Euphorikerin!


Und Rhetorikerin. Rockerin. Historikerin. Meinungssagerin. The Cult Of Charlotte Roche wächst. Jetzt hat die Viva-Pop Jeanne D'Arc eine Talkshow auf dem Menschenmassensender Pro7. Zeit, der Frau mal etwas auf den Zahn zu fühlen. Was? Soll das irgendwer machen? Wir haben uns lieber blendend mit ihr unterhalten.

Strecken wir eben wieder gleich zu Beginn sämtliche journalistischen Warfen. Mal so gesagt: Man muss sich nicht zwei Stunden mit Charlotte Röche über Thom Yorke und die Welt unterhalten, um sich ein bisschen zu verschießen. Aber es hilft ungemein. Donnerstagnachmittag Ende Oktober, das Viva/Brainpool-Hauptquartier in Köln. Charlotte Röche, Jahrgang ’78, Mutter von Polly, Jahrgang ’02, Moderatorin von Vivas „Fast Forward“ und neuerdings „Charlotte Röche Grifft ,..“aufPro7, die Hand mit Kugelschreibernotizen vollgemalt, dreht sich auf einem Stuhl in einem Büro, das nicht ihres ist, herum. Später muss sie sich noch auf ein Michael Stipe-Interview vorbereiten, aber jetzt hat sie Zeit mitgebracht. Auf-, nicht überdreht, mit einem stets mitschwingenden Lachen in der Stimme, erzählt sie einen. Und noch einen. Kichert erfrischend laut los. Und erzählt noch einen. Ballert mit einer unfassbaren (ein Roche-Lieblingswori) positiven Energie um sich, als hätte sie, die mit dem Unfalltod ihrer Brüder vor zwei Jahren einen Schicksalsschlag zu verkraften hatte, den man sich nicht entfernt vorstellen mag, ein ganzes Kraftwerk im Brustkorb. Nach gefühlten 20 Minuten ist die 90oer-Cassette voll und halb Brainpool wird mobilisiert, noch irgendwo so einen altmodischen Tonträger aufzutreiben. Und irgendwann ist klar, was man freilich schon lange vermutet hat: Iggy Pop kann unmöglich alle Latten am Zaun haben.

(Der Fairness halber eine Warnung an Zartbesaitete: Diese Frau hat etwas Grauenvolles mit ihrer Plattensammlung angestellt) Charlotte röche: Cool, ein Cassettenrecorder. Sieht man ja nur noch selten.

musikexpress: Minidisc war mir lieber, aber den haben sie mir geklaut.

Aber da kann doch passieren, dass das nicht richtig speichert und alles weg ist.

Ja, ist mir tatsächlich schon zweimal passiert.

Ich hab mal ein Interview mit Hermes Phettberg gemacht, in seiner Wohnung in Wien. Wir waren total aufgeregt, weil s hieß, der ist ein Messie und kackt ins Klo und spült nie und so – so Legendenbildung. Die Redaktion hatte gTad einen Lehrgang gemacht für Funkmikro. Das Interview war unglaublich. Er immer so, „Charlotte, du bist doch lesbisch, alleguten Moderatorinnen sind lesbisch!“ Der war so süß, so kindlich – super. Dann kamen wir nach Hause und es war kein Ton drauf. Ich hab geweint.

Wie bereitest du Interviews vor?

Ich lese viel und versuche rauszufiltern, wie die betreffenden Musiker dastehen. Was ist ihr Problem, was finden sie grad super? Wofür meinen die, stehen sie gTad? Zum Einstieg gibt’s dann meist die Fragen zum Album. Dann aber direkt das, was mich wirklich interessiert.

Was war dein erstes Interview?

Die ersten Musiker waren Blur. Aber davor hab ich Rudi Dolezal interviewt. Haha! Weil er dieses Falco-Buch geschrieben hatte. Und ich war-BIN natürlich der Meinung, dass Falco nicht tot ist. Und dass der das weiß. Der Rudi.

Dass der Rudi eingeweiht ist?Austropop-Mafia?

Hab ich gedacht, haha! Und ich saß da so (verengt die Augen zu Schlitzen) und dachte „Du lügstmich doch an! Der LEBTdoch!“ Du bist direkt von der Schule quer eingestiegen.

Genau. Und dann wurde das immer mehr Arbeit und Interviews, und es ging aufs Abitur zu. Da hab ich in der 12. Klasse – ich war zweimal sitzen geblieben – die Schule abgebrochen.

