und wie steht es mit dem Fußball?

Elton: Ach ja, der Fußball, daran hängt mein Herz. Ich bin Direktor des Watford Fußballclubs in London. Das heißt leider nur, daß ich ihn finanzieren darf. Aber was ich mir wirklich wünsche, ist, Präsident von Watford zu werden und den Club ganz nach oben zu bringen. Ich bin glücklich, daß die Mitglieder mich so freundlich behandeln. Ich hatte große Angst, sie würden mich für einen arroganten Idioten halten. Denn das sind die meisten Popstars. In der ganzen Popszene trifft man so wenig gute, aufrechte Menschen.

ME: Spielst Du selbst Fußball?

Elton: Nein, ich war schon immer zu fett. Einmal habe ich es doch gewagt, das war im vergangenen Oktober mit Rod Stewart. Und da zerbrach meine Brille in der zweiten Minute. Ohne Brille bin ich blind, aber mit Brille geht es auch nicht besser. Dafür spiele ich leidenschaftlich gern Tennis. Ich habe schon immer große Komplexe gehabt, weil ich zu fett bin. Deshalb bin ich wahrscheinlich auch so wahnsinnig ehrgeizig. Ich will alles schaffen, was ich mir vornehme. Watford zum Meister zu machen, die Leute im Wembley Stadion mit meiner neuen Band zur Raserei treiben. Ich bin ein Abenteurer, und ich muß unbedingt siegen. Wenn es in der Popmusik für mich nichts mehr zu gewinnen gibt, werde ich aussteigen. Ich bin jetzt 29 Jahre alt. Spätestens mit 35 ist Schluß. Dann gibt es nur noch Fußball!