Einstürzende Neubauten


Zehn Jahre Neubauten: Ein Geheim-Tip sind die neuen deutschen Medien-Lieblinge schon lange nicht mehr, eher ein Massen-Kult. 1.500 Bewunderer und Bewunderinnen haben sich eingefunden, um den Jubiläums-Auftritt zu erleben. Zum Auftakt widmet der Schriftsteller Heiner Müller Blixa & Co. sein Gedicht: „Der glücklose Engel“. Doch fehlt es ihm noch ein wenig an Erfahrung im Umgang mit der Gefolgschaft der Gruppe. Auf einen entsprechenden Vorwurf aus dem Auditorium weiß er sich nur mit dem etwas anbiedernden Ausruf „Mensch, ich bin doch kein Intellektueller!“ zu verteidigen.

Und damit nimmt das Stahlgewitter seinen Lauf. Es beginnt klassisch mit dem „Prolog“ der letzten Platte „Haus der Lüge“. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der ewig jugendliche Blixa Bargeld, eine Mischung aus launischer Diva und leidenschaftlichem Primaner. Ganz in Schwarz rezitiert er seine Texte; er schreit, brüllt und quietscht, und manchmal nervt er ganz einfach, in „Armenia“ zum Beispiel. So schnell will er sich wohl doch nicht zum Pop-Stern abstempeln lassen.

Auf einem Podest hinter ihm spielt Mufti eine profane Fuß-Pauke und drischt auf Blechplatten ein. Der Takt-Arbeiter unternimmt auch einige Ausflüge zum Bühnenrand. Warum er das macht, ist nicht recht ersichtlich – offenbar hat er gerade nichts zu tun. Erhöht steht auch Rhythmus-Monteur E. N. Unruh, der hauptsächlich auf zwei Stahlfedern und einen Amboß schlägt, diese Teile gelegentlich mit der Bohrmaschine traktiert oder den mittlerweile legendären Einkaufswagen malträtiert. Die Arbeit von Mark Chung am Baß sowie des Gitarristen Alex Hacke geht dagegen in diesem Inferno aus schwer dumpfen und hell metallischen Klängen fast völlig unter.

Eines fällt auf: Bargeld lacht nie: diese Burschen haben nicht für zwei Pfennig Humor. Bierernst und teutonisch scheinen die Fünf auf der ewigen Suche nach geistiger Tiefe, selbstquälerisch zieht es sie hinunter in die Abgründe des Lebens. Fest steht deshalb: Die Neubauten sind nichts zum Lachen. Dabei entbehrt die Bühnen-Szenerie nicht selten der Komik, fühlt man sich doch vielfach wie auf einer musikalischen Baustelle, auf der schweißtreibend an Tönen gearbeitet wird.

Früher mag dies Kreuzbergs radikalste Musiker-Kolonne gewesen sein – heute gehört sie zur Populär-Avantgarde und zehrt von der Experimentier-Wut vergangener Tage. Manchmal entsteht der Eindruck, es spielt eine ganz normale Schwermetall-Formation mit harten Rhythmen und einem charismatischen Textvorträger. Ihr Front-Mann aber beschert der schwerkalibrigen Truppe einige wirklich faszinierende Momente.

Mit dem „Epilog“ endet der Auftritt wie er begonnen hat – klassisch. Und immerhin hat die Bande, die anscheinend gern zum Klassiker avancieren würde, gute Manieren. Wer sonst bedankt sich, wie Alex Hacke, nach den Zugaben für unsere Aufmerksamkeit?