Und dann Blur statt Abitur.

Und das war unsäglich schlecht. Ich war aufgeregt und hab mich versprochen und die haben mich arschcool vollkommen auflaufen lassen.

Magst du die seitdem noch ?

Mmnnjaa. Die waren ja nicht böse. Aber bei Leuten , die doof zu mir waren, kann ich dann die Musik leider nicht mehr gut finden. Klar. Ich will doch nicht wen singen hören, von dem ich weiß, dass der mich doof findet. Iggy Pop war bislang die größte Katastrophe. Und mit dem werd ich mich auch nicht mehr befassen.

Was ist denn nur passiert?

Er wollte nicht aus dem Hotel raus zum Dreh. Da haben wir uns gedacht, setzen wir uns halt ins Bett mit ihm. Ich hab ihn in der Maske gefragt, ob das okay wäre und er „ja klar, machen wir“, so flirty-flirty. Das Problem war: Der hatte sein Kölner Groupie da. Das ist ja oft so.

In jedem Hafen eine Braut?

Genau. Und die hat das gehört. Zwischen Maske und Interview war er mit ihr im Zimmer weg. Und da ist irgendwas passiert, Ärgerwasser getrunken, aufgehetzt worden, keine Ahnung. Dann kam der rein und war plötzlich ein ganz anderer Mensch und schrie rum „Ich bin doch nicht bescheuert! Du könntest meine Enkelin sein! Ichlegmich nicht mit dir ins Bett!“Wii waren völlig entsetzt, so „Oh Gott. Iggy Pop hat uns grad angeschrien.“ Das war SO schlimm. Und dann saßen wir so auf der Bettkante und ich hab eine einzige harmlose Einstiegsfrage ge-. stellt, und er: „Das beantworte ich nicht, erst recht nicht dir.“ ‚Heute könnte ich mit sowas super umgehen, so ,Ahja? Schlechte Laune oder was?“ Aber damals saß ich nur wie vom Donner gerührt da und es war halt aus.

Du läufst immer Risiko, morgen BandXY, die du toll fandest, nicht mehr mögen zu können?

Wenn man riesiger Fan von jemandem ist, sollte man zweimal überlegen, ob man die treffen will. Die Leute, die ich so richtig verehre, sind eh tot. Kinski oder Elvis zum Beispiel.

Das triff sich natürlich gut.

Ne? Hab ich wahrscheinlich extra so arrangiert, „nee nee, ich find‘ Lebende nicht gut“. Damit ich locker bin. Selbstschutz einer Interviewerin.

Du hast mal gesagt, nach Robbie Williams könntest du sterben. Den hattest du ja jetzt auch.

]z)3l. (grinst) Klingt gut, ne? Robbie Williams ist halt der Lustigste von allen. Aber ich würd zum Beispiel gern noch diese ganzen Legenden treffen, Robert DeNiro, AI Pacino, so Leute.

Und das macht Pro7jetzt möglich ?

Ja, das ist der allergrößte Vorteil.

War das der Beweggrund?

Naja, es gibt schon auch die Überlegung, dass man ja nicht bis man 80 ist Viva machen kann. Auch ein Grund ist, Budget zu haben für die Sendung. Bei Viva müssen ja alle unfassbar billig produzieren. Da ist kein Geld da, mal was in ein Interview reinzuschneiden, zu illustrieren, was gesagt wird. Bei der Pro7-Show geht das.

Wie war’s denn eigentlich mit Torantino?

Ich hatte ja etwas Angst vor dem, weil ich immer auf Rollen reinfalle. Vor allem bei Schauspielern. Ich denk einfach, Robert DeNiro ist klar Mafiamitglied. Der ist voll verbandelt. Weißte. Und Tarantino hat ja was Bedrohliches, vor allem mit seiner Rolle da in „From Dusk Till Dawn‘,‘ dieser gestörte Vergewaltiger. Und ich fall da voll drauf rein und denke, ich interviewe jetzt diesen Vergewaltiger.

Und in Wahrheit ist er völlig niedlich ?

Genau. Ein Euphoriker. Es gibt ja Leute, die tun nur so, als würden sie sich freuen. Aber der ZER-FLIESST vor Begeisterung. So (atemlos), „Ey, Charlotte! Ich bin doch mtrso’n Nerd! So’n Videothekar-Tup! Wasfiirein Glückhab ich denn?“

Der ist so verliebt in seinen eigenen Film und man wird so mitgerissen von seiner Euphorie super. Und es ist so nett, wenn du den neben Uma Thurman siehst. Der hat früher keine Frauen abgekriegt. Das strahlt der aus.

Es ist ja wohl schwierig, die Leute erstmal zu kriegen, von den Terminplanungen her.

Ich hab da groteske Sachen erlebt. So: Moby ist in Köln, hat aber keine Zeit; ob wir das Interview im Zug nach Amsterdam machen wollen? Weil, das ist ja tote Zeit. Demnächst läuft es so, „Interviews aufm Klo. Interviews beim Rasieren morgens „. Ist ja tote Zeit. Während des Gesprächs gab’s dann eine Durchsage, „der letzte Wagen wird abgekoppelt“, und da saßen wir drin. Und Moby war so feige und ist sofort auf und weggerannt. Total uncool!

Der ist ein ziemlich Neurotiker.

Ein Niedlichkeitszwangshandlungsmensch. Der muss immer so niedliches Zeug erzählen, alles ist süß und niedlich. Und die Plattenfirma so [feierlich verhuscht) „Es ist so toll. Der besitzt nur zwei T-Shirts „. Und er betont das dann auch selber immer so. Weißte, der Typ ist Mmmmmultimmmilliardär, wahrscheinlich.

Ich war mal dabei bei einem Festival in L.A. Außenrum war Nu-Metatler-Party, in Mobys Garderobe gab’s Rohkost. Und irgendwann legt er sich auf den Boden und macht ein Nickerchen.

Haha! Man stellt sich vor, die schlimmste Strafe ist: Groupie sein von Moby. Da geht gar nix! Da wird noch nicht mal gelacht! So „tralala… Noch jemandein Möhrchen?“ Hahaha!

Irgendwo stand, Elvis sei dein“.Idol …

Naaa. Das heißt ja, dass man so sein will wie der. Das hatte ich nie. Als ich ganz klein war, hatte ich Bros-Poster im Zimmer. Dann kam ein Riesensprung und dann Kurt Cobain.

Da warst du 1S.

Genau das richtige Alter. Voll reingegrätscht. Vollkommen. Man kann da zurückblicken und Witze drüber machen, aber das war schon … Halt so ständig an sich rumritzen auf Parties, Todessehnsucht, nicht mehr waschen. Sich-Wegschießen aus jeglicher Art von Gesellschaft. Wir hatten da einen krassen Kreis von Leuten, die sich getoppt haben mit crazy Zeug.

Wie zum Beispiel?

Ich hab zum Beispiel noch viele Narben über (streckt ihre Hand vor, über dem Handgelenk verlaufen Dutzende feiner Narben). Aber das ist nicht zu Hause passiert, sondern natürlich in der Öffentlichkeit, so (todessehnsüchtig) „Kuck mal, wäh “ (macht Armritzbewegung und guckt sich um, ob auch alle imaginären Partygäste zusehen) „ich hasse mich se-helbst. Wäh!“

Du bist ja schon mit 75 zu Hause ausgezogen.

Ich bin sozusagen rausgeschmissen worden. Mein Vater hat meine Wohnung bezahlt, der Rest war gekappt, weil ich es so sehr auf die Spitze getrieben hatte mit allem. Ich hab geklaut, geschlagen, Sachen kaputt gemacht, bin abgehauen, bis sie dachten, ich war tot… Die totale Mega-Packung. Dann haben sie gesagt: Du machst unsere Familie kaputt, bitte geh weg.

Die Annäherung kam ober wieder?

Ja, aber die haben mich schon so zwei Jahre machen lassen. Ich hab auf jeden Fall zwei Weihnachten alleine verbracht. Huuuh. Mit dem krassen Kreis? ->

-> Nein. Der krasse Kreis war ja dann bei den Eltern, haha! Und ich saß da. Was macht man mit 16 allein an Weihnachten? Was kocht man?

Eine Gans natürlich.

Genau. ‚Ne riesige. Ich glaub, ich hab Rotwein gekauft und mich zugesoffen und geheult. War natürlich alles inszenierter Scheiß. Vor Nirvana war Cat Stevens, diese ganze selbstmitleidige Mädchen-Scheiße. Alles mit Kerzen voll, aufgetürmte Wachsberge. Und alles dunkel und abgehängt und ich hatte ein mit Blut beschmiertes Bild an der Wand und in rote Farbe getunkte Tampons, die ganze Wand voll. Bescheuert. Und alles so, „ja, mein Gott, wenn ich jetzt überfahren werde oder ich bring mich um, ist es auch egal“. Weil man ja weiß, alles ist sinnlos, haha. Aber ich konnte natürlich alle total beeindrucken in meinem Kreis: „Kuck mal, ich bin rausgeschmissen worden. Ich bin von euch allen die Kaputteste!“

Die Musik begann bei dir mit Elvis Presley.

Ja, in der Kindheit. Das war, als Nirvana war, weg. Aber jetzthöreich wieder unglaublich viel Elvis. Ich kann jedes Lied auswendig singen.

Hast du auch die ganzen alten Platten?

Ich hab jetzt gTade beschlossen, dass ich keine Platte mehrzu Hause haben will. Ich hab einen iPod. Ich denk halt, zu sammeln und was besitzen ist Scheiße. Wenn man was digitalisieren kann – Bücher, Platten: Super. Die CDs sind alle schon weg, überspielt. Jetzt kommen die LPs dran, auch die alten Elvis-Platten von Papa.

verdammt. Das ist hart.

Ja. Weil sauch keine Cover mehr zum Durchgucken gibt. Man muss im Kopf wissen, was man hören will, ohne die Bilder. Eine neue Dimension von Musikhören, (grinst) Gut, ne? Ich will so weit weg wie’s geht von so Nerd-Kram.

Dos ist mir zu krass. Wir müssen das Thema wechseln. Du willst erklärtermaßen keine Werbung machen. Anke Engelke, die selbst wirbt, hat dir in deiner Sendung prophezeit, in spätestens drei Jahren wärst du auch mit im Boot.

Früher musste man sich noch eher rechtfertigen, wenn man Werbung gemacht hat, aber heute gibt es so einen Respekt in der Gesellschaft, „Hut ab, da hatdieaber ’nenguten Deal abgeschlossen. Zwei Millionen!“ Dieses Respekt-für-Kapitalismus-Ding. Respekt für Verkäufe. Respekt für Einschaltquote. Es geht da nicht mehr um die Qualität. Respekt für Erfolg ist das schlimmste! Weil Erfolg oft die Folge von Niveau-Runterschrauben ist. Ich meine, „Deutschland sucht den Superstar“ ist das schlimmste Format, das es gibt! Dumm, unfassbar schädlich. Und da zu sagen „Hut ab, super Quote“? Die bauen NUR SCHE1SSE, die Leute, die da dran arbeiten, aber fühlen sich im Recht, weil es erfolgreich ist. Wo sind wir denn? Und Werbung zu machen ist für mich einfach so ein No-No! Alles, wofür man steht, wird für ein Produkt verkauft. Das Produkt will ich erstmal sehen, das es wert ist, mit Harald Schmidt aufgewogen zu werden. Aber es ist total akzeptiert. Und wenn Blumfeld bei ’nem Festival ein Jägermeister-Plakat auf der Bühne runterreißen, dann wirkt das heute gleich total linksradikal terroristenmäßig.

Glaubst du an die Pixies-Reunwn ? Kommt die?

Nee, ich glaub s ja nicht wirklich.

Die könnten dann ja auch recht erfolgreich sein.

Hammer-Quote, Herr Black, haha! Nee, aber ich hab ja Kim Deal interviewt (Ende2002). Ich glaub, das würde schwer. Die war wirklich … Ich bedauere ja, dass heute alles so durchkalkuliert ist im Musikgeschäft. Plattenmachen und Band-Zusammenhalten saugt ja schon so viel Energie, und da kommt heute noch der Promoapparat dazu und irgendwann sind die Musiker unfähig, noch ein Rock’n’Roll-Leben zu führen. Du musst ausgeschlafen sein und Saft trinken, sonst stehst du’s nicht durch. Früher sind die Leute am Lifestyle kaputt gegangen, heute an der Promo -Maschine, (lacht) Ist das nicht schlimm? Wie kamen wir jetzt da drauf?

Über Kim Deal.

Ach ja. Ich freue mich, wenn ein Künstler während des Interviews Bier trinkt, das gibt’s ja kaum noch. Oder Evan Dando, der halt hängengeblieben ist. Sowas wäre halt in den zoern NUR passiert, so „haha“, vier Fragen versetzt antworten, nebenher noch Gitarre spielen. Der war ja nicht desinteressiert, sondern einfach unkonzentriert, wie ein Kind. Aber auch total euphorisch. Kim Deal war halt besoffen. Da denkt man auch im ersten Moment, hey super. Aber die war einfach kaputt, und das ist dann natürlich nicht mehr cool und lustig.

Ich war grad bei einer AC/DC-Pressekonferenz…

Ich hab mal Angus getroffen! Der war soo nett!

Eben. Und dann sitzen die da und rauchen und rauchen und sehen ungesund aus und es ist klar, dass das nicht mehr lange gutgehen kann.

Ja, eben, und das will man dann auch nicht. Klar. Aber wer will Rockstars haben, die sagen: Ich bin jetzt clean. Die sind doch unsere Gladiatorenkämpfer! Im Kampf gegen die Drogen auf der Bühne. Oder die ganzen Superstars mit ihrem Privatscheiß: Man findet das halt auch geil, wenn die unglücklich sind.

Es ist auf jeden Fall meist gut für die Musik.

Und auch für das Star-Sein. Robbie Williams zum Beispiel. Wir haben ihn dick werden sehen und wieder dünn und er ist einsam und findet niemals ’ne vernünftige Frau. Aber das ist halt auch ein Selbstmordgrund. Und man will die ja auch nicht verlieren. Ich will, dass jeder Rockstar kokst und säuft und gefährliche Sachen macht. Aber natürlich verliert man die dadurch. Gab’s ja schon öfter. Dass die dann voll uncool an ihrer Kotze ersticken. Und dann sind sie halt weg, und das ist ja Kulturgut. Aber sie sind zwar auch Menschen, aber eben auch Pappaufsteller. Die basteln alle dran rum und stellen sich hin zum Anhimmeln.

Du wirst selbst immer öfter interviewt. Ist der Perspektiventausch eher entspannend?

Fernsehen nicht. Bei Talkshows bin ich dermaßen aufgeregt davor. Das geht morgens los, so „Ich bin krank“. Dann merk ich tagsüber, dass ich total langweilig bin, dass es gar nichts gibt, worüber man mit mir reden könnte. Und dann fang ich an, meine Managerin, meine Mutter, Freunde anzurufen und zu nerven. Es gibt ja bei Talkshows, wenn man kurzfristig absagt, Konventionalstrafen. Und ich zu den Leuten „15.000 Euro sind doch nicht so viel, was meinst du?“ Und die so, „aber Charlotte, was fehlt dir denn eigentlich?“Undich, „naja, mir ist irgendwie übel.“ Haha! Das ist mein Tag vor einem Femsehauftritt „Warum mach ich das? Ich hasse es/“Und in der Sekunde, wo ich in die Show reingehe, ist das weg. Dann macht es unglaublichen Spaß, wenn du nur „Hallo“ sagst, und die Leute klatschen schon: „Hachl Ich hab den TOLL-STEN Beruf auf der GANZEN Welt!“

So geht’s mir vor manchen Interviews, Thom Yorke etwa, der ja so schwierig sein soll. Und dann kommt man rein, und der ist total super.

Diese Arschlöcher! Wieso steht in jedem Artikel, was für ein geistesgestörtes Schwein der ist? Die ganze Plattenfirma hat mir vorher gesagt (flüstert) „Ey, der bricht ab, der sagt immer next question ‚, der hatvoll ne Schraube locker“. Dann kommste rein: Der Typ steht mitten im Leben. Der ist nur scheiße, wenn man scheiß Fragen stellt. Ich sag: „Das hier können $0 Minuten Wort werden.Nichtswirdgeschnitten,allesbleibtdrin.“ Und er: „Auch politische Sachen?“ Ja. Und er: .Alles klar!“, und: Tschüng! Alarm an! Weißte?

Der ist Supermann. Der ist kein zartes Pflanz chen. Der gibt Vollgas!

Und das kickt, oder?

Ich bin ja so eine Euphorikerin. Das ist wie Drogennehmen, Interviews, die gut laufen. Dann ist man den ganzen Tag so „BOAH! GEIL!“

Wolltest du mal selber Rockstar werden ?

Nee, Schauspielerin. Also, irgendwie Star in einer Art. Pornodarstellerin, Schauspielerin. Sängerin. Bei einem Beruf wie dem meinen ist das ja tiefenpsychologisch schnell erklärt: Man steht halt gern im Mittelpunkt. Und alle, die im Fernsehen arbeiten oder auf einer Bühne stehen, die LÜÜÜGEN, wenn sie sagen, sie mögen das nicht. Es zieht die da hin. Das macht die zwar kaputt und es ist schlimm, wenn die Bild-Zeitung was Böses schreibt, aber es ist auch einfach geil. Und auch erstmal egal, was genau man da macht. Ich hab halt das Glück, machen zu dürfen, was ich möchte. Und kann aus meiner unfassbar verwöhnten Situation auf andere herabblicken und sagen, (mit spitzen Lippen) „tjaja, oberes ist schon wichtig, WOFÜR man berühmt ist. Mitguter Qualität, bitteschön!“

Haha!

Du warst in der Schule in Theatergruppen.

Ja, in zwei Gymnasien gleichzeitig. Wir haben Kinderstücke gespielt, „Jim Knopf, „Die kleine Hexe“, aber auch „Frühlingserwachen“ und „Die Dreigroschenoper“.

Und Schauspielerei ist immer noch ein Ziel ?

Ja. Aber meine Vorstellungen werden immer spezieller, was man machen darf und was nicht. Ich möchte nur anstrengende, kranke Drogen-Gewalt-Sachen spielen, die nicht erfolgreich sind, wenn’s geht, (grinst). Ich lese die ganze Zeit Drehbücher und hab schon einen Film absagen müssen, weil ich hochschwanger war und zu früh Wehen gekriegt hab. „Schussangst“, kommt bald ins Kino. Ich hätte ein halbindisches Mädchen gespielt -(überlegt) – war ja wohl gegangen? Punkt drauf (tippt sich an die Stirn), feddich. Haha!

Montag hatte deine Pro 7-Sendung Premiere. Merkst du schon was am Bekanntheitsgrod?

Ja. Eine einzige Stunde auf Pro7 auf Sendung, das merkt man schon. Ich kenn das, wenn ich mal bei Harald Schmidt war: Am nächsten Tag auf der Straße erkennen einen dann auch Ältere. Und das wird jetzt immer mehr werden.

(st das eher unheimlich oder toll ?

Ich glaube, Leute haben vor mir schon irgendwie Respekt. Wenn sie Leute Verona Feldbusch auf der Straße sehen, ist das vielleicht anders.

Wie findest du denn die neue Strokes-Platte ?

Ähnlich wie die erste. Aber richtig gut. Die Strokes sind meiner Meinung nach nicht dazu da, etwas neues auszuprobieren, vielen Dank.

Liest du Plattenkritiken ?

Ja. Aber nicht privat. Ich merke mittlerweile, das versaut so sehr, die Meinung anderer Leute zu wissen, das beschäftigt mich total. Ich muss Kritiken lesen, wenn ich zum Beispiel Tomte interviewe. Damit ich weiß, was Thees Uhlmann gelesen hat über sich und seine Platte. Aber ich will zum Beispiel nicht von jemandem wissen, wie er einen Film fand. „Boah, das ist der GEILSTE Film „und dann gehst du rein und es ist halt nicht der geilste Film.

Ich find s schlimmer andersrum, wenn du jetzt in deiner Sendung über eine Platte, die ich mag, was Hämisches sagen würdest, würde das für mich diese Platte ein bisschen beschädigen.

Geht mir ähnlich. Das ist interessant: Ich will nichts hören, fasse aber meinen Beruf auf als Meinungssagerin, unfassbar subjektiv gefärbte Video -Anmoderation, auch sehrböse oft. Aber für mich selbst will ich das nicht mehr.

Die zweite Cassette ist auch fast voll, der Fliegergehtbald. Im Aufzug nach unten erzählt Charlotte vom geplanten Namen ihrer selbstgegründeten Produktionsfirma, Punani. Das ist ein Slangausdruck, den Ali G immer benutzt, und der wohl „irgendwas weibliches Sexuelles“ bedeutet. Weswegen es jetzt eventuell rechtlichen Ärger gibt, weil das ein irreführender Firmenname wäre für ein Haus, das leichtfüßige Interviewsendungen produziert. Weswegen sie jetzt wiederum erwägt, zur Legitimierung des Namens als Einmal-Aktion einen Porno zu produzieren. „Undzwar mit Leuten, die normal aussehen. Frauen mit kleinen Brüsten undMänner ohne Muskeln. Aber schon richtig zur Sache. Würdest du den gucken?“ Ich muss weg. — „Charlotte Röche trifft…“ läuft montags um 23.15 Uhr auf Pro/. Und ab nächstem Monat: Charlotte als Kolumnistin hierbei uns im MUSIKEXPRESS. Schon mal vorfreuen